TBT: Mit Jack Tramiel verstarb jüngst eine der Lichtgestalten der Computergeschichte
Am Ostersonntag verstarb in Kalifornien mit Jack Tramiel (links im Bild) eine der Lichtgestalten der Computergeschichte. Tramiel war Gründer von Commodore, der Visionär hinter dem legendären Heimcomputer C64 und später dann zusammen mit seinen Söhnen auch Besitzer und Chef von Atari. Er hatte somit entscheidenden Anteil daran, dass Computer in das Alltagsleben einzogen und PCs heute in fast jedem Haushalt stehen. Jack Tramiel brachte aber nicht nur den Computer in die Kinderzimmer, er sozialisierte mit dem C64 eine ganze Generation.
Throwback Thursday |
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Dieser Beitrag erschien ursprünglich vor Jahren in einem meiner mittlerweile offline genommenen Blogs. In loser Folge grabe ich tief in meinen archivierten SQL-Datenbanken und stosse manchmal auf sowas wie Gold. Enjoy! #TBT |
Jack Tramiel, der eigentlich Idek Tramielski hiess, wurde 1928 in Polen geboren und wurde 1944 wegen seiner jüdischen Herkunft als 16-jähriger in Auschwitz interniert. Nach der Befreiung und wenigen Jahren in Deutschland emigrierte er in die USA, wo er den Namen Jack Tramiel annahm und mangels Arbeit zur Armee ging. Während seinem Dienst kümmerte er sich hauptsächlich um die Reparatur von Schreibmaschinen. Dieser Arbeit blieb er auch nach seinem Ausscheiden 1952 treu und eröffnete – mittlerweile eingebürgert – in New York sein erstes Unternehmen, #Commodore Portable Typewriter, dessen Hauptkunde die US Army war. 1954 gründete er schliesslich zwecks Umgehung von Importbeschränkungen in den USA in Kanada die Commodore Business Machines International (CBM), die hauptsächlich günstige Schreibmaschinen aus Europa importierte. 1962 brachte er das Unternehmen an die Börse und stieg in den frühen 1970er-Jahren in die Produktion preiswerter Taschenrechner ein.
Die Commodore-Heimcomputer
Der erste Coup landete er 1976 mit dem Kauf des jungen Chipherstellers MOS Technology, dessen 6502 8-Bit-Prozessor-Familie schliesslich nicht nur in den Commodre-Rechnern PET 2001, VC20 und C64 steckte, sondern auch in den Apple I und II, den 8-Bit-Homecomputern und den Spielkonsolen von Atari steckten. Dank der Übernahme von MOS war Commodore nun unabhängig von Lieferanten und konnte die gesamte Entwicklung und Produktion im eigenen Unternehmen vornehmen.
Dabei war Tramiels Vision immer dieselbe:
“We need to build computers for the masses, not the classes.”
In die Zeit fällt übrigens auch Tramiels zweiter Coup, die Lizenzierung von Microsoft BASIC für alle Commodore-Rechner durch eine Einmalzahlung von US$ 25'000. Bill Gates forderte ursprünglich Lizenzgebühren vom US$ 3 pro ausgeliefertem Gerät – anbetracht der Tatsache, dass Commodore alleine vom C64 mehrere zehn Millionen Geräte verkauft hat, ein wahres Schnäppchen.
Die Zeit bei Atari
1984, also nur zwei Jahre nach der Markteinführung des C64, überwarf sich Tramiel allerdings mit seinen Investoren, so dass er aus dem Unternehmen ausschied. Zunächst gründete er die Tramel Technology, die das Ziel verfolgte, die nächste Generation des Homecomputers zu entwickeln, kaufte dann aber nur wenige Monate später zusammen mit seinen Söhnen die wegen dem Crash des Konsolenmarktes anfang des Jahrzehnts darniederliegende #Atari Inc. und führte sie zwölf Jahre lang. Mit dem Atari ST löste er dann auch das Versprechen der Tramel Technology ein. Der ST war nicht nur einer der ersten Computer mit einer grafischen Benutzeroberfläche (GEM von Digital Research), sondern auch der erste Rechner, der die Brücke zwischen Heim- und Arbeitscomputer schlug. Dank professionellen Anwendungen wie Desktop Publishing und serienmässiger MIDI-Schnittstelle etablierte sich der ST in Büros und Tonstudios – lange vor dem Mac, der damals noch Unsummen kostete.
Den Heimcomputer-Markt verlor Tramiel allerdings definitiv an Commodore, das Tramiel/Atari die Entwicklerfirma des Amiga buchstäblich vor der Nase wegkaufte. Der Graben zwischen Amiga- und ST-Usern verlief damals ähnlich tief wie heute jener zwischen der iOS- und der Android-Gemeinde. Das nächste Produkt, die Konsole Jaguar floppte jedoch, und Tramiel zog sich aus dem Berufsleben zurück. Der Rest ist Geschichte, Commodore und Atari sind heute leider nur noch Marken, die von Hersteller zu Hersteller wandern.
Tramiels Erbe: Die Generation C64
Scott M. Fulton schrieb in seiner Würdigung von Tramiel auf ReadWriteWeb zurecht:
“The PET 2001, the Commodore 64, and the Atari ST are three of the most important consumer products ever produced. Although only one was a huge financial success, the way you use your PC and your tablet and your smartphone all depend on the paths blazed by those three devices. Jack was the rare tech-company leader with true retail consumer product experience. He didn''t invent anything, but he set many of this industry''s wheels in motion, and we all owe him a huge debt for doing so.”
Aber dies ist nicht der einzige Verdienst von Tramiel. Sein grosser Verkaufsschlager, der C64, zog zumindest im deutschsprachigen Raum eine ganze Generation von Jugendlichen heran, die mit dem “Brotkasten” nicht nur erste Computererfahrungen sammelte, sondern die auch eine erste grosse Szene von Crackern, Swappern, Musikern, Grafikern usw. bildete. Diese “Generation 64” war es, die Mitte der 1990er-Jahre schliesslich das Internet als Fortsetzung dessen begriff, was sie zehn Jahre zuvor auf dem Pausenhof und mit dem Akkustikkoppler beim Tauschen von Programmen praktizierten – nämlich den problemlosen Zugang zu nahezu unbegrenztem digitalem Wissen zu gegen Null tendierenden Kosten. Weltweit und nur einen Mausklick entfernt. Das ist meiner Meinung nach das wahre Erbe Tramiels. Oder wie es heute ein Kommentator auf YouTube etwas prosaischer ausdrückte:
“LOAD “AFTERLIFE”,8,1
Jack Tramiel''s legacy can not be matched by anyone in the computer industry, he is the true godfather of computing, R.I.P. You, and what you created, will never be forgotten.”
Literatur
- Brian Bagnall (2011): Volkscomputer. Aufstieg und Fall des Computer-Pioniers Commodore: Die Geschichte von Pet und VC-20, C64 und Amiga und die Geburt des Personal Computers, Utting: Gameplan.
- Christian Stöcker (2011): Nerd Attack! Eine Geschichte der digitalen Welt vom C64 bis zu Twitter und Facebook, München: DVA.
(Erstveröffentlichung: 2012-04-10 23:20:45)
Bildquelle 1. Michael Tomczyk, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons 2. mariom990, CC0 (Public Domain), via Wikimedia Commons
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