Fünfte Szene

Die Nacht zieht sich endlos hin, das leise Ticken der Uhr wird zum einzigen Begleiter seiner Gedanken. Er hat sich auf das Sofa zurückgezogen, aber der Schlaf will nicht kommen. Immer wieder wandern seine Gedanken zurück zu der Nachricht, die er abgeschickt hat. Wie wird die Antwort aussehen? Wird sie überhaupt kommen?

In der Stille seiner Wohnung hören sich selbst die kleinsten Geräusche wie bedrohliche Zeichen an. Ein leises Knarren der Dielen, das entfernte Brummen eines vorbeifahrenden Autos – alles könnte ein Vorbote von etwas Größerem sein. Aber es passiert nichts. Nur die Minuten schleichen weiter.

Als er schließlich die Augen schließt, ist es nicht der Schlaf, der ihn überkommt, sondern eine unruhige, beinahe fiebrige Dämmerung. Bilder von Schornsteinfegern und anonymen Gestalten in schwarzen Anzügen flackern durch seinen Kopf. Er sieht sich selbst in einem endlosen Labyrinth aus Gängen, Türen und verschlossenen Fenstern, hinter denen immer wieder Schatten auftauchen, nur um im nächsten Moment wieder zu verschwinden.

Mit einem Ruck fährt er hoch, der Traum – oder was auch immer es war – noch frisch in seinem Geist. Die Dämmerung hat sich längst in den frühen Morgen verwandelt, und das erste fahle Licht des Tages sickert durch die Vorhänge. Sein Kopf fühlt sich schwer an, als ob der Alkohol in der Nacht die Last seiner Gedanken nur verschlimmert hätte.

Er zieht das Handy aus der Tasche und starrt auf den Bildschirm. Keine neuen Benachrichtigungen. Natürlich nicht. Was hat er auch erwartet? Doch gerade als er das Handy wieder wegstecken will, vibriert es plötzlich in seiner Hand.

Eine Nachricht. Die E-Mail-Adresse der Kleinanzeigen-Seite leuchtet auf dem Display auf – darunter der Betreff: “Antwort von Verkäufer”.

Mit einem schnellen Blick auf die Uhr stellt er fest, dass es kaum fünf Uhr morgens ist. Die Person auf der anderen Seite scheint genauso unruhig zu sein wie er.

Die Nachricht ist kurz. Sehr kurz.

Vielleicht verstehen wir uns besser, als du denkst.

Das war alles. Kein Name, kein Gruß, keine weitere Erklärung. Er starrt auf die Worte, als könnten sie sich vor seinen Augen verändern, eine tiefere Bedeutung offenbaren. Aber die Nachricht bleibt so knapp und kalt, wie sie gekommen ist.

„Was soll das bedeuten?“, murmelt er vor sich hin. Die Worte hallen in seinem Kopf wider, drehen sich, bis sie kaum noch Sinn ergeben. Er liest sie erneut, diesmal langsamer, als könnte er dadurch eine verborgene Botschaft entschlüsseln. Doch da ist nichts, außer den Worten selbst.

Er beginnt zu spekulieren. War das eine Antwort auf seine Fragen, oder eine Art Test? Die Person, wer auch immer sie ist, scheint die Dinge absichtlich vage zu halten. Vielleicht, denkt er, will sie seine Reaktion testen, sehen, wie er auf solche Andeutungen reagiert.

Seine erste Vermutung ist, dass es sich um jemanden handelt, der in der Genossenschaft arbeitet. Jemand, der mehr über ihn weiß, als er bisher geglaubt hat. Die knappe und präzise Sprache könnte darauf hindeuten, dass diese Person es gewohnt ist, in formalen Kontexten zu kommunizieren – genau wie jemand, der in der Verwaltung arbeitet.

Aber warum sollte jemand in der Genossenschaft ihn kontaktieren? Und warum auf diese Weise? Es ergibt keinen Sinn. Doch je mehr er darüber nachdenkt, desto mehr verstrickt er sich in seine eigenen Zweifel und Ängste.

Er steht auf, geht zum Fenster und zieht die Vorhänge ein Stück beiseite. Der Tag bricht an, aber das vertraute Gefühl von Sicherheit will sich nicht einstellen. Stattdessen breitet sich die Unsicherheit wie ein dunkler Schatten über seinem Geist aus.

„Vielleicht verstehen wir uns besser, als du denkst.“ Die Worte brennen sich in sein Gedächtnis ein. Er weiß, dass er Antworten braucht, aber er ist sich nicht sicher, ob er bereit ist, den nächsten Schritt zu machen.

Seine Hände zittern leicht, als er das Handy wieder zur Seite legt. Für den Moment entscheidet er, nichts zu tun, abzuwarten und zu beobachten. Doch tief in seinem Inneren weiß er, dass dies nur der Anfang ist. Die Ungewissheit nagt an ihm, während er sich fragt, was die nächsten Tage bringen werden.