Erster Akt
Erste Szene
Er steht in der kleinen Küche seiner Altbauwohnung und starrt auf den leeren Küchentisch, als er das vertraute, doppelte Klingeln hört. Es ist das Signal, das er inzwischen fast so gut kennt wie das Ticken der Uhr über der Spüle. Die Schornsteinfeger sind wieder da, so wie jedes Jahr.
Er ballt die Fäuste, als er durch die Gardine einen Blick auf den Eingangsbereich wirft. Schwarze Arbeitskleidung, die typischen Kappen – sie sind immer die gleichen. Irgendwo auf dem Dach fegen sie schon seit einer Viertelstunde den Schornstein, doch die letzte Amtshandlung bleibt immer ihm überlassen.
Doch nicht heute. Wieder nicht.
Er dreht sich vom Fenster weg, weigert sich, den inneren Drang zu verspüren, nachzugeben. Das ist eine Sache des Prinzips, der Ideologie. Er hasst die Zünfte, die alten Strukturen, die immer noch in jedem Winkel der Gesellschaft ihre Finger drin haben. Alte Männer, die bestimmen, was man darf und was nicht, nur weil es immer so gewesen ist. Er lässt sich von niemandem vorschreiben, wen er in seine Wohnung zu lassen hat. Schon gar nicht von einem Schornsteinfeger, nur weil es eine lächerliche Vorschrift verlangt.
Das Klingeln wird dringender, fast fordernd. Er weiß, dass sie irgendwann aufgeben werden, so wie jedes Jahr. Schließlich wird er wieder einen dieser Briefe bekommen, die von der Genossenschaft kommen, in höflicher, aber bestimmter Sprache verfasst. Sie fordern ihn auf, den Zugang zu gewähren, drohen mit Konsequenzen. Aber auch diesen Brief wird er ignorieren, so wie er es immer tut.
Er bleibt still, lauscht, bis das Klingeln aufhört. Er wartet noch eine Weile, bis er sicher ist, dass sie weitergezogen sind, dann atmet er tief durch. Wieder einmal hat er durchgehalten, gegen das System, gegen die Tradition. Sein Haus, seine Regeln.
Er lächelt schwach. Wenigstens für heute hat er gewonnen.