Grevet Bayern #4 – Am Limit

Erstes Juli Wochenende, Familienkalender ist leer und die Wetterprognose für Samstag ist trocken, also los geht's zum letzten Grevet des Jahres. Wieder alleine. Nachdem ich die ersten drei alleine gefahren bin, habe ich mir jetzt irgendwie in den Kopf gesetzt den letzten auch alleine durchzuziehen. Vielleicht nächstes Jahr dann mal social fahren.

Wieder führt der Track so nah bei mir zuhause vorbei, dass ich nicht vom eigentlichen Startpunkt (Bahnhof Murnau) starte, sondern um 5 Uhr zuhause losfahre und nach ca. 8km in Zell auf den Track einbiege. Setup ist eigentlich fast das gleiche wie bei den letzten Touren, nur mit dem Unterschied, dass ich aufgrund der vielen Höhenmeter die Anzahl der Trinkflaschen reduziert habe und mir somit auch die Hüfttasche spare. Zwei 750ml Flaschen am Rad müssen reichen, Nachfüllmöglichkeiten sollte es ja zu genüge entlang der Route geben.

Ein Gravelbike an ein Garagentor gelehnt

Zu Beginn geht es dann erstmal mit dem Sonnenaufgang im Rücken durch das Loisach-Kochelsee-Moor (oder wie es bei uns heisst: durchs Moos) nach Großweil und von dort dann entlang der Loisach über schmale Trails und durch hohe Moorwiesen, dann ab Schwaiganger über Feldwege nach Ohlstadt, wo sich dann auch schon der erste Checkpoint befindet. Danach weiter durch “den Boschet”, eine hügelige Weidelandschaft, die hier irgendwie komplett deplaziert wirkt, würde ich so irgendwo in den Bergen erwarten, aber nicht hier im Voralpenland. Auf jeden Fall sehenswert!

Die erwähnte hügelige Landschaft

Anschliessend auf schnellem Schotter weiter Richtung Eschenlohe wo ich dann meine erste Flasche nachfülle, bevor es zum ersten größeren Anstieg in Form des Eschenlaine Tals geht. Hier zweifle ich an manchen Stellen daran, ob es so eine gute Idee ist diese Tour mit 40mm Reifen und ohne Federung zu fahren, aber im Endeffekt sind es nur ein paar kurze Stücke, die ich schiebe, weil mir der Schotter (bzw. die kleinen Felsen) zu grob ist. Oben angekommen dann kurze Enttäuschung, weil ich irgendwie damit gerechnet hatte einen Blick über den Walchensee erhaschen zu können. Tja, war nicht so, aber extra einen Umweg wollte ich dafür auch nicht fahren. Also weiter ein Stück an der Straße entlang, ein Stück durch den Wald, in Richtung Wallgau. Hier findet sich dann auch der nächste Brunnen, also das Thema Wasserversorgung schien wirklich kein Problem zu werden, gut Entscheidung auf das zusätzliche Gewicht zu verzichten.

Eine Hand mit Handschuh hält eine Wasserflasche unter einen Brunnen

Als nächstes geht es weiter nach Krün, aber nicht auf direktem Weg, sondern einmal um Rindberg und Bletschertalkopf herum und am Barmsee vorbei. Dieser Abschnitt war wieder ein richtiges landschaftliches Higlight und die Höhenmeter dafür haben sich auf jeden Fall gelohnt. Auf schönsten Wegen, entlang von Bächen und durch Kuhweiden, vorbei an Almhütten und dann am höchsten Punkt ein gigantischer Blick in Richtung Wettersteinwand. Dann wieder runter Richtung Barmsee mit Blick auf das Karwendel, gefühlt nach jeder Kurve wäre ich am liebsten stehen geblieben um ein Foto zu machen. Bilderbuchbayern.

Blick auf die Wettersteinwand

Ab Krün dann etwas weniger Aussicht, da es im Wald bzw. am Waldrand entlang der Isar bis Vorderriss geht. Dafür bietet dieser Abschnitt wirklich allerfeinste Schotterwege. Mehr gravel geht kaum! Die in der Routenbeschreibung angekündigte Durchquerung des Rißbach erledige ich trockenen Fußes, da das Bachbett komplett ausgetrocknet ist.

Ein breites ausgetrocknetes BAchbett

Dann geht es erstmal ein gutes Stück auf der Straße durchs Rißtal, bevor dann das letzte Stück bis Hinterriß wieder auf einer Forststraße entlang führt. In Hinterriß nutze ich dann die letzte Chance zur Einkehr vor dem Karwendelhaus und gönne mir einen Kaffee nebst Apfelstrudel, immerhin bin ich jetzt doch schon seit über 5 Stunden unterwegs und habe die ersten 90km hinter mir. Und vor allem kommen jetzt dann mit ca. 15km und 900hm bis zum Karwendelhaus der längste Anstieg des heutigen Tages.

Eine Schotterstrasse führt auf Berge zu

Der verläuft dann auch erstaunlich ereignislos. Ich komme tortz des teilweise etwas rougheren Untergrunds überall durch und muss (ausser um mal kurz im Schatten was zu essen) nicht absteigen. Was sich hier jedoch abzeichnet ist, dass meine Schätzung von 16 Stunden für die gesamte Tour viel zu optimistisch war. Ich hatte einfach komplett unterschätzt, wie langsam man (oder zumindest ich) auf so einer eigentlich klassichen MTB-Strecke ist. Der Blick auf das Navi wenn die Geschwindigkeit so zwischen 6 und 8km/h pendelt und der verbleibende Anstieg sich noch 11km zieht, war da definitiv erdend. Aber das gute daran, wenn man langsam durchs Karwendel fährt ist, dass man lange die Landschaft genießen kann. Also wie gesagt war der Aufstieg eigentlich gut, hat halt einfach lange gedauert aber irgendwann war ich dann auch oben.

Blick über eine Bergwiese auf die umligenden Gipfel

Und erstmal schockiert von der schieren Menge an Rädern und Menschen die da vor dem Karwendelhaus standen. Kurz einer Gruppe MTBler erklärt dass ich wirklich “mit dem Rad” durch den kleinen Ahornboden hochgefahren bin, das Beweisfoto für Checkpoint 2 gemacht, ein alkoholfriees Weißbier getrunken, Trinkflaschen aufgefüllt und wieder raus aus dem Trubel und ab in die Abfahrt. Dann erstmal bei losem Schotter in der Kurve hingelegt, ist zum Glück ausser Schürfwunden an Ellenbogen und Knie nichts weiter passiert. Also wieder rauf aufs Rad und runter nach Scharnitz. Von da mal wieder entlang der Isar nach Mittenwald und dann auf der Straße ab in die Leutasch. Die Fahrt durchs Leutaschtal ist dann auch (abgesehen von der Landschaft) nicht sonderlich aufregend, es geht mehr oder weniger geradeaus dahin bis zum dritten Checkpoint (148km). In Leutasch wollte ich mir dann eigentlich noch Süßkram und eine Cola organisieren, leider musste ich feststellen dass der von mir als “Supermarkt” abgespeicherte Edeka in Wahrheit ein kleiner Tante-Emma-Laden ist, der Samstag Nachmittag nicht geöffnet hat. Also bleibe ich doch bei den von zuhause mitgebrachten Riegeln und fülle meine Flasche mal wieder am Brunnen. Kurz vorm Gaistal fängt es dann an zu regnen, aber es it warm, von daher einfach die Windweste und Regenshorts drüber um das gröbste abzufangen und weiter gehts. Auf dem Weg durchs Gaistal Richtung Ehrwalder Alm kommen mir die Leute in Scharen entgegen, so dass ich ein bisschen Angst habe, dasss der Regen weiter oben extremer ist als hier. Die Angst bestätigt sich dann allerdings nicht und es hört wieder auf bevor ich die Ehrwalder Alm erreicht habe und auch die Wolken verziehen sich soweit, dass ich die Bergmassive links und rechts vom Weg bestaunen kann.

Schotterstrasse, links davon ein kleiner Bach, Bäume und große Berge

Ohne Halt mache ich mich gleich an die Abfahrt über die alte Teerstraße nach Ehrwald und von da geht es nach Leermos, wo ich an einer Tankstelle endlich meine Cola bekomme und dann weiter über Feldwege in Richtung Heiterwanger See. Der Abschnitt zieht sich ganz schön was daran liegen mag, dass das Panoramam hier nicht ganz mit den vorherigen Abschnitten mithalten kann oder aber auch einfach daran, dass meine Beine nicht mehr die frischesten sind, bin ja auch seit 13 Stunden unterwegs. Naja, die Natur rund um Heiterwanger See und Plansee hat dann auf jeden Fall wieder einiges zu bieten und das motiviert dann auch durchaus wieder. So gegen 19:30 erreiche ich dann die 200km Marke und den vorletzten Checkpoint. In meinem Kopf war irgendwie abgespeichert “vom Plansee rolle ich dann heim” aber das entspricht definitiv nicht der Realität. Denn der Abstecher in die Ammergauer Alpen hat nochmal einen richtig fiesen Anstieg parat. Das Navi meldet Steigung um die 15% und meine Beine geben das nicht mehr her. Beim schieben habe ich auf einmal Kreuzschmerzen und so fluche ich mich hier irgendwie in einem Wechsel aus ein paar Meter fahren, ein paar Meter schieben nach oben. Auf der anschliessenden Abfahrt in Richtung Graswangtal wird mir dann richtig kalt. Komplett verschwitzt vom letzten Anstieg, erschöpft vom bisherigen Tag und die einbrechende Dämmerung kommt auch noch dazu. Auf jeden Fall bin ich jetzt mit Armlingen, Regenjacke und Windweste unterwegs und friere trotzdem noch. Noch dazu ist das hier der Abschnitt in dem ich mit meinem Wasser am meisten haushalten muss. Also es war nicht wirklich dramatisch, als ich bei Graswang die Flaschen wiedcer auffüllen kann waren in der einen schon noch ein paar Schlucke drin, aber es war meiner allgemeinen Befindlichkeit zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall nicht zuträglich. Der Ammer folgend geht es dann nach Oberammergau, wo sich der letzte Checkpoint des Tages (233km) befindet, den ich gegen 21:45 erreiche. Ab jetzt wird es dann auch richtig dunkel und ich folge den Rest der Strecke der über Unterammergau, Altenau, Bad Kohlgrub und durch das Murnauer Moos führt einfach nur noch meinem Lichtkegel. Schade eigentlich, wäre bestimmt eigentlich auch landschaftlich sehenswert. Habe ich auch fest eingeplant diesen Abschnitt nochmal bei Tagselicht zu fahren.

In Murnau am Bahnhof angekommen wünsche ich mir einfach nur noch im Bett zu sein, aber ich bin ja nicht hier gestartet sondern habe noch ca. 20km vor mir, also weiter geht's. Das letzte Stück ab Hagen ist Teil meiner Pendelstrecke und so bin ich hier trotz meiner Erschöpfung relativ entspannt, weil ich weiss was noch auf mich zukommt. Kurz vor Guglhör will ich dann mein Licht wechseln, da der Akku von Frontlampe Nummer 1 langsam schlapp macht. Beim montieren des neuen Lichts stelle ich mich dann so ungeschickt an, dass ich es schaffe dadurch mein Navi auszuschalten. Als ich es wieder anschalte steht da was in Richtung “recovering route” oder so. Puh, nochmal Glück gehabt! Also weiter in Richtung Bett. Dabei fluche ich über jeden Schlenker der die Strecke länger macht, obwohl ich sie in meinen Arbeitsweg auch gerne einbaue, wenn es die Zeit zulässt. Irgendwann sind dann auch die letzten kleinen Steigungen geschafft und es geht nur noch bergab bis Zell und von da einfach in der Ebene nach Hause. Um 00:55 am Sonntag also nach ziemlich genau 20 Stunden habe ich dann mein Ziel erreicht, stolpere untere die Dusche und falle ins Bett.

Verwackeltes Bild eines Fahrrads vor einem Garagentor

Am nächsten Morgen als ich mir die Touraufzeichnung anschauen will kommt dann die Ernüchterung. Das Wiederherstellen der Route beim Neustart des Navis hat nicht funktioniert. Auf der Karte führt eine gerade Linie vom Karwendelhaus bis zu dem Punkt, an dem ich das Navi neugestartet habe. Somit fehlen ungefähr 150km in der Aufzeichnung. Naja, ich weiß ja, dass ich es gefahren bin aber irgendwie trotzdem schade. Am Ende dürften es so 275km gewesen sein mit an die 4900hm und einer geschätzten Zeit in Bewegung von 16 Stunden.

Mein Fazit des ganzen: Krass, ich bin das komplette Grevet Quartett gefahren! Konnte ich mir nicht vorstellen, als ich letztes Jahr zum ersten mal über die Grevet Webseite gestolpert bin. Aber auch: Grevet #4 war mir eigentlich eine Nummer zu hart. Ab dem Plansee war es eigentlich nur noch Quälerei und hatte nicht mehr wirklich was mit Spaß zu tun. Nichtsdestotrotz bin ich froh es einmal durchgezogen zu haben. Nochmal ein großes Dankeschön an das Team von grevet.de, im speziellen an Nick, der die bayerischen Strecken gescouted hat und an dbx (ich weiß nicht, ob ich mich wirklich angemeldet hätte, wenn er es nicht zuerst getan hätte)!


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