Geschlechtergetrennte und religiöse Schulen sind aus der Zeit gefallen
Der Streit
In Wil öffnet sich ein Graben, also kein echter zum Reinfallen, sondern ein politischer. Und das eigentlich seit Jahrzehnten. Für Aussenstehende verwende ich dabei oft die Analogie: “Das ist wie der Nahostkonflikt, nur auf Ebene Stadt Wil.”
Angesichts der Toten, die dieser Konflikt schon gefordert hat, zuletzt auch ausserhalb des eigentlichen Krisengebiets, trotzdem ist der Streit um das Kathi, ein Konflikt der für Aussenstehende befremdlich wirkt und stark polarisiert.
Beim Streit um das Kathi geht es um eine Privatschule, die allerdings einen Leistungsauftrag der Stadt Wil hat. Diese Schule ist religiös geprägt und steht nur Mädchen zur Verfügung, die die Sekundarschule besuchen. Realschülerinnen dürfen die Schule also auch nicht besuchen.
Ich werde die Frage mit der Koedukation hier nicht behandeln, sondern mich vor allem auf die religiöse Diskussion einlassen. Dazu möchte ich einen kurzen historischen Abriss machen.
Historischer Abriss
Das Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Wil hat eine lange Vorgeschichte. Die Schule St. Katharina entstand allerdings erst 1809. Es war eine besondere Zeit, gerade auch für den sechs Jahre zuvor gebildeten Kanton St. Gallen. Bildung war damals im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung zwischen Staat, Konfession und Parteien. Die Kantone hatten mit der Auflösung der Helvetischen Republik plötzlich mit der Bildung eine neue Aufgabe bekommen. Bildung war damals – insbesondere für Frauen – gerade in auf dem Land und kleineren Städtchen wie Wil vergleichweise wenig vorhanden.
Ich kann nur vermuten, dass der Entscheid des damaligen Präsidenten der Erziehungsrates Martin Gresser, der auch Pfarrer war, auch der Versuch war die Bildung auf “katholische Füsse” zu stellen. Vielleicht war es aber auch schlicht eine Notwendigkeit, Angesichts mangelnder Lehrpersonen auf ein Kloster zurückzugreifen.
Konfessionell neutrale Schulen waren im Kanton St. Gallen noch lange hoch umstritten. Die Kantonsschule St. Gallen (seit 1994: Kantonsschule am Burggraben) konnte erst 1856 gegründet werden. Verglichen mit dem Kanton Zürich, wo die heutige Kantonsschule Rämibühl bereits 1832 gegründet wurde, ist das deutlich später.
Seit 1993 ist das Kathi praktisch und seit 2012 formal nicht mehr in den Händen der Dominikanerinnen. Der Unterricht ist dort weiterhin religiös unterfüttert.
Die Klage
Trotzdem erhielt das Kathi von der Stadt Wil einen Leistungsauftrag. Dagegen wurde geklagt. Das Bundesgericht hat im Januar schliesslich gegen die Schule entschieden.
Das Bundesgericht verweist beispielsweise auf ein Zitat in der Strategie der Stiftung die die Schule betreibt:
“Die befreiende Botschaft des Evangeliums ist die Grundlage unseres Glaubens, der uns auf dem Weg zur personalen Beziehung zu Christus führt. Die Erziehung, die mit den Inhalten des christlichen Glauben[s] vertraut macht, gibt den Schülerinnen und Schülern Impulse ihren persönlichen Lebensweg zu finden”.
Hier könnte man einwenden, dass die Schule dies – wie andere Schulen auch – als freiwilligen konfessionellen Unterricht anbietet, was ich persönlich auch nicht für unproblematisch halte. Aber selbst das lässt das Bundesgericht nicht als Ausrede zu:
Die “zusätzlichen Akzente” des Kathis, die gemäss Schulvertrag gesetzt bzw. übernommen werden sollen, kommen gemäss der Vorinstanz im Schulalltag in der sog. christlichen Werteschule zum Ausdruck: Diese umfasst zahlreiche religiöse Aktivitäten wie etwa die Wallfahrt, die Gottesdienste (Eröffnungs-, Schluss- und Jugend- und St. Katharina-Gottesdienst, Rorate, Aschenfeier), die Adventseinstiege, die Meditationen, der Besuch der Klosterinsel Werd und die Assisiwoche, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. Die genannten religiösen Aktivitäten finden zusätzlich zum Wahlfach Religion der Landeskirche statt.
Diese Aktivitäten sind zwar formal freiwillig, es braucht dafür nur eine schriftliche Abmeldung, nur gäbe es hier einen latenten Druck.
Ich halte die Argumentation des Bundesgerichtet für stichhaltig, würde sogar noch darüber hinaus gehen: Religiöse Unterweisungen gehören generell nicht an öffentliche Schulen.
Kathi, eine gute Schule?
Hier noch meine Entgegnung zu einem sehr beliebten Einwand. Von Befürworterinnen des Kathis wird gerne in den Ring geworfen, dass damit eine ausgezeichnete Schule zerstört wird. Dagegen gibt es zwei Punkte.
- Das Kathi soll einfach keine religiösen Anlässe in den Schulalltag aufnehmen und die Koedukation ermöglichen. Die Schule kann weitergeführt werden.
- Wie wird festgestellt, ob das Kathi eine “gute Schule” ist? Die Messung von Schulqualität ist sehr schwierig. Es gibt enorm wichtige externe Faktoren, die bei der Messung reinspielen. Und vor allem, was will man genau messen? Ist es die Anzahl der Kanti-Übertritte, die gerne von Kathi-Befürworterinnen herangezogen wird?
Eiertanz im Kantonsrat
Im Kantonsrat möchte jetzt ein Bündnis des Schreckens aus SVP und CVP – Pardon: Die Mitte – die Kantonsverfassung ändern, damit konfessionelle und geschlechtergetrennte Schulen weiterhin möglich sind.
Einmal abgesehen davon, dass die Hürden für eine solche Verfassungsänderung sehr hoch sind, die Tatsache, dass hier ad hoc die rechtlichen Grundlagen angepasst werden und schliesslich mit der Bundesverfassung (z.B. Art. 15)in Widerspruch stehen, das finde ich unglaublich. Sogar Kantonsrat Sascha Schmid (SVP), den ich – mal abgesehen von den klassischen SVP-Themen wie Ausländer:innen – schätze, ist an vorderster Front dabei, Grundwerte der modernen Schweiz zu untergraben. Schade!
Dass da am Ende von einer angeblich christlich-humanistischen Prägung schwadroniert wird, ist nur noch das Sahnehäubchen auf dem Unsinn.