Impulse der Sonntagslesungen

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Einführung

Du bringst meine Seele zum Leuchten, Herr: Mit dir beginnt der erste Tag. Christus das Licht! Voll Zuversicht erwacht deine Welt, die im Dunkeln lag. Du hast uns ins Leben gerufen, deinem Ruf Herr folgen wir gern. Seit du den Tod besiegt hast, feiern wir den Tag des Herrn.

Wir tun dies gemeinsam im Namen des Vaters ...

Der Herr, der uns seinen Frieden schenkt, er sei mit Euch

Am vergangenen Sonntag, dem Ostertag, wurde uns die Symbolik dieser Osterkerze nahegebracht, die uns an dieses Leuchten erinnert. Sie möchte uns die Jahreslosung ins Gedächtnis rufen. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Dieses Wort aus dem Paulusbrief steht so in der Einheitsübersetzung. Ein Indiz, dass die Jahreslosung von einem ökumenischen Gremium festgelegt wird auch wenn sie vermutlich bei uns stärker in den evangelischen Gemeinden präsent ist.

Dieser Sonntag nach Ostern ist an vielen Orten mit Erstkommunion verbunden. Ich lade Sie ein, für diese Kinder und ihre Familien in diesem Gottesdienst zu beten. Heute feiern in unserer SE die Familien in Herrenberg diesen wichtigen Meilenstein des Glaubens.

Das Evangelium richtet unseren Blick heute auf das Glaubenlernen. Dieses Lernen bleibt ein lebenslanges Abenteuer. Oft zeigen Zweifel manches im Leben ist anders als gedacht, erhofft, geglaubt, passt so nicht mehr. Es braucht eine Erneuerung, Bekehrung sagt man dazu in der frommen Sprache. Die inneren Vorstellungen des Glaubenslebens müssen ja zum eigenen Denken und der persönlichen Weltsicht passen, wenn sie eine Hilfe sein sollen. Für viele ist daher der Apostel Thomas sehr anziehend. Sie können sich in seinem sprichwörtlich gewordenem Zweifel wiederfinden. Aus Finnland kam in den 90er eine Gottesdienstbewegung nach Deutschland, die den Namen dieses Apostels für einen offenen Gottesdienst aufgreift. Über 80 Initiativen feiern solche Thomasmessen, Gottesdienste für Suchende, Zweifelnde und andere gute Christen, wie das entsprechende Netzwerk es etwas plakativ formuliert.

Im Grunde ist jeder gemeinsam gefeierte Gottesdienst ein möglicher Lernort, denn wir sind bei aller Freude dieser Zeit auch mit unseren Fragen nach Leid und Schwerem da. Heute am Sonntag der Barmherzigkeit vertrauen wir uns bewusst dieser Seite Gottes an und wenden uns an Jesus Christus.

Predigt: Liebe Mitchristen

Ist Ihnen die Frage vertraut: Hast Du das begriffen? Ab und zu vergewissere ich mich so, wenn ich versuche z.B. beim Mentoring etwas weiterzugeben. Ich bin sicher, sie kommt in vielen Gesprächen in der Familie, zwischen Freunden und Kollegen vor. Oft geht es um etwas, was man nicht anfassen kann. Das Wort Begreifen weist auf eine sehr grundlegende Art und Weise des Lernens hin. Der Tastsinn ist ja wahrscheinlich der Sinn für uns Menschen, der uns im Leben mit am längsten begleitet. Kleinstkinder und sehr alte Menschen sprechen noch auf Berührung an. Auch wenn sie für andere Kommunikationsformen nicht (mehr) zugänglich sind.

Und diese Form der Kommunikation wünscht sich der Apostel Thomas. Eigentlich ganz naheliegend — mutig und würde mir auch gefallen, so mag man denken. Eigentlich — denn in der Geschichte wird es ja dann nicht wahr. Thomas nimmt das Angebot Jesu vermutlich nicht an. Darüber möchte ich mit Ihnen etwas nachdenken, denn ich glaube, hier ist etwas Wichtiges verborgen.

In den erzählten Gottesbegegnungen im Alten Testament wird immer wieder davon gesprochen, wie Gott seine Hand auf jemanden legt, wie unser Name in die Hand Gottes geschrieben ist. Wie Gottes Nähe uns berührt. Aber die Umkehrung, die ja in diesem Wunsch des Thomas zum Ausdruck kommt, von der wird wenig berichtet.

Kurz vor dieser Ostererzählung heißt es im Johannes-Evangelium, dass Jesus Maria von Magdala sagt, halte mich nicht fest. Und der Jünger, der in der Passion- und Ostergeschichte Jesus berührt, tut dies ja in einer feindlichen Absicht. Judas küsst den Meister, um ihn an die Schergen auszuliefern.

Auch wenn sein Wunsch vielleicht nicht angemessen ist, Jesus nimmt den Thomas ernst. Und in der offenen Begegnung mit Jesus verwandelt sich der Wunsch des Thomas, Jesus so zu berühren. Er ist von IHM berührt und bekennt: Mein Herr und mein Gott. Thomas ist von Ehrfurcht ergriffen. Das ist übrigens eine ganz grundlegende Emotion, sagen uns aktuelle Forschungen. In den letzten 20 Jahren wurde da einiges herausgefunden. Ehrfurcht hilft Menschen, dass sie aufnahmefähig werden für neue, unerwartete Informationen. Wer sich dafür interessiert, kann in der SWR-Mediathek nachschauen. Mir ist beim Hören dieser Sendung klarer geworden, warum es in der Bibel heißt, die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Innehalten und Staunen hilft, sich neu zu orientieren – konkret im Fall des Thomas mit der Wirklichkeit des Auferstandenen das eigene Leben zu gestalten.

Er wollte den Finger in die offene Wunde legen. Eine sprichwörtlich gewordene Aktion, um etwas in Bewegung zu bringen. Eine aktive Person kommt gewisser Maßen von oben dazu und bringt durch ihre Aktion Veränderung im besten Fall Heilung. Übrigens ist das keine gute Ausgangsposition für eine Bekehrung, also ein Aufnehmen von Neuem in das persönliche Glaubensverständnis. Ehrfurchtserlebnisse führen dazu, dass Menschen sich angesichts des überwältigenden Eindrucks plötzlich selbst als klein empfinden – nicht im negativen Sinn, dass sie unbedeutend wären. Ihr eigenes Ego ist gegenüber der Welt einfach nicht mehr so wichtig. Und so kann die Wirklichkeit des lebendigen Christus bei Thomas ankommen. Und natürlich dann auch in der Folge bei den vielen, die im Laufe ihres Lebens zum Glauben an den lebendigen Gott finden. Meist gibt es da etwas in Leben, dass sie staunen ließ, oder erschauern, oder wie immer sie es in Worte bringen würden. Ich finde es jedenfalls hilfreich, mir bewusst zu machen, wir Menschen haben Anlagen in uns, die uns helfen, auch unser spirituelles Leben gut zu gestalten, neue Seite sich zu erschließen, dazu zu lernen. Es sind Gefühle oder Instinkte, also innere Muster, die da sind, die wir bewusst unterstützen können.

Dazu gibt es in dieser Ostergeschichte noch ein zweites Beispiel. Jesus wünscht den Jüngern als erstes den Frieden. Und ER bestärkt alle Anwesenden darin, zu vergeben. Wem Ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben. Alle sind angesprochen, nicht nur einige wenige. Die bedeutende Aussage des Evangelisten Johannes: Vergebung ist für alle eine wichtige Aufgabe. Wem ich vergebe, der kann leben — der findet zur Gemeinschaft, zumindest mit mir und hoffentlich auch mehr zu Gott hin. Nicht nur Ehrfurcht, auch das Konfliktverhalten der Menschen wird beforscht und manche Beobachtungen lassen darauf schließen, dass es archaische Impulse in uns gibt, die es ermöglichen, zu vergeben, und Impulse, die Rache fördern, also einer Vergebungsbereitschaft im Wege stehen. Wichtig ist also, den Menschen zu helfen, ihren Vergebungsinstinkt zu aktivieren. Dieser Instinkt wird durch Gemeinschaftserfahrungen gefördert, denn ein konstruktives, gutes Miteinander kann auf Dauer nur durch vielfältige Versöhnung lebendig bleiben.

Es gibt also in unserer Grundausstattung als Menschen (unserer DNA sagt man heute) wesentliche Anknüpfungspunkte für unseren Glauben. Die aktuelle Jahreslosung lenkt unseren Blick übrigens auch auf etwas, was das Verhalten der Menschen steuert. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. In einem Umfeld, in dem Menschen Liebe spüren, sind sie eher bereit, zu vergeben – so das Miteinander zu stärken. So die Beobachtungen der Forschenden zu Impulsen der Rache und der Versöhnung. Bei diesem Spüren hilft Staunen und Ehrfurcht.

Jesu Wort Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. weist darauf hin, zu allen Zeiten können Menschen in diesen Glauben hineinfinden. Und gleichzeitig begleitet mich die Frage schon viele Jahrzehnte, wie Menschen dies tun. Ich bin davon überzeugt, Erfahrungen der Ehrfurcht, des Staunens über Gottes Nähe, Barmherzigkeit, über Bewahrung im Leben sind wichtige Hilfen.

Glaube kann man daher gut als eine Beziehung von Ehrfurcht beschreiben. Ehrfurcht hilft dabei, dass sich das Ich verkleinert, sich die Aufmerksamkeit für andere verändert. Menschen werden hilfsbereiter, bescheidener, nehmen sich weniger wichtig gegenüber anderen Menschen. Das erleichtert dann auch Versöhnung. Diese wesentliche Aufgabe für ein gutes Miteinander in Liebe ist daher auch Teil des Vater unser. Vergebung ist eine zentrale Brücke auf Gott hin, der Quelle des Friedens. Vergebung macht frei — eine Motivation für jeden und jede von uns, sich auf diesen Weg einzulassen, bewusst die Seiten in uns zu fördern, die eine Kultur der Liebe, der Vergebung, des guten Miteinanders, stärken.

Das Miteinander der Apostel ist für mich ein gutes Beispiel für eine solche Kultur. Thomas ist kritisch, kann Erfahrungen der anderen Apostel nicht nachvollziehen. Diese können ihn lassen – es ist ein Raum der Offenheit da, und durch die Beziehung der Apostel untereinander auch eine Einladung, diesen Raum zu betreten. Die 8 Tage in der Erzählung weisen uns auf den sonntäglichen Gottesdienst hin. Uns wird der Friede gewünscht, wir, die wir uns versammelt haben. Mit dem Auftrag diesen Frieden mit anderen zu teilen wird dieser Gottesdienst enden: Geht hin in Frieden — das meint ja, bringt den Frieden hinaus in den Alltag.

Dankbarkeit stärkt so eine Kultur, d.h. die Mitfeier jeder Eucharistie als Feier der Dankbarkeit bringt da etwas in Bewegung, nicht nur am Sonntag der Barmherzigkeit. Der damalige Papst wollte mit dieser Ausrichtung des Sonntags ab dem Jahr 2000 den Gläubigen helfen, sich mehr einer Kultur des Lebens, der Liebe zu öffnen. Also für einen Lebensstil, der die Versöhnungsinstinkte in uns fördert und so Frieden bringt.

Und natürlich fördert erfahrene Vergebung, dass Menschen sich neu berühren lassen, Racheimpulse und anderes Verhalten loslassen, Liebe und Barmherzigkeit ins eigene Herz aufnehmen. Dazu können alle beitragen. Ohne diesen Lebensstil in Familien, bei der Arbeit oder in der Freizeit bleiben Schätze unseres Glaubens ungenutzt, kann unser Miteinander weniger Kraft entwickeln. Menschen des Geistes haben etwas begriffen, haben sich berühren lassen von diesem Hauch, und können durch ihren Lebensstil dazu beitragen, dass andere den Frieden, den Gott schenken will, erfahren. Sie wissen um einen heilbringenden Umgang mit Schuld – ein Umgang, der nicht die Finger in die offenen Wunden legt und eigene Macht betont. Ehrfürchtig, wie der Apostel Thomas, können sie Gott und Sein Wirken staunend wahrnehmen, und Brücken bauen, wie es die anderen Apostel für Thomas taten. Damit wir dann miteinander glauben, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit wir durch den Glauben Leben haben in seinem Namen. — AMEN

Zwei Einschätzungen aus dem Sport fallen mir zum Wort Talent ein...

Der hat Talent — eine Bewunderung, die ein Sportler vielleicht am Anfang seines Weges mitbekommt

Das ewige Talent — eine eher abschätzige Einschätzung, die auch manche Enttäuschung ausdrückt. Da hat jemand etwas in sich verkümmern lassen, nicht in der erhofften Weise an sich gearbeitet.

Es kommt zumindest in der Welt des Sportes darauf an, aus den Möglichkeiten, die in mir, in jedem und jeder von uns liegen, etwas zu machen.

Das Wort Talent ist durch dieses Gleichnis Jesu in unsere Sprache hineingekommen. Ursprünglich meint ein Talent die größte Münzeinheit. Zur Zeit Jesu, so sagt ein Kommentar, entsprach dieser Geldbetrag dem Jahreslohn von 20 einfachen Arbeitern.

,,Mit dem Himmelreich ist es wie” beginnt das Evangelium heute. Dann erzählt Jesus von den 3 Dienern dieses Mannes. Um das Gleichnis zu entschlüsseln, lohnt sich ein Blick auf das, was Jesus sonst zum Himmelreich und zum Geld sagt. So können wir dieses Wort Gottes im Zusammenhang der Schrift besser verstehen. Die Talente, die den Dienern anvertraut werden, sind viel Geld. Heute schärft der Welttag der Armen unser Bewusstsein dafür.

Welche Bibelworte zum Geld sind in Ihnen lebendig?

Z.B. sagt Jesus in der Bergpredigt: Niemand kann 2 Herren dienen, Gott und dem Mammon. Wer die Bedeutung des Wortes Mammon nachschaut, findet Geld, Besitz oder sowie unredlichen Gewinn und den Reichtum als Götzen.

Auf dem Hintergrund dieser Ansage dann die Frage: wem gleicht der Mann, der die Talente an seine Diener gibt, damit diese gute Geschäfte machen?

Passt es, ihn als Hinweis auf Gott zu sehen?

Beide Diener können das ihnen anvertraute Geld verdoppeln. Ob ein solcher Gewinn redlich entstehen kann, bleibt offen. Dieser Gewinn der beiden Diener hat ihren Herrn froh gemacht.

Worüber vermuten wir, wird Gott sich freuen?

Das alte Testament, das Jesus als Heilige Schrift prägt, kennt ein Zinsverbot. Lange war es auch Christen nicht erlaubt, von anderen Christen Zinsen zu nehmen – eine historische Nische in der Gesellschaft für Nichtchristen, Geld mit Zins zu verleihen.

Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Mann, der zumindest Zinsen erwartet, eher nicht so mit Gott zusammen gesehen werden sollte.

Wer sich im Alten Testament umschaut, merkt schnell, nicht das Geld ist ein Problem, im Grunde kommt Geld sogar recht gut weg. Silber und Gold, heute würden wir sagen, Geld, ist z.B. in einem Abschnitt aus dem Buch Deuteronomium, welchen wir oft zu Erntedank hören, Ausdruck für Gottes Segen.

Ein Problem, welches die Propheten schon früh im Auftrag Gottes kritisieren, ist die Anhäufung von Geld, also der Reichtum einiger und die dann entstehende Armut von Vielen.

Der Reichtum, den Menschen durch ihre Arbeit und Gottes Segen genießen dürfen, soll – wie wir in der 1. Lesung gehört haben – Bedürftigen und Armen zu Gute kommen. Dieser Fokus taucht auch in der Schilderung des jüngsten Gerichts auf, die bei Matthäus auf dieses Gleichnis folgt. Zuwendung zu den Bedürftigen wird belohnt. Wer solche kleinen Gesten der Güte in seinem Leben praktiziert hat, bekommt als Erbe das Himmelreich.

Das Gleichnis zum Himmelreich von den Talenten zeigt – gerade am Welttag der Armen – eine große Herausforderung unserer Gesellschaft. Wie können Menschen es schaffen, sich dem Sog des Geldes zu entziehen. Vermutlich hat diese Frage einige Bedeutung für das Überleben der Menschen hier auf der Erde. Solange Menschen probieren, auf Kosten der Schöpfung, auf Kosten anderer reich zu werden, bleiben Umweltprobleme und Kriege, werden Viele in Armut gedrängt.

Schauen wir auf das Gleichnis und den 3. Diener, der es schafft, aufzuhören bzw. nicht mitzuspielen. Er hat Angst. Und er merkt das. Angst kommt im Deutschen von Enge. Der 3. Diener spürt also Enge, als er sich der Zukunft zuwendet. Er hört auf so zu wirtschaften, wie bislang. Ganz korrekt, gibt er seinem Herrn dessen Eigentum nach dessen Rückkehr wieder. Interessanter Weise bestätigt dieser die Einschätzung seines Dieners, dass er erntet, wo er nicht gesät hat, und sammelt, wo er nicht ausgestreut hat.

Wie nennen Sie so einen, der in dieser Weise erntet und sammelt? Meist gilt so etwas ja als Diebstahl. Ein weiterer Grund, diese Rolle nicht mit Gott in Beziehung zu bringen.

Dem dritten Diener ist es gelungen aufzuhören. Aufhören ist ein interessantes Wort. Das steckt ,,Hören” drin. Wer aufhört, hört auf wen oder was? Wir kennen in der kirchlichen Sprache die Instanz des Gewissen. Das Gleichnis kann ermutigen, dem eignen Gewissen zu folgen, aus einem System auszusteigen, welches im Geldvermehren seinen höchsten Wert sieht.

Und wie lernen wir dieses aufhören, dieses hören auf unser Gewissen? Der Ruf vor dem Evangelium möchte bei den Fragen, die beim Hören aufsteigen, helfen. So spricht der Herr, hieß es da: Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wer in mir bleibt, der bringt reiche Frucht. Wer in Jesus bleibt, der erlebt, wie Jesus in ihm oder ihr bleibt. So eine Person findet einen neuen Zugang zur Wahrheit und in der Beziehung die Kraft, aus ungerechten Strukturen auszusteigen, nicht mehr mitzuspielen.

Das Gleichnis endet mit einem Ausspruch, den viele Arme der Welt aus ihrer Lebenserfahrung bestätigen werden: Denn wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Im Grunde ist so etwas ungerecht, und darauf mehr zu achten, damit konsequenter aufzuhören, ist ein Anliegen dieses Welttags der Armen. Dieser Tag soll uns stärken, Solidarität und Verbundenheit mit allen, gerade auch den vielen Ausgegrenzten zu leben.

Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. So endet es heute. D.h. der Diener kommt, quasi automatisch in Kontakt mit Ausgegrenzten, da er ausgegrenzt wird als jemand der aufhört, mitzuspielen. Der sich entschieden hat, auf etwas anderes zu hören.

Wenn wir so über diese Worte nachdenken, wird es richtig aktuell. Anliegen wie Klimawandel, globale Gerechtigkeit, Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, bewegen viele zum Aufhören und Aussteigen, Sie werden diese Liste der Anliegen gut ergänzen können. Sie werden auch Initiativen kennen, die andere durch Zeichenhandlungen dazu aufrufen, ebenso Aufzuhören, Auszusteigen.

Nach diesem Gleichnis erzählt Matthäus die Passion Jesu. Wer in Jesus bleiben will, dem wird manche Herausforderung nicht erspart bleiben. Und die Geschichte unseres Glaubens zeigt, Menschen, die mit unguten Praktiken aufhören, die Bekehrung und ein neues Denken in ihr Leben aufgenommen haben, erleben, ähnlich wie dieser Diener, aus dem System geworfen zu werden. Immer wieder passiert dann noch etwas anderes. Das Evangelium, das Himmelreich, wirkt in das System, evangelisiert mehr und mehr Menschen, so dass ungerechte Strukturen keinen Bestand mehr haben, dass Neues entsteht.

Am Welttag der Armen, dem 19. November 2023, denken wir auch an Elisabeth on Thüringen. Sie hatte sich der Armutsbewegung, die Franz von Assisi vor 800 Jahren mit seiner Umkehr in der Kirche ausgelöst hat, angeschlossen, und in ihrer Zeit auf die Frage: Was habe ich zu tun? einen Weg gefunden, in Jesus Christus zu bleiben.

Aufhören – als ein Ausdruck von Umkehr, von neuem Denken, weil das Himmelreich nahe ist, bedeutet zum einen, bei vermutlich vielem in unserer modernen Welt nicht mehr mitzuspielen, bei Fragen des Konsums, der Freizeitbeschäftigung, einer Tendenz in uns Menschen, sich mit anderen zu vergleichen.

So entsteht innerlich Platz für ein Auf-HÖREN — ein tieferes Horchen auf Jesu zarte Führung in ein Leben der Fülle. Ein Leben als Kind Gottes auf einem Weg, den jeder und jede von uns im Hören persönlich gehen kann, im Bewusstsein, dass dieses Leben Gott gehört (auch so ein besonderes Wort mit hören)

In diesem Sinn noch mal die Frage aus dem Einstieg in unseren Gottesdienst heute:

Wer fragt: Was hat man zu tun? für den gibt es keine Antwort. Man hat nichts zu tun. Man kann sich nicht helfen, mit Man ist nichts mehr anzufangen. Mit Man geht es zu Ende.

Wer aber die Frage stellt: Was habe ich zu tun? den nehmen die Gefährten bei der Hand, die er nicht kannte und die ihm alsbald vertraut werden und antworten. Du sollst dich nicht vorenthalten.

Im Matthäus-Evangelium nennt Jesus, als er nach einer aufsehenden Aktion, der Tempelreinigung, von unterschiedlichen Personen geprüft wird, warum er das machen darf, bei der Frage nach dem wichtigsten Gebot des Gesetzes, mit dem Doppelgebot der Liebe. Diese 2 Gebote sind für ihn also Dreh – und Angelpunkt unseres Lebens. Da ist es nicht überraschend, dass es schon ganz viele Gedanken darüber gibt. Sie haben vermutlich auch schon einiges dazu gehört und gelesen.

Die Überlegungen dazu in diesem Artikel beginnen mit einer formalen Beobachtung. Es sind zwei Gebote, nicht eins. Wer achtsam seinen Alltag betrachtet, wird feststellen, oft kippt ein Gebot davon weg.

  • Unsere säkularisierte Gesellschaft tut sich schwer mit Gott und meint, einander zu lieben sei ausreichend.
  • Eine übergroße Spiritualität ist nicht am Menschen interessiert und glaubt, allein Gott sei genug.

Jesu Leben, Sein Beispiel, verdeutlicht, beide Gebote müssen zusammengehalten werden aber dürfen nicht vermischt werden. Zu einer guten Glaubensperspektive auf Jesus hin hat ein Konzil der alten Kirche, das von Chalcedon, dazu im Jahr 451 diese wichtige Glaubenseinsicht formulierte:

Jesus Christus [...] ist wirklich Gott und wirklich Mensch aus einer vernünftigen Seele und einem Körper. Er ist dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und derselbe uns wesensgleich nach der Menschheit [...], der in zwei Naturen, unvermischt, ungewandelt, ungetrennt, ungesondert, geoffenbart ist.

Diese Spannung – also beide Gebote zusammen zu sehen, sie nicht zu trennen, aber auch nicht zu vermischen – ist wichtig. Und dann wird an diesem Doppelgebot sichtbar: Eine einzige Liebe äußert sich in drei Richtungen: als Liebe zu Gott, Liebe zu mir selbst und Liebe zum Mitmenschen.

Viele neigen dazu, die Liebe zu sich selbst zu überspringen, sich allein den anderen beiden Arten der Liebe zuzuwenden. Doch ein Mensch, der sich selbst nicht lieben kann, wird es schwer haben, andere zu lieben.

Wenn Sie auf eine Person schauen, die Sie als großen Egoisten erleben, die also oft den Raum ausfüllt und allen anderen die Luft zum Atmen nimmt:

  • Ist diese Person eine, die sich selbst gegenüber zu viel Liebe empfindet und deshalb alle anderen vergisst?
  • Oder würde bei genauerem Hinsehen deutlich, so ein Mensch verachtet sich selbst zutiefst und hat deshalb ein unstillbares Bedürfnis nach der Aufmerksamkeit und Bestätigung anderer?

Nur wer sich selbst akzeptiert und wertschätzt, benötigt diese kontinuierliche Aufmerksamkeit der anderen nicht, kann andere auf gleiche Weise wie sich selbst willkommen heißen. In solchen Begegnungen erschließt sich eine Quelle von Lebendigkeit. Dieses Doppelgebot kann wie ein Kompass sein. Im Wirrwarr unterschiedlicher Ansichten und allem Funktionieren-Müssens können wir uns vor jedem Entschluss, ob im Privaten oder in der Arbeit, ausgehend von diesen beiden Geboten, drei wegweisende Fragen stellen: Hilft uns das,

  1. Gott besser kennenzulernen und zu lieben?
  2. uns selbst und unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen?
  3. andere Menschen mehr zu lieben und besser zu dienen?

3 Fragen, die uns bei unserer Lebensreise leiten können. Und vermutlich wird es dadurch nicht schwerer. Wer hat uns zum Irrglauben verführt, dass Gott unser Leben verkomplizieren will?

Wer mit einem solchen liebenden Blick die eigene Umgebung anschaut, wird sie anders wahrnehmen, als jemand, dem die Perspektive des Geldes viel bedeutet. Beim Geld entsteht schnell ein oben und unten. Etwas was Jesus immer wieder, gerade auch bei seinen Jüngern, also den Menschen, die von ihm lernen, anspricht. Solche Perspektiven – so zeigt die vielfache Mahnung der Propheten – gibt es schon zu sehr frühen Zeiten der menschlichen Kultur als Versuchungen. Und wie geht es, nicht vom Sog des Geldes vereinnahmt zu werden? Diese Frage beschäftigt Menschen in ganz unterschiedlichen Kulturen.

Hilfreich finde ich dazu Gedanken von Nipun Metha, einem ein Aktivist für Großzügigkeit und Güte unserer Zeit, der aus dem Umfeld der IT kommend, in den USA lebt und mit anderen versucht, sich von einer Kultur der Gier zu befreien.

,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' lautet ja das Gebot, welches die Beziehungen unter den Menschen beschreibt. Was heißt da lieben? Nipun Metha weist darauf hin: Es gibt, gerade bei Menschen, die sich anderen zuwenden, drei verschiedene Arten, das Leben zu sehen. Helfen, Heilen und Dienen:

  • Wer hilft, sieht das Leben als schwach an.
  • Wer heilt, sieht das Leben als kaputt an.
  • Wer dient, sieht das Leben als Ganzes.

Was ist der Unterschied zwischen diesen Arten? Eine helfende Person spürt eindeutig Mitgefühl und Sympathie und hilft tatsächlich, aber die Person, der geholfen wird, hat das ungute Gefühl, dass sie nur empfängt. Es gibt ein eindeutiges oft unbeabsichtigtes Gefälle von oben und unten.

Wer etwas heilt, kann das gleiche Gefälle anstoßen. Die geheilte Person muss das Gefühl verarbeiten, nicht ok – irgendwie kaputt – gewesen zu sein. Und so gelingt oft nicht ein Miteinander auf Augenhöhe zwischen der heilenden Person und der zu heilenden.

Wer dient, will einen ko-kreativen Prozess und erkennt an, dass der Schmerz des anderen mit dem eigenen Schmerz verwoben ist, und verbindet sich mit der anderen Person.

Wer also diesem Gebot: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' folgen will, kann dies wohl am besten mit einer Haltung des Dienens. Dann geschieht die Begegnung auf Augenhöhe.

Es gibt dann, nach Nipun Metha, noch eine vierte Ebene, nämlich das Opfer, als heiliges Tun, bei dem man Dankbarkeit empfindet und der anderen Person für die Möglichkeit zu dienen verpflichtet ist. So beschreibt er (als Hindu) eine Erfahrung, die in meiner Wahrnehmung Jesus denen verheißen hat, die sich dienend anderen zuwenden. Nämlich dass sie IHM in diesen Menschen begegnen. Und so kommt die Liebe zu Gott in den Blick.

Nipun Metha hat dann durch sein Engagement erkannt – und ich finde, gerade in der aktuellen Situation unserer Welt mit der vielen Gewalt und der Angst lohnt es sich, das bewusst zur Kenntnis zu nehmen: Er sagt: ,Ja, wir können gut sein. Ja, wir können uns zu einem höheren Potenzial erheben, wir können Ja zum Mitgefühl sagen. Und es gibt so viele Menschen, die das tun, und man fühlt sich einfach so hoffnungsvoll.'

In Bezug zum Geld beobachtet er: Du bist nicht dein Portemonnaie, und du bist nicht dein Geld. Das ist nicht das, was die Menschen am meisten wollen. Was sie wirklich wollen, ist eine härtere Währung – und sie ist viel härter, weil wir durch eine Menge innerer Transformation gehen müssen, um diese Währung zu kultivieren. Diese Währung ist Liebe, der Fluss des Mitgefühls.

Soweit Nipun Metha, der ja bei dieser Beobachtung beim Wort ,hart' 2 Bedeutungen ins Spiel bringt.

  • Eine harte Währung schenkt Vertrauen, ist verlässlich.
  • Dies im Leben zu kultivieren ist hart, also schwer und fordernd.

Einige Gedanken zur Liebe von Augustinus, dem Kirchenvater aus dem 4. Jh, dazu bilden heute den Abschluss dieser Gedanken.

(zu 1 Joh 3,1) (in ep. Io. tr.)

Was nützt der bloße Name denen, die sich Christen nennen lassen und es nicht sind; was nützt der bloße Name dort, wo die Wirklichkeit fehlt? Wie viele heißen Ärzte, die nicht zu heilen verstehen! Wie viele Wächter, die die ganze Nacht schlafen! So heißen auch viele Christen und werden doch nicht in Wirklichkeit als solche erfunden; denn sie sind nicht das, was sie heißen, das heißt sie sind es nicht im Leben, im sittlichen Verhalten, im Glauben, in der Hoffnung, in der Liebe. Was aber habt ihr gehört, Brüder? „Seht welch eine große Liebe der Vater uns geschenkt hat, dass wir Kinder Gottes heißen und sind!“

(zu 1 Joh 7,11) (in ep. Io. tr.)

Willst du die Liebe leben, sei vor allem überzeugt, dass die Liebe nicht bequem und billig ist. Man lebt die Liebe nicht, indem man recht gutmütig ist – oder eigentlich ist dies noch zu stark ausgedrückt: man lebt die Liebe nicht, indem man gleichgültig oder lässig ist. Glaube nicht, dass du deinen Knecht schon liebst, wenn du ihn nicht schlägst; dass du dein Kind liebst, wenn du es keine Zucht lehrst; dass du deinen Nachbarn liebst, wenn du nie etwas gegen ihn sagst. Das ist keine Liebe, sondern Schlaffheit.

(zu 1 Joh 4,9) (in ep. Io. tr.)

Ein für allemal schreibt dir ein kurzes Gebot vor: Liebe und tu, was du willst! Schweigst du, so schweige aus Liebe; redest du, so rede aus Liebe; rügst du, so rüge aus Liebe; schonst du, so schone aus Liebe; die Wurzel der Liebe sei in deinem Innern! Aus dieser Wurzel kann nur Gutes erblühen.

Vorbemerkungen zu den Gleichnissen vom Himmelreich

Jesus beginnt ja sein öffentliches Wirken mit der Verkündigung dieser Botschaft: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.

Umkehren, also ein ,Neues Denken' zu praktizieren, ist nicht immer einfach. Jesus möchte die Menschen, die ihm zuhören, dabei unterstützen und erzählt immer wieder Gleichnisse vom Himmelreich. Sie beginnen, Mit dem Himmelreich ist es wie … Und dann gibt es etwas, was er über diesen Bereich vermitteln möchte, weil es anders ist, als das übliche Denken, was sich oft bis heute nicht wirklich verändert hat.

Das Himmelreich als Perspektive begegnet allen, die das Vater unser, als Gebet, das sie von Jesus gelernt haben, als Christen beten. Wer seinem Arbeitskollegen oder einem Jugendlichen aus der Nachbarschaft beschreiben müsste, was ihm am Himmelreich wichtig ist, welche Seiten eines neuen Denkens kämen dann zur Sprache? Was zeichnet das Himmelreich aus?

Mit über 10 Gleichnisse schließt das Matthäusevangelium Seiten dieser Wirklichkeit auf. Die Gleichnisse sind oft aus dem Umfeld der Arbeitswelt.

Manche sind daher bis heute gut zu verstehen, wie die aus dem Umfeld der Landwirtschaft, in denen es ums Wachsen und Reifen und auch ums Ernten geht. Sowie die Geduld, die es dafür braucht. Oder wie das Gleichnis vom Sauerteig, das auch das Wachsen thematisiert.

Andere, wie das von der Perle oder dem Schatz im Acker beschreiben die Bedeutung einer Entscheidung für das, was oft überraschend Menschen begegnet.

Im Gleichnis vom Fischernetz wie auch in der Erzählung vom Unkraut unter dem Weizen kommt in den Blick, es ist nicht alles gleich, es gibt eine Unterscheidung von Gut und Böse. Und weil in erfahrbaren Wirklichkeit manches noch nicht Teil dieses Reiches ist, beten Christen für das Kommen des Reiches Gottes. Gut und Böse sind dabei nicht gleiche Qualitäten. Böse ist eher ein Mangelbegriff, da fehlt es an Gutem. Die Bibel ermutigt dazu, das Böse zu meiden – also sich bewusst dagegen zu entscheiden. Dieses NEIN klärt Grenzen. Gleichzeitig ist eine Ausrichtung nötig. Es gilt, das Gute zu tun, wie es im Psalm heißt, ganzheitlich als Glaubende JA zu sagen. Und dieses JA zu finden, ist im eigenen Leben immer neu möglich. Das bestärkt ein Gleichnis, über die Bereitschaft zur Vergebung, zum Neuanfang. Diese Bereitschaft, den Ruf zur Umkehr, der Jesu Verkündigung ja bestimmt, immer wieder zu hören und zu befolgen, ist wesentlicher Teil der Antwort auf Jesu Botschaft.

Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg wird deutlich, Konkurrenz und Vergleichen passt nicht zum Himmelreich. Alle, die im Weinberg gearbeitet haben, bekommen einen auskömmlichen Lohn – den Denar, den Tageslohn für einen Tagelöhner, der zum Leben für ihn und seine Familie reicht. Ein wichtiger Impuls für das neue Denken!

Das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl

Im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl nutzt Jesus ein Bild, welches in eine Demokratie nicht ganz so vertraut ist. Manches in diesem Gleichnis ist sicher vom der Situation bestimmt, in der Jesus es erzählt. Er war mit den Jüngern nach Jerusalem eingezogen, die Volksmenge hatte ihn als Friedensfürst, der auf einem Esel kommt, bejubelt.

Als erste öffentliche Aktion grenzte er sich mit der Tempelreinigung klar von dem frommen Betrieb dort ab. Jesus erzählte 2 Gleichnisse, die unterschiedliche Seiten eines Widerstandes gegenüber seiner Botschaft beschreiben. Direkt vor dem Evangeliumsabschnitt heute steht das Gleichnis von den Winzern, die den Sohn des Gutsbesitzers erschlagen, als dieser die Pacht holen will. Dieser Kontext erklärt dann auch mehr die harsche Reaktion, die der König auf die Gewalt gegen seine Diener folgen lässt.

Zwischen den Zeilen dieses Gleichnisses schwingt dann mit: Wenn ein König zur Hochzeit seines Sohnes und zumeist künftigen Nachfolgers einlädt, dient solch eine Feier zugleich der Huldigung des neuen Königs.

Das Himmelreich hat etwas mit der Huldigung an einen König zu tun. Das ist für Menschen, die in einer Demokratie leben, ein ungewohntes und vielleicht auch unzugängliches Bild. Der König ist mächtiger ist als die Geladenen. Er möchte zu den Geladenen eine Beziehung, sie an seiner Freude teilnehmen lassen. Er erwartet, dass sie sich darauf einlassen, insbesonders auch auf die Beziehung zu seinem Sohn. Es werden alle eingeladen – Böse und Gute. Die Einladung ist also keine Belohnung oder Auszeichnung. So klingt in diesem Gleichnis wieder etwas an von den Gleichnissen mit dem Fischernetz oder dem Unkraut im Weizen.

Die Einladung zum Hochzeitsmahl erlaubt eine Brücke zum fehlenden Hochzeitsgewand. Wer dieses Gleichnis hört, denkt vielleicht an die Praxis der Liturgie, ein Taufkleid, eine Albe, zu nutzen, um deutlich werden zu lassen, die Mitfeiernden haben Christus angezogen. Und der Gast ohne dieses Gewand zeigt, auch wenn man dabei ist, ist noch nicht klar, ob die Beziehung, um die es in der Feier geht, eingegangen wird. Das bleibt eine persönliche Entscheidung. Glaubende spüren es ja in eigenen Alltag – Gott zwingt niemanden in eine Beziehung, oft wird die Einladung als Ringen mit eigenen Prioritäten und der Wirklichkeit, wie sie sich zeigt, erlebt. Manchmal meldet sich dann eine innere Aggressivität, wie bei denen, die die Knechte misshandeln.

Das Annehmen der Einladung, also das Dazugehören zu dieser Gemeinschaft der Glaubenden, derer, die, in der Bildsprache des Evangeliums das Hochzeitsfest feiern können, entspricht dem Christsein, dem Annehmen des neuen Bundes. Wer das Hochzeitsgewand anlegt hat, achtet den Bund, den Gott mit uns Menschen in Jesus Christus schließt. Und das passiert nicht von selbst. Hier ist eine innere Bewegung / Ausrichtung gefragt. Man greift die Einladung auf und lässt sich auf das Neue / Andere ein, tritt in Resonanz könnte man sagen.

  • Was heißt das ganz konkret in den aktuellen Krisen?
  • Wozu laden sie ein?
  • Welche Prioritäten bestimmen das eigene Tun?
  • Welche Prioritäten sind Gott (in der eigenen Wahrnehmung) gerade wichtig?

Ein Beitrag auf katholisch.de hat da z.B. die Bewahrung der Schöpfung stärker in den Blick gerückt. Wem diese Priorität ein Anliegen ist, der wird sich in seiner Lebensweise stärker von dem unterscheiden wollen, was in der reichen, westlichen Gesellschaft als normal gilt.

Was könnte helfen, sich dafür zu öffnen?

Statt stumm zu bleiben – gilt es die eigene Resonanz, den persönlichen Klang – zu finden. Der Pastoraltheologe Paul Zulehner beobachtet, wie das Christsein stärker von der Person gestützt werden muss, weniger vom Umfeld, der Kultur gestützt wird, wie noch in der Generation vor uns.

Persönliche Verantwortung, im Bild des heutigen Evangeliums, das Hochzeitsgewand, wird aufgenommen oder eben nicht. Dieser Hinweis, diese Mahnung kommt noch einmal beim Matthäusevangelium in einem weiteren Gleichnisses zum Himmelreich, dem der 10 Jungfrauen. Dort ist es die Herausforderung, Öl mitzunehmen.

Das Hochzeitsgewand und das Öl für die Lampe, 2 Bilder für eine Lebensweise, die sich dem Anruf Gottes stellt, sich darauf innerlich einlässt, und erlebt, wie so ein neuer Lebensweg entsteht, der miteinander als Volk Gottes, als Volk des Bundes, gegangen wird. Ein Weg, der froh machen kann, als Fest, bereitet für alle, die sich diesem Neuen Denken öffnen.

Mit dem Himmelreich ist es wie …

Es gibt unterschiedliche Bilder für diese Wirklichkeit, die Christen jedes Mal erbitten, wenn sie mit den Worten Jesu beten Dein Reich komme.

Vertraute inneren Bilder für dieses Reich Gottes sind Vorstellungen des Wachsens und Reifens, der Ernte oder auch einer bewussten Priorität – Entscheidung.

Hier kommt eine weitere Perspektive in den Blick, die sich nicht so schnell für unsere Kultur erschließt: Die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte ist der Schluss dieses Gleichnisses.

Ist das gerecht?

Bei diesem Wort Die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte geht es ja nicht darum, dass man sich um die Position des Letzten rangelt, um dann später der Erste zu sein.

Dieser Satz könnte wie manche anderen Aussagen Jesu als Paradox unsere Wahrnehmung öffnen. Oder er weist darauf hin, im Himmelreich hat Konkurrenz oder Vergleichen keinen Raum. Wer ihn als Hinweis versteht, dass zum Himmelreich Konkurrenz, welche ein Oben und ein Unten fördert, nicht passt, bekommt einen anderen Blick auf dieses Gleichnis.

An vielen Orten feiern Katholiken Sonntags Kommunion, Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Gemeinschaft untereinander gelingt auf Augenhöhe Konkurrenz stört sie.

Viele tappen in die Falle der Konkurrenz, so wie die ersten Arbeiter im Weinberg. Hier ist der Anspruch des Himmelreichs richtig groß.

Gleichzeitig sind Gemeinschaftserfahrungen den meisten Menschen vertraut. Wer sich an den Beginn der Schulzeit oder der Ausbildung erinnert, kennt es vermutlich: alle Anfänger waren gleich.

Und diese Gemeinschaft hat große Kraft. Kooperation fällt leicht. Viele Freundschaften entstehen in solchen Zeiten. Solche offene, kraftvolle Gemeinschaft wird übrigens in unserer Zeit an vielen Stellen gesucht. Beim Pilgern entsteht sie oft – daher ist das so attraktiv.

Übrigens wird in unserer Zeit vielfältig sichtbar, das Streben Erste zu sein, der Wettbewerb, hat fatale Nebenwirkungen auf die Schöpfung, da er oft – die Grenzen des Wachstums – wie vor 50 Jahren ein erster Bericht des Club of Rome überschrieben war, nicht achtet.

Jesus möchte in das Himmelreich, diesen Einflussbereich Gottes, hineinführen. Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe, so beginnt sein Wirken. Er nimmt als Grundlage seines Gleichnisses eine Alltagssituation aus dem damaligen Arbeitsleben in Israel. Da ist also ein Gutsbesitzer, der für seinen Weinberg Arbeiter anwirbt. Früh geht er auf den Markt, wo sich Arbeit suchende Männer aufhielten. Er einigt sich mit ihnen über den Arbeitslohn. Der vereinbarte 1 Dinar ist der normale Tageslohn in Israel, der Tarif. Es ist nicht zu viel und nicht zu wenig, es reicht zum Leben. In der Sprache des Rechts schließt er mit den Arbeitern einen mündlichen Vertrag. Diese Rechtsebene wird später nochmals wichtig.

Jesus gliedert die nächsten Schritte durch Zeitangaben; Nachdem der Gutsbesitzer früh das erste Mal geworben hat, wird diese vage Zeitangabe für den 2. Gang genauer: 3. Std. = 9 Uhr. Dieser Gang wird durch die direkte Rede des Gutsbesitzers betont. Wie viel die Angeworbenen bekommen bleibt offen. Sie bekommen was recht ist, es bleibt korrekt. Beim Hören entsteht vielleicht die Erwartung an eine anteilige Lohnauszahlung. Es ist eine gewisse Spannung da, wie viel das ist, was recht ist. Die nächsten Gänge um die 6. + 9. Std. dh 12.00 und 15.00 Uhr sind ganz knapp erzählt. Auch hier ist die Rechtsebene gegenwärtig, es heißt ebenso. Der Mann geht zur 11. Std. (17.00 Uhr) das 5. und letzte Mal, um Arbeiter anzuwerben. Dies wird durch einen Dialog herausgestellt. Die Antwort Niemand hat uns angeworben verlangt eine Reaktion des Gutsherrn und es gibt die Aufforderung: Geht auch Ihr in meinen Weinberg! Von einer Entlohnung wird nicht gesprochen. Vieles bleibt offen, eine erzählerische Spannung. Es ist zB nicht ersichtlich, wie viele dieser Aufforderung gefolgt war. Die Reihenfolge der Lohnauszahlung ist für die Erzählung notwendig. So bekommen alle mit: jeder bekommt 1 Dinar. (zum Recht gehört: mit offenen Karten spielen, bzw vor Zeugen). Die Letzten werden wie die Ersten behandelt. Alle erhalten den vertraglichen Tariflohn der Ersten. So können alle, die mitgemacht haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Anders als auf dem vertrauten Arbeitsmarkt werden unterschiedliche Leistungsfähigkeiten nicht hervorgehoben.

Unsere Zeit kennt übrigens einige gesellschaftliche Anstrengungen, Teilhabe, Gemeinschaft zu fördern, Leistungsfähigkeit nicht als Priorität zu sehen: Inklusion, Barrierefreiheit, sind nur einige Stichworte zu diesem Umfeld.

Die Ersten – mit dem Verständnis von Konkurrenz – sind enttäuscht. Für sie ist der Vergleich wichtig nur einen Dinar. Ihr Schauen auf die anderen, macht sie unzufrieden. Sie murren und wenden sich gegen die Gleichstellung. Sich zu ergleichen hat oft schlechte Nebenwirkungen: Neid, Abwertungen, eine defizitorientierte Sichtweise, die den Mangel in den Blick nimmt, die oft böse ist, in der religiöse Sprache – sündhaft.

Jesus lässt diese Ersten ausführlich zu Wort kommen. Ihre Begründung steht gewichtig am Ende der Rede. Sie werden als letzte entlohnt und betonen die Dauer und die Hitze des Tages. Dabei fällt auf, nicht die Beziehung zum Gutsherrn bestimmt sie, sondern die Abwertung der anderen: diese da.

Dennoch ist die Rechtsebene gewahrt. Eine Ebene, die das Miteinander der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit regelt, Sicherheit schafft. Das letzte Wort dieser Geschichte kommt auf den Punkt. Der Gutsherr spricht zum Murrenden direkt Mein Freund und weist auf die Rechtsebene hin. Ich tue dir kein Unrecht, der Vertrag wurde geschlossen und gilt. Die Geschichte kehrt so an den Ausgangspunkt zurück. Die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte.

Wer übrigens die Gefährdung des Neides im eigenen Leben kennt, kann durch einen Einsatz für die Mitarbeit der anderen je nach ihren Gaben, die Impulse, die zum Neid führen, gewinnbringend für die Gemeinschaft nutzen. Mehr dazu führt der Theologe Christian Schwarz in seinem Buch Die 3 Farben der Gemeinschaft aus.

Jesu Gleichnis zeigt: Menschen sind in der Gefahr, Konkurrenz wichtiger als Kooperation zu nehmen. In einem Blogartikel auf der Seite https://servicespache.org findet sich die Frage: „Wenn Menschen alle Freiheit der Welt hätten, wären sie dann faul oder innovativ?” Menschen haben beide Instinkte, aber vermutlich ist das Dienen, die Kooperation und Kreativität grundlegender – zumindestens im Umfeld einer Familie – und auch oft ein Ausdruck von Liebe.

Konkurrenz fördert eher Ängste. Wo der Geist des Herrn ist, ist keine Furcht, weiß die Bibel. Das passt dann ja dazu, dass im Umfeld des Himmelreiches Konkurrenz nicht das Thema ist.

Und wie geht Kooperation – Teilhabe in unserer Gemeinde und Gesellschaft? Oft erfahren sich Menschen wie die Arbeiter in der 11. Stunde, Keiner hat uns angeworben, – wir werden nicht gebraucht. Wer kann ihnen das Anliegen Kooperation vermitteln, so wie der Gutsherr: Geht auch ihr in meinen Weinberg?

Es gibt mehr im Leben als Status, Konkurrenz, Konsum. Partizipation, selber dabei sein können, ist im Himmelreich wichtig. Partizipation mit Gottes Wirken ist eine Weise Christsein zu beschreiben. Das darf auch das Miteinander als Gemeinde anfragen.