Sterben
Kein schönes Thema? Jedenfalls sicher kein einfaches. Der Tod gehört zum Leben. – Das ist ein banaler Satz. Aber was bedeutet er im Alltag?
Zum einen gibt es Tode, die kann kein Mensch schön finden. Oder normal. Sie sind grausam. Punkt. Da sind drei Geiseln – junge Männer –, die in einem fürchterlichen Krieg mit der weißen Fahne in der Hand versehentlich von den eigenen Leuten erschossen werden. Da ist das kleine Mädchen, dass bei einem Verkehrsunfall in einem einzigen Augenblick ums Leben kommt. Da sind Kinder, die als Soldaten in den Krieg geschickt werden und jämmerlich umkommen. Da sind 60 Menschen auf der Flucht, die in einer einzigen Nacht auf dem Mittelmeer ertrinken ... All das ist einfach nur traurig.
Und doch gibt es Tode, die auch normaler Teil des Lebens sind. Trotzdem bleiben auch sie meist unendlich traurig. Der Junge, dessen Herz nicht stark genug zum Überleben ist. Die Frau, die unter der Geburt ihres Kindes ums Leben kämpft. Und verliert. Der alte Mann, der endlich gehen darf, nachdem er es sich schon seit Jahren wünscht ...
Und mein eigener Tod? Je klarer ich mir mache, dass ich eines Tages sterben werde, desto klarer ist mir, dass ich bis dahin leben will. Nie möchte ich sagen müssen: ''Du hast so viel verpasst. Jetzt ist es zu spät.''
Mascha Kaléko hat gedichtet:
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang, Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind. Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang Und laß mich willig in das Dunkel treiben. Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr; – Und die es trugen, mögen mir vergeben. Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur, Doch mit dem Tod der andern muß man leben.