Spanisch lernen mit Comprehensible Input (CI)
Ausgangssituation
Ich lerne seit 2 Jahren spanisch. Angefangen habe ich mit Duolingo und ein paar anderen Apps. Nach ein paar Wochen hatte ich zwar einiges an Vokabeln gelernt, aber ich kam nicht wirklich weiter.
Dann habe ich 2 VHS-Kurse für Anfänger besucht. A1.1 und A1.2 (mit einigen Wochen Pause dazwischen). Die Kurse dauerten jeweils 5 Tage und es wurde viel Wert auf Grammatik gelegt. Vokabeln lernen kam aber in dem Kurs kaum vor, man musste sich die Vokabeln aus dem Zusammenhang erschließen. Für das volle Niveau A1 wäre noch der Kurs A1.3 nötig gewesen, den ich aber nicht mehr besucht habe.
(Was es mit den Sprachniveaus A1, A2, B1 usw. auf sich hat, kann hier nachgelesen werden: ^1 und ^2 )
Danach habe ich das ganze etwas schleifen lassen. Mit Apps ein paar Vokabeln gelernt, dann hab ich eine Zeit lang an einem kostenlosen Online-Kurs teilgenommen, bei dem gemeinsam ein Buch auf Anfänger-Niveau gelesen wird und anschließend wortwörtlich übersetzt wird. Dieses Konzept hat mich aber nicht überzeugt.
Sprachkenntnisstand vor CI
Bei Online-Tests zur Einstufung des Sprachniveaus erreichte ich mindestens das Level A1, manchmal auch A2. In der Praxis muss man aber unterscheiden zwischen
- Leseverständnis
- Hörverständnis
- Schreiben und Sprechen
Mein Leseverständnis reichte aus, um Schilder und Hinweise zu verstehen, auch wenn ich manchmal einzelne Wörter nachschlagen musste. Bei Zeitungsartikeln konnte ich zumindest erahnen worum es geht, viel mehr als das Thema und manchmal grobe Details konnte ich aber nicht verstehen. Dennoch würde ich sagen, dass das Leseverständnis der am besten entwickelste Teil bei mir war.
Das Hörverständnis war beschränkt auf sehr einfache Sätze, wenn sie langsam und deutlich gesprochen wurden. Oft gehörte, einfache Liedtexte konnte ich teilweise nach einiger Zeit verstehen. In normaler Geschwindigkeit gesprochenes Spanisch oder gar spezielle Dialekte konnte ich aber gar nicht verstehen.
Das Sprechen reichte aus, um meine Bedürfnisse mitzuteilen, wenn ich zuvor Schlüsselwörter nachgeschlagen habe. Z.B. Medikamente für ein bestimmte Beschwerden in einer Apotheke kaufen. Auch das telefonische Reservieren eines Tisches im Restaurant hat geklappt.
Start mit Comprehensible Input (CI)
Da ich nur noch sehr langsam voran kam wollte ich mir eine neue Strategie überlegen. Weitere VHS-Kurse besuchen? Dort lernt man hauptsächlich Grammatikregeln, die man später zum großen Teil wieder vergisst (vor allem unregelmäßige Verben), außerdem kosten sie einen Haufen Geld. Und zum eigenständigen weiterlernen mit Büchern fehlt mir die Disziplin.
Der Gegenentwurf zum schulmäßigen Sprachunterricht lautet “Immersion” und besagt grob, dass man die Sprache durch “eintauchen” in die Zielsprache lernt, also indem man sich dieser aussetzt. Eine spezielle Methode der Immersion ist Comprehensible Input (CI). Sie folgt der Input-Hypothese ^3 des amerikanischen Linguisten Stephen Krashen.
Die CI-Methode besagt grob, dass wir durch zuhören einer fremden Sprache automatisch lernen, ähnlich wie kleine Kinder. Es nützt aber nichts, z.B. einfach ein fremdsprachlichen Radiosender anzustellen, wenn der Inhalt nicht verstanden wird. Der Inhalt muss verständlich sein, was bedeutet, dass der Inhalt erfasst werden kann. Es muss nicht jedes Wort verstanden werden. Ebenso ist Aufmerksamkeit nötig, eine Berieselung nebenbei ist daher auch nicht sinnvoll. CI redet auch nicht vom “erlernen” einer Sprache, sondern vom “Erwerb” und unterscheidet dies deutlich vom “Lernen”.
Im Comprehensible Input Wiki ^4 werden Anbieter von CI-Content aufgelistet.
Ich will gar nicht weiter in das Rabbit Hole zu CI eintauchen, nur noch so viel: Es gibt zwei Lager, die “Puristen” sagen, dass man ausschließlich CI verwenden soll und nichts anderes. Sie raten davon ab, während des Inputs einzelne Wörter nachzuschlagen oder generell außer CI andere Methoden anzuwenden, wie systematisch Vokabeln und Grammatikregeln zu lernen. Dies wäre sogar kontraproduktiv. Dann gibt es Leute, die für ein Mischmodell eintreten und sagen, dass man durchaus beides machen kann (und auch sollte).
CI mit “Dreaming Spanish” (DS)
Disclaimer: Ich bin mit Dreaming Spanish in keiner anderen Weise verbunden, als dass ich dort angemeldet und Bezieher des “Premium” Abos bin. Ich erhalte kein Geld oder andere Vergünstigungen für die Erwähnung von Dreaming Spanish.
Dreaming Spanish ist mit Abstand der größte Anbieter von spanischem CI-Content. Gestartet ist das Angebot als Youtube-Kanal um 2017 von Pablo Román und bestand zunächst aus einfachen Videos von ihm, in denen er einfache Geschichten erzählte und diese zur Erklärung auf einem Whiteboard illustrierte. Mit der Zeit kamen weitere “Lehrer” bzw. Guides hinzu und die Videos wurden allmählich professioneller.
Heute gibt es auf der eigenen Webseite über 6500 Videos, davon sind rund 1000 frei verfügbar, der Rest kann nur mit einem Premium-Abo angesehen werden. DIe Videos decken viele Themengebiete ab, wie Geschichte, Tiere, Reisen, verschiedene Länder (nicht nur spanischsprachige), Alltagssituationen, usw. Eingeteilt werden die Videos in verschiedene Stufen:
- Superbeginner: Videos für Leute mit keinen Vorkenntnissen (also Pre A1, bzw. A0 Sprachniveau)
- Beginner: Videos für Leute mit einfachen Sprachkenntnissen (ca. Niveau A1-A2)
- Intermediate: Videos für Leute mit fortgeschrittenen Sprachkenntnissen (ca. B1)
- Advanced: Videos für Leute mit weit fortgeschrittenen Sprachkenntnissen (ca. B2-C1)
Daneben werden die Videos noch nach Schwierigkeitsgrad von 0 bis 100 eingeteilt. Dieses Rating erfolgt durch die Nutzer und ist teilweise aussagekräftiger als die Stufen Superbeginner bis Advanced – in Grenzfällen kann es also Intermediate-Videos geben, die einfacher zu verstehen sind, als schwierigere Beginner-Videos.
Generell fängt man als Nutzer im Level 1 an, was Anfängern mit null Vorkenntnissen entspricht. Es besteht aber die Möglichkeit, sich selbst auf eine höhere Stufe zu setzen, wenn man Vorkenntnisse hat. Ich habe trotzdem beschlossen, von Null anzufangen. Nach 50 Stunden Input erreicht man Level 2, nach 150 Stunden Level 3 usw. bis zu Level 7 nach 1500 Stunden, bei dem man dann “natives” Level erreichen soll ^5. “Externer” Input außerhalb der Plattform (Podcast, andere Video-Kanäle oder auch Gespräche mit spanisch sprechenden Menschen) kann erfasst und mitgezählt werden.
Erster Eindruck von Dreaming Spanish
Nachdem ich mir ein paar Tage die frei verfügbaren Videos angesehen habe, habe ich das Premium Abo abgeschlossen. Beim Ansehen gehe ich nicht strikt nach den Stufen vor, sondern sehe mir auch Beginner und auch einige Intermediate Videos an, bis etwa Schwierigkeitsgrad 50-55. Das mach ich auch nicht am Stück, sondern immer dann wenn ich gerade Zeit habe (in der Pause, nach Feierabend). Man kann nach verschiedenen Kriterien sortieren und filtern.
Einige Videos, besonders die Superbeginner-Videos, sind eher auf dem Niveau für kleine Kinder. Es ist zwar klar, dass man mit nur wenigen Worten ein nur sehr begrenztes Themenspektrum abdecken kann, aber dennoch würde ich mir gerade im Anfängerbereich interessantere Themen wünschen. Ich habe von anderen Nutzern gehört, dass es mit höheren Stufen besser wird. Aber auch hier gibt es viele Themen, die mich schlicht nicht interessieren, wie Beauty und Fashion. Denn wenn der Input nicht interessant genug ist wird man unaufmerksam und der Lerneffekt sinkt dramatisch.
Die Guides kommen aus allen Ecken der spanischsprachigen Welt. Dadurch hört man auch verschiedene Ausrücke für die gleichen Dinge, z.B. werden Handys in Spanien “móvil” genannt, in Lateinamerika aber “celular”. Autos sind in Spanien “coches” und in Lateinamerika “carros”. Und dann sind da noch die verschiedenen Dialekte. In Spanien wird eher schnell und “nuschelig” gesprochen, besonders in Andalusien, wo viele Buchstaben beim Sprechen einfach entfallen. In Argentinien herrscht das Río-de-la-Plata-Spanisch mit dem “Šeísmo” vor. Dabei werde die lj und j-Laute bei den spanischen Buchstaben ll und y ähnlich wie im Deutschen “sch” ausgesprochen. Die Paella wird dann zur “Paescha” und “Mallorca” und “Sevilla” zu “Maschorca” und “Sevischa”. Ich muss zugeben, dass mich das etwas irritiert, weswegen ich die Beiträge in diesem Dialekt möglichst meide. Am klarsten verständlich sind für mich Beiträge von Guides aus Kolumbien und Mexiko.
Gibt es bereits einen Effekt nach nun etwa 40 Stunden “Input”? Abgesehen davon, dass ich eine Reihe weiterer Wörter aufgeschnappt habe und nun kenne bin ich geneigt zu sagen: Ja. Bei “nativem” audiovisuellen Content kann ich mehr Details verstehen, ohne dass ich ständig auf Übersetzungssoftware oder Untertitel zurückgreifen muss. Das Hörverständnis hat sich spürbar verbessert. Auch das Leseverständnis wurde etwas besser und ich verstehe mehr Details in Zeitungsartikeln.
Bisher keinen Fortschritt kann ich beim Sprechen feststellen. Das ist aber auch nicht verwunderlich,mangels spanischsprachigen Gesprächspartnern. Aber auch, wenn ich versuche selbst zu formulieren um z.B. etwas auf spanisch zu schreiben muss ich noch sehr oft bei jedem einzelnen Wort nachdenken. Beim schreiben von spanischem Text greife ich daher auch noch auf Übersetzungsprogramme zurück. Diese sind aber nicht perfekt und verändern oft den Sinn – zumindest kann ich aber dann beim Ergebnis erkennen, ob es das wiedergibt, was ich sagen will.
Updates
Ich habe vor, den aktuellen Stand meines Fortschritts alle 50 150 Stunden auf meinem Mastodon-Account ^6 zu posten. Dabei werde ich diesen Post verlinken und umgekehrt diese Update-Posts auch hier aufführen.
- 50 Stunden Update: https://social.tchncs.de/@Haydar/115048913826936337
- 100 Stunden Update: https://social.tchncs.de/@Haydar/115151447637835563
- 150 Stunden Update: https://social.tchncs.de/@Haydar/115265232572428183