Hörspielstimmen mit generativer KI
Ich höre sehr gerne die Sherlock Holmes Hörspiele mit den Stimmen von Christian Rode (Holmes) und Peter Gröger (Watson). Beide Schauspieler und Synchronschauspieler sind bereits 2018 verstorben, es wurden aber einige Hörspiele noch im Voraus produziert, so dass bis vor wenigen Monaten noch neue Folgen erschienen (bis Folge 56), welche die beiden Herren eingesprochen haben.
Weitere Folgen (58 – 60) sind Stand heute bereits angekündigt.
Quellen: https://sherlockholmes.fandom.com/de/wiki/Die_neuen_F%C3%A4lle https://www.romantruhe.de/serien/krimi-thriller/sherlock-holmes/sherlock-holmes-die-neuen-faelle/
Was mich nun aber zum Nachdenken brachte, waren die Aussagen, wonach sich im Booklet der Folge 57 folgender Hinweis findet:
Die Stimmen wurden mit technischer Unterstützung aufgenommen.
Quelle: https://sherlockholmes.fandom.com/de/wiki/Die_B%C3%BCchse_der_Pandora_(H%C3%B6rspiel)
Unter anderem im Hörspieltak-Forum und Hörgruselspiele-Forum, wird durchaus kritisch darüber diskutiert, was genau sich unter dem Hinweis dass die Stimmen mit technischer Unterstützung erstellt worden sind, verbirgt.
Haben neue Sprecher die Texte eingesprochen und mit Hilfe einer generativen KI wurden diese dann die Stimmen von Christian Rode und Peter Gröger (basierend auf den vielen Stunden an vorhandenem “Echt”-Material) umgewandelt? Oder erstellte eine generative KI mittels Text-to-Speech “lebloses” Audiomaterial?
Ein Forumsuser weist darauf hin, dass außer im Booklet des Produkts nirgendwo auf den Websites oder Bestellmöglichkeiten, diese Information zu finden ist und man als Konsument erst einmal im Glauben gelassen wird, diese Folge sei, wie alle 56 Folgen zuvor, von den beiden lebenden Sprechern eingesprochen worden.
Quelle: https://www.hörspieltalk.de/forum/thread/12860-sherlock-holmes-die-neuen-f%C3%A4lle-romantruhe/ https://www.hoergruselspiele.de/index.php?thread/38757-sherlock-holmes-die-neuen-f%C3%A4lle-57-die-b%C3%BCchse-der-pandora/
Ich gebe zu, ich kenne nicht alle aber doch eine ganze Menge der Hörspiel-Folgen und kann durchaus einen Vergleich anstellen. Ich finde die Umsetzung kann sich hören lassen, gerade der spezielle Sprachduktus der beiden in ihren Rollen wird zum Großteil gut “repliziert”. Dennoch fällt immer wieder auf, dass es etwas “eckig” klingt, etwas zu “stelzig”, leblos.
Die “technische Unterstützung” (der Begriff “künstliche Intelligenz” fühlt sich im Zusammenhang mit Künstlerischem Schaffen irgendwie falsch an) schafft es ganz gut anhand des umfangreichen Vorlagen-Materials die bisherigen Darbietungen der beiden Sprecher zu wiederholen und “neu zu mixen”. Aber was ihr fehlt sind die genialen Spontanitäts-“Funken” einer realen, echten Darbietung der beiden herausragenden Sprecher, welche nur durch die jahrzehntelange Übung und das Austesten eigener Ideen und Lernen aus Fehlern möglich wurde. Ein verschmitztes Kichern hier, ein verächtliches, aber dennoch lieb gemeintes Schnaufen da, eine gekonnte und gewollte Pause die bewusst eine Sekunde länger dauert. Das kann weder die technische Unterstützung noch ein Regisseur oder Produzent so einsetzen wie es die beiden Sprecher, vielleicht sogar in mehreren verschiedenen Versuchen ausgetestet hätten.
Man kann noch viele Fragen an diesem Beispiel aufwerfen über die es sich lohnt nachzudenken und zu diskutieren:
- Hätten die beiden Herren dieser Art von “Weiterverwendung” ihrer Stimmen zugestimmt?
- Werden die potenziellen Kundinnen und Kunden hinter's Licht geführt, wenn durch die “technische Unterstützung” (ohne genauere Details zu nennen) leblose “Abbilder” von Hr. Rode und Hr. Gröger noch unzählige weitere Folgen ermöglichen?
- Geht es der Produktionsfirma nur um den reinen Profit der mit dem Sprecher-Duo möglich ist? Oder ist es wirklich ein künstlerischer Aspekt bzw. das Erfüllen einer eventuell vorhandenen Hoffnung in der Fangemeinde, dass noch lange weiter Folgen produziert werden?
- Zeugt es nicht von Schwäche wenn man nicht akzeptieren kann oder möchte, dass mit dem Tod eines Schauspielers / Sprechers auch dessen verkörperte Rolle in der speziellen Form einfach nicht mehr “verfügbar” ist und man sich damit entsprechend arrangieren muss und nicht – um es zugespitzt zu formulieren – wie Frankenstein den Künstler “wiederbeleben” will. (Was keine gute Idee ist, wie wir alle spätestens seit Stephen Kings “Friedhof der Kuscheltiere” wissen).
Unabhängig davon bin ich der Meinung, egal wie perfekt eine entsprechende Technologie imstande ist vorhandenes, erschaffenes Kunstmaterial zu “replizieren” und gegebenenfalls “in neuer Form zu mischen” wird Sie niemals in der Lage sein “von der Muse geküsst” zu werden. Kunst in jeglicher Form sollte und kann nur von lebendigen Künstlerinnen und Künstlern erschaffen werden.