Der Irrtum

Irgendwas machen wir falsch. Das sollten wir uns vielleicht als Gesellschaft mal eingestehen, wenn psychische Krankheiten wie Depressionen zur Epidemie werden und die psychische Krise heute häufig schon in der Jugendzeit beginnt, wodurch die Jahrzehnte lang unbestritenne U-Form des Glückslevels im Leben in Frage gestellt wird.

1930 schrieb Robert Musil im Mann ohne Eigenschaften:

„Könnte man die Sprünge der Aufmerksamkeit messen, die Leistungen der Augenmuskeln, die Pendelbewegungen der Seele und alle die Anstrengungen, die ein Mensch vollbringen muß, um sich im Fluß einer Straße aufrecht zu halten, es käme vermutlich – so hatte er gedacht und spielend das Unmögliche zu berechnen versucht – eine Größe heraus, mit der verglichen die Kraft, die Atlas braucht, um die Welt zu stemmen, gering ist, und man könnte ermessen, welche ungeheure Leistung heute schon ein Mensch vollbringt, der gar nichts tut.“

Und das ist seit dem nicht besser geworden, im Gegenteil. Unsere heutige digitale Welt, so dachte ich mir kürzlich, ist das Gegenteil von dem, was in Japan als Ikigai bezeichnet wird: die volle Hingabe zu einer Sache. Wir leben stattdessen im selbstgewählten Zeitalter der Gleichzeitigkeit – gleichzeitig hier im Video-Call, in verschiedenen Business-Chats und in der Timeline eines sozialen Netzwerks. Wir haben uns selbst ausgetrickst.