Grevet Bayern #3 – Ein Tag im Reiseprospekt

Der Mai neigte sich dem Ende und voller Vorfreude blätterte ich durch den Familienkalender um einen geeigneten Termin für das im Juni anstehende Grevet #3 zu finden. Und siehe da, am Samstag den 3. Juni sieht die Wetterprognose gut aus, der Kalender ist noch leer und das ist auch noch der Termin vom Social Grevet. Ich bin ja noch nie in der Gruppe gefahren, aber hey, da trifft man bestimmt coole Leute, also Termin fix gemacht. Zwei Tage später kam dann die Nachricht, dass das Social Grevet auf den 10. verschoben wird, der ist bei mir leider schon verplant, also fahr ich halt doch wieder alleine. Hat ja bei den ersten beiden auch gut geklappt.

Der finale Track hat diesmal etwas auf sich warten lassen und somit habe ich ihn zum ersten mal am Freitagmorgen gesehen, keine 24 Stunden bevor ich starten wollte. Ich wusste ja von den groben Eckpunkten auf der Webseite schon, dass der Track nah bei mir zuhause vorbei kommen würde und siehe da, der nächstgelegene Trackpunkt ist gerade mal 8km entfernt. Klare Entscheidung da spare ich mir die Anreise mit Auto oder ÖPNV und fahre einfach direkt mit dem Rad zuhause los. Freitag Nachmittag dann nochmal das Rad auf Vordermann gebracht und die Taschen gepackt, ist ja jetzt bei Grevet #3 fast schon ein bisschen Routine. Aber gegen Freitagabend wurde ich dann doch recht nervös, ~235km mit ~2900hm, das ist schon nochmal was anderes als die ersten beiden Grevets. Ob ich das wirklich packe? Ach wird schon gehen. Und ab ins Bett jetzt, es soll morgen früh los gehen, ich will im Hellen wieder nach Hause kommen.

Um 05:15 sollte der Wecker klingeln, die Aufregung sorgt dafür, dass ich eine halbe Stunde früher aufwache. Perfekt, dann nehme ich den Sonnenaufgang unterwegs noch mit. Also schnell angezogen, Kaffee getrunken und eine Kleinigkeit gegessen. Noch die Flaschen auffüllen, der Rest hängt eh schon am Rad. So geht es dann also gegen 05:20 los in Richtung Trackeinstiegspunkt in Habach. Kurz wünschte ich mir die langen Handschuhe mitgenommen zu haben, das Navi meldet Lufttemperatur 5°C, aber das wird nicht lange so bleiben, soll ja ein trockener und warmer Frühsommertag werden.

Sonnenaufgang über einem Weiher

Der Track führt mich dann auf mal mehr, mal weniger bekannten Pfaden Richtung Huglfing, wo es dann den ersten Stopp gibt. Es ist kurz nach 6 Uhr, da hat der Bäcker schon auf und zu meinem Überraschen ist er auch schon gut besucht, so dass der schnelle Bäckerstopp dann doch glecih mal 15 Minuten dauert. Naja, ich hab ja Zeit und vor allem jetzt eine Butterbreze in der Hand und ein Schokocrossaint auf der Arschrakete festgeschnallt. Kurz darauf kommt dann auch schon Checkpoint 5 bzw. mein Checkpoint 1 von dem man einen ziemlich guten Blick auf den Bayerischen Rigi aka den Hohen Peißenberg, auf dem sich der nächste Checkpoint befindet, hat. Allerdings ist das hier ja ein Grevet und nicht ein “alle Checkpoints auf kürzestem Weg verbinden” und somit liegen knappe 50km zwischen diesen beiden CPs.

Der Track führt jetzt auch erstmal der Ammer folgend nach Norden. In Weilheim am Bahnhof erreiche ich das “Ziel”, also im Navi einmal den Track neu laden und weiter gehts. Noch ein Stück der Ammer entlang, dann zwischen Feldern nach Westen und rein in den Wald. Da macht der Weg dann ein paar lustige Kurven, so dass ich völlig orientierungslos wieder aus dem Wald rauskomme, aber egal, ich folge ja eh einfach der Linie auf dem Navi. Kurze Zeit später kreuzt der Track bei Zellsee die St 2057 und ich weiß wieder wo ich bin. Weiter geht's Richtung Paterzeller Eibenwald. Hier gibt's dann auch den ersten knackigen Anstieg, der sich aber mit den noch frischen Beinen bewältigen lässt, obwohl ein Schild darauf hinweist, dass Radfahrer hier zu schieben haben. Anschließend geht es dann auf Trails durch den Wald wieder hinunter. Von Paterzell dann erst Richtung Süden, dann wird ein kleiner Berg überquert und es geht auf schnellen Forstautobahnen erst nach Westen und dann wieder nach Süden, bis die nördlichen Ausläufer von Hohenpeißenberg und der dazugehörige Berg vor mir liegen. Da ich letztes Jahr auch schon mal eine Tour auf den Hohen Peißenberg gemacht habe und mir der Anstieg als sehr eklig in Erinnerung geblieben ist, heisst es jetzt erstmal Schokocrossaint essen um gleich genügend Treibstoff zu haben.

Eine Straße führt auf einen Berg zu

Ja und dann war es eigentlich gar nicht so schwer da rauf zu fahren, ich weiß nicht ob es am Crossaint lag, daran dass ich letztes Jahr von Osten her hochgefahren bin, oder ob ich einfach fitter bin. Wahrscheinlich eine Kombination aus allem. Ist ja auch vollkommen egal, CP1 war damit nach guten 70km erreicht. Kurz die Aussicht genossen (auch wenn es Richtung Berge leider recht diesig war), die ersten beiden leeren Flaschen wieder aufgefüllt und weiter. Bei der Abfahrt ist mal kurz Gravel-Pause angesagt und es geht auf butterweichem Asphalt hinunter, macht auch mal Spaß zwischendurch. Einmal quer durch Hohenpeißenberg durch, dann ein Stück durch den Wald und da ist dann auch wieder die Ammer. Der wird gefolgt, diesmal allerdings flußauswärts bis kurz vor Peiting. Weiter geht es auf Feldwegen durch die hügelige Landschaft bis nach Wildsteig. Landschaftlich einfach ein Traum, auch wenn ich hier das erste mal ein Stückchen schieben musste, der Schotter war einfach zu tief und das Profil an meinem Hinterreifen zu abgefahren, da war nichts zu machen.

Blick von einem Hügel in Richtung Berge

In Wildsteig kehre ich dann ein, bin ja jetzt doch schon 100km bzw. 5 ½ Stunden unterwegs. Also gönne ich mir ein alkoholfreies Weißbier, ein Fladenbrot mit Tomate und Mozzarella (das so groß ist, dass ich es nicht aufessen kann) und eine halbe Stunde Pause. Anschließend geht es erstmal durch ein paar Dörfer, dann am Moos entlang, ein Stückchen durch den Wald und schließlich noch durch Felder zum Weltkulturerbe Wieskirche. Da bin ich aber wohl zu sehr Kunstbanause, ist für mich einfach nur eine weitere Kirche. Naja vielleicht sind die wahren Schätze ja innen versteckt, aber dafür will ich jetzt keine Zeit opfern, also dran vorbei und gleich wieder ab in den Wald. Hier irgendwo wird dann auch die “Grenze” zum Allgäu überquert und kurz darauf finde ich mich in einem Reiseprospekt wieder. Also ich meine die Landschaft war die ganze Zeit schon schön, aber hier führt der Track jetzt durch blühende Weiden auf denen Kühe grasen, gesäumt von Nadelbäumen, kleinen Bächen und im Hintergrund die Ausläufer der Ammergauer Alpen. Kitsch pur!

Blühende Wiese mit einigen Bäumen und Bergen im Hintergrund

So geht es die Natur genießend weiter bis nach Trauchgau, von wo aus es ein Stück flußabwärts entlang dem Halblech geht. Dann geht es fast das ganze Ostufer des Forggensee entlang, an Schwangau vorbei und bis nach Füssen. Auf diesem Abschnitt sind dann auch deutlich mehr Leute unterwegs als auf dem bisherigen Track, aber klar, ist ja auch eine sehr touristische Ecke hier. Also einfach schnell durch, in Füssen ein Stück direkt am Lech entlang und dann ab nach oben auf den Trail, der hier oberhalb des Lechs nach Tirol führt. Ach da wäre der Abstecher zum Lechfall, da war ich aber zufällig erst vor zwei Wochen mit der Familie, spare ich mir heute also. Pfia Gott Bayern, grias di Österreich!

Ein Schild im Wald weist auf den Grenzübertritt hin

Die Schleife durch Österreich führt erst entlang der Vils, dann ein gutes Stück parallel zur vielbefahrenen Straße, über den Lech und dann auf schönen Feldwegen entlang der Berge. Dann geht es, erst über ein paar große Serpentinen und dann noch ein zwei zackige Anstiege, rauf in Richtung Alpsee. Hier nochmal kurz durchatmen und die Ruhe geniessen, bevor es wieder bergab geht und mitten rein in den Menschentrubel. Denn der nächste Checkpoint ist Hohenschwangau und ich weiß nicht, ob es in Deutschland einen noch touristischeren Ort gibt. Also nur schnell die obligatorischen Beweisfotos geknipst, am Brunnen nochmal eine Runde Wasser aufgefüllt und nichts wie weg hier! Weiter auf viel frequentierten Wegen Richtung Tegelbergbahn und ab da dann wieder mehr oder weniger alleine durch Felder und Wälder zum Bannwaldsee. Schneller Pinkelstopp am Campingplatz und dann auf dem Radweg neben der Straße ab Richtung Buching. Hier gibt es dann mal 1km lang frontalen Gegenwind auf offenem Feld und es macht mich einfach nur wahnsinnig. Es sieht aus als könnte man richtig schnell fahren, man kommt aber überhaupt nicht vorwärts, was soll sowas? Da lobe ich mir doch Berge, da sieht man wenigstens direkt, dass es jetzt langsam und anstrengend wird. Und ab Richtuing Berge geht es jetzt auch. Wieder am Halblech entlang geht es stetig bergauf bis zum nächsten Checkpunkt im Röthenbachtal, den ich nach 173km erreiche.

Eine Forststraße schlängelt sich nach oben

Von da an geht es noch weiter bergauf, ich muss zwischen drin mal ein bisschen schieben, denke kurz über ein e-MTB nach, fluche, kurble, kann irgdendwie trotzdem noch die Schönheit und Stille genießen und bin irgendwann oben. Der höchste Punkt der Tour ist überwunden und es winkt eine Abfahrt auf feinstem Forstwegkies. Der Weg schlängelt sich entlang der Halbammer den Berg hinunter. Irgendwann mache ich den Fehler, dass ich an der Seite stehen bleibe um ein von hinten kommendes Auto vorbei zu lassen. Das Auto ist nämlich gar nicht so viel schneller unterwegs als ich und deswegen fahre ich die nächsten Kilometer in einer Staubwolke. Dann geht es runter von der Forststrasse auf etwas kleineren Wegen bis zur Ammer, wo es dann noch einen, mit 193km in den Beinen doch recht fiesen, Anstieg zu bewältigen gilt, bevor ich in Acheleschwaig zum zweiten mal einkehre. Es ist 17:10, die Bedienung weisst mich darauf hin, dass die Küche um 17 Uhr geschlossen hat, ist mir egal, ich will eh nur ein alkoholfreies Weißbier und eine Tasse Kaffee, für unterwegs hab ich noch ein paar Riegel und zuhause wartet später Pizza auf mich. Der weitere Weg führt jetzt ziemlich gerade nach Osten an Saulgrub und Kohlgrub vorbei Richtung Staffelsee. Erst auf breiten Wegen, wo man ganz gut Strecke machen und die Aussicht genießen kann und dann auf dem letzten Stück auf durchaus spaßigen Trails und so kommt keine Langeweile auf. Irgendwo hier erreiche ich dann auch zum ersten mal die 200km Marke bei einer Radtour, aber ist eigentlich auch egal, es geht ja eh noch weiter.

Blick von einem Hügel über Wiesen und Wälder Richtung Berge

Am See angekommen geht es direkt am Ufer entlang bis nach Murnau. Hier schnell am Kiosk in der Bucht nochmal aufs Klo und dann ab zum Rathaus, dem letzten Checkpoint des Tages. Bleiben noch 20km bis nach Hause, also Endspurt! Vorbei am Froschhauser See (kurz überlegt, ob ich noch reinhupfe, aber jetzt will ich dann doch einfach ankommen) und dem Riegsee, nach Aidling rauf nochmal ein bisschen quälen und mit grandiosem Ausblick belohnt werden. Dann auf Wegen die ich kenne über Leibersberg und Habaching bis nach Habach und da ist auch schon die Abzweigung, an der ich heute früh auf den Track eingebogen bin. Grevet #3 ist damit schon mal erfolgreich absolviert. Jetzt noch die letzten 8 km nach Hause, faszinierenderweise bekomme ich immer noch Druck auf die Pedale und es läuft richtig gut (geht auch nicht mehr bergauf) und so erreiche ich mein Ziel nach 234km und ca. 14 Stunden nachdem ich losgefahren bin. Das Navi meint davon war ich 11:45 in Bewegung und habe 3270hm überwunden. Was für ein fantastischer Tag! Ich freue mich auf Juli und somit Grevet #4!


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