Matthäus Kapitel 20 – Die Arbeiter im Weinberg

Mit dem Himmelreich ist es wie …

Es gibt unterschiedliche Bilder für diese Wirklichkeit, die Christen jedes Mal erbitten, wenn sie mit den Worten Jesu beten Dein Reich komme.

Vertraute inneren Bilder für dieses Reich Gottes sind Vorstellungen des Wachsens und Reifens, der Ernte oder auch einer bewussten Priorität – Entscheidung.

Hier kommt eine weitere Perspektive in den Blick, die sich nicht so schnell für unsere Kultur erschließt: Die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte ist der Schluss dieses Gleichnisses.

Ist das gerecht?

Bei diesem Wort Die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte geht es ja nicht darum, dass man sich um die Position des Letzten rangelt, um dann später der Erste zu sein.

Dieser Satz könnte wie manche anderen Aussagen Jesu als Paradox unsere Wahrnehmung öffnen. Oder er weist darauf hin, im Himmelreich hat Konkurrenz oder Vergleichen keinen Raum. Wer ihn als Hinweis versteht, dass zum Himmelreich Konkurrenz, welche ein Oben und ein Unten fördert, nicht passt, bekommt einen anderen Blick auf dieses Gleichnis.

An vielen Orten feiern Katholiken Sonntags Kommunion, Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Gemeinschaft untereinander gelingt auf Augenhöhe Konkurrenz stört sie.

Viele tappen in die Falle der Konkurrenz, so wie die ersten Arbeiter im Weinberg. Hier ist der Anspruch des Himmelreichs richtig groß.

Gleichzeitig sind Gemeinschaftserfahrungen den meisten Menschen vertraut. Wer sich an den Beginn der Schulzeit oder der Ausbildung erinnert, kennt es vermutlich: alle Anfänger waren gleich.

Und diese Gemeinschaft hat große Kraft. Kooperation fällt leicht. Viele Freundschaften entstehen in solchen Zeiten. Solche offene, kraftvolle Gemeinschaft wird übrigens in unserer Zeit an vielen Stellen gesucht. Beim Pilgern entsteht sie oft – daher ist das so attraktiv.

Übrigens wird in unserer Zeit vielfältig sichtbar, das Streben Erste zu sein, der Wettbewerb, hat fatale Nebenwirkungen auf die Schöpfung, da er oft – die Grenzen des Wachstums – wie vor 50 Jahren ein erster Bericht des Club of Rome überschrieben war, nicht achtet.

Jesus möchte in das Himmelreich, diesen Einflussbereich Gottes, hineinführen. Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe, so beginnt sein Wirken. Er nimmt als Grundlage seines Gleichnisses eine Alltagssituation aus dem damaligen Arbeitsleben in Israel. Da ist also ein Gutsbesitzer, der für seinen Weinberg Arbeiter anwirbt. Früh geht er auf den Markt, wo sich Arbeit suchende Männer aufhielten. Er einigt sich mit ihnen über den Arbeitslohn. Der vereinbarte 1 Dinar ist der normale Tageslohn in Israel, der Tarif. Es ist nicht zu viel und nicht zu wenig, es reicht zum Leben. In der Sprache des Rechts schließt er mit den Arbeitern einen mündlichen Vertrag. Diese Rechtsebene wird später nochmals wichtig.

Jesus gliedert die nächsten Schritte durch Zeitangaben; Nachdem der Gutsbesitzer früh das erste Mal geworben hat, wird diese vage Zeitangabe für den 2. Gang genauer: 3. Std. = 9 Uhr. Dieser Gang wird durch die direkte Rede des Gutsbesitzers betont. Wie viel die Angeworbenen bekommen bleibt offen. Sie bekommen was recht ist, es bleibt korrekt. Beim Hören entsteht vielleicht die Erwartung an eine anteilige Lohnauszahlung. Es ist eine gewisse Spannung da, wie viel das ist, was recht ist. Die nächsten Gänge um die 6. + 9. Std. dh 12.00 und 15.00 Uhr sind ganz knapp erzählt. Auch hier ist die Rechtsebene gegenwärtig, es heißt ebenso. Der Mann geht zur 11. Std. (17.00 Uhr) das 5. und letzte Mal, um Arbeiter anzuwerben. Dies wird durch einen Dialog herausgestellt. Die Antwort Niemand hat uns angeworben verlangt eine Reaktion des Gutsherrn und es gibt die Aufforderung: Geht auch Ihr in meinen Weinberg! Von einer Entlohnung wird nicht gesprochen. Vieles bleibt offen, eine erzählerische Spannung. Es ist zB nicht ersichtlich, wie viele dieser Aufforderung gefolgt war. Die Reihenfolge der Lohnauszahlung ist für die Erzählung notwendig. So bekommen alle mit: jeder bekommt 1 Dinar. (zum Recht gehört: mit offenen Karten spielen, bzw vor Zeugen). Die Letzten werden wie die Ersten behandelt. Alle erhalten den vertraglichen Tariflohn der Ersten. So können alle, die mitgemacht haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Anders als auf dem vertrauten Arbeitsmarkt werden unterschiedliche Leistungsfähigkeiten nicht hervorgehoben.

Unsere Zeit kennt übrigens einige gesellschaftliche Anstrengungen, Teilhabe, Gemeinschaft zu fördern, Leistungsfähigkeit nicht als Priorität zu sehen: Inklusion, Barrierefreiheit, sind nur einige Stichworte zu diesem Umfeld.

Die Ersten – mit dem Verständnis von Konkurrenz – sind enttäuscht. Für sie ist der Vergleich wichtig nur einen Dinar. Ihr Schauen auf die anderen, macht sie unzufrieden. Sie murren und wenden sich gegen die Gleichstellung. Sich zu ergleichen hat oft schlechte Nebenwirkungen: Neid, Abwertungen, eine defizitorientierte Sichtweise, die den Mangel in den Blick nimmt, die oft böse ist, in der religiöse Sprache – sündhaft.

Jesus lässt diese Ersten ausführlich zu Wort kommen. Ihre Begründung steht gewichtig am Ende der Rede. Sie werden als letzte entlohnt und betonen die Dauer und die Hitze des Tages. Dabei fällt auf, nicht die Beziehung zum Gutsherrn bestimmt sie, sondern die Abwertung der anderen: diese da.

Dennoch ist die Rechtsebene gewahrt. Eine Ebene, die das Miteinander der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit regelt, Sicherheit schafft. Das letzte Wort dieser Geschichte kommt auf den Punkt. Der Gutsherr spricht zum Murrenden direkt Mein Freund und weist auf die Rechtsebene hin. Ich tue dir kein Unrecht, der Vertrag wurde geschlossen und gilt. Die Geschichte kehrt so an den Ausgangspunkt zurück. Die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte.

Wer übrigens die Gefährdung des Neides im eigenen Leben kennt, kann durch einen Einsatz für die Mitarbeit der anderen je nach ihren Gaben, die Impulse, die zum Neid führen, gewinnbringend für die Gemeinschaft nutzen. Mehr dazu führt der Theologe Christian Schwarz in seinem Buch Die 3 Farben der Gemeinschaft aus.

Jesu Gleichnis zeigt: Menschen sind in der Gefahr, Konkurrenz wichtiger als Kooperation zu nehmen. In einem Blogartikel auf der Seite https://servicespache.org findet sich die Frage: „Wenn Menschen alle Freiheit der Welt hätten, wären sie dann faul oder innovativ?” Menschen haben beide Instinkte, aber vermutlich ist das Dienen, die Kooperation und Kreativität grundlegender – zumindestens im Umfeld einer Familie – und auch oft ein Ausdruck von Liebe.

Konkurrenz fördert eher Ängste. Wo der Geist des Herrn ist, ist keine Furcht, weiß die Bibel. Das passt dann ja dazu, dass im Umfeld des Himmelreiches Konkurrenz nicht das Thema ist.

Und wie geht Kooperation – Teilhabe in unserer Gemeinde und Gesellschaft? Oft erfahren sich Menschen wie die Arbeiter in der 11. Stunde, Keiner hat uns angeworben, – wir werden nicht gebraucht. Wer kann ihnen das Anliegen Kooperation vermitteln, so wie der Gutsherr: Geht auch ihr in meinen Weinberg?

Es gibt mehr im Leben als Status, Konkurrenz, Konsum. Partizipation, selber dabei sein können, ist im Himmelreich wichtig. Partizipation mit Gottes Wirken ist eine Weise Christsein zu beschreiben. Das darf auch das Miteinander als Gemeinde anfragen.