Ausschnitt aus: Publik-Forum 20/2024

»Sie wollen keine Führungsrolle«

Wer wird heute noch Priester? Oft seien es Menschen, denen die Gesellschaft feindlich vorkommt, sagt Matthias Sellmann, der dazu geforscht hat. Die Realität des Berufs überfordere viele dieser Männer

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Was motiviert diejenigen, die trotzdem heute katholische Priester werden möchten?

Sellmann: Die meisten möchten an einer individuell geprägten liturgischen Lebensführung erkennbar sein. Sie möchten Menschen in geistlicher Hinsicht beistehen, und zwar über Rituale, über Frömmigkeit, über das geistliche Gespräch. So weit, so gut – doch das bedeutet spiegelbildlich oft: Sie möchten keine Führungsrolle übernehmen, weder in der Gesellschaft noch in der Kirche. Sie möchten nicht Chef sein, nicht Gemeinde aufbauen und leiten. Das kann man als Bescheidenheit interpretieren, aber auch als ein Alarmzeichen.

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Aber ist die geistliche Persönlichkeit nicht sehr wichtig?

Sellmann: Doch. Aber sie muss flankiert werden. Die zweite, größere Gefahr des Berufungsbegriffes besteht doch darin, dass alles auf die Persönlichkeit projiziert wird. Man kann aber die Steuerungsleistungen großer pastoraler Räume nicht allein über die Persönlichkeit erfüllen. Hier helfen Rollen, klare Organisationsregeln und Leitungskompetenzen. Wenn jeder Konflikt über die Persönlichkeit ausagiert wird und nicht über die Rolle, ist das sehr schnell eine psychische Überforderung. Nein: Priesterausbildung muss meiner Meinung nach viel stärker nicht nur persönliche Berufungs-, sondern auch handfeste Berufsausbildung sein, echtes Rollentraining. Genauso entstehen überzeugende Seelsorger. Ich bin sogar überzeugt davon, dass so mehr Berufszufriedenheit entsteht und mehr Selbst- und Fremdwirksamkeit.

Publik-Forum 20/2024 Interview: Michael Schrom

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Matthias Sellmann, Theologie-Professor an der Universität Bochum, hat die Studie »Wer wird Priester?« im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz erstellt.

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