pukeko

Wieso? Wieso, frage ich mich immer, wenn ich den Fernseher einschalte und irgendeine deutsche Produktion läuft gerade, in der deutsche Schauspieler gerade wieder overacten. Wieso, frage ich mich, wenn ich in die Fernsehzeitung schaue und dort bei den Öffentlich-Rechtlichen fast ausschließlich Krimis finde. Wieso um alles in der Welt ist Deutschland in Bezug auf Film und Fernsehen so himmelschreiend unterdurchschnittlich?

Macht doch einfach mal folgenden Test, wenn ihr noch einen Fernseher besitzt. Schaltet den Ton aus und zappt durch die Programme. Wenn eine Serie oder ein Spielfilm läuft, haltet kurz inne und ratet, ob es sich um eine deutsche Produktion handelt oder um eine ausländische. Woran erkennt ihr das? Schaltet dann den Ton an, um euch zu vergewissern. Es ist ja relativ leicht anhand der Lippenbewegungen festzustellen, ob es sich um eine Synchronfassung und damit höchstwahrscheinlich um eine ausländische Produktion handelt.

Ein direkter Vergleich mit, sagen wir einfach, amerikanischen Filmen ist etwas unfair. Dort haben selbst kleine Fernsehserien pro Folge oftmals mehr Budget als hierzulande ein ganzer Spielfilm. Dennoch sieht man auch bei dortigen Billigproduktionen große Qualitätsunterschiede zu höherpreisigen bei uns.

Ich zähle mal auf, was einen typischen, zeitgenössischen deutschen Film erkennbar macht:

1. Der Bildhintergrund ist ein einziger Matsch.

Ein dezentes Bokeh, also das Unscharfwerden des Hintergrundes, wird extrem übertrieben. Schärfen und Unschärfen sollen das Auge des Betrachters lenken. Im deutschen Film sieht es aber so aus, als ob die Leute vor einer bunten Tapete ohne Struktur stehen würden. Tun sie das vielleicht? Wäre auf alle Fälle billiger, als an einem echten Drehort zu spielen.

2. Viel zu viele Großaufnahmen

Wenn sich Leute auf der Leinwand unterhalten, werden sie ständig in Großaufnahme gezeigt, d.h. man sieht auf dem Bild nur das Gesicht. Selbst dann, wenn in dem Moment überhaupt keine großartigen Emotionen geboten werden (dazu unten mehr). Warum also kommen wir den Menschen so extrem nah?

3. Wackelkamera

Deutsche Kameraleute scheinen nur drei Dinge zu kennen: die unbewegte Kamera auf dem Stativ, neuerdings die Drohne und die extrem verwackelte Handkamera. Wenn die Kamera also nicht gerade langweilig auf dem Stativ steht, um eine noch langweiligere Spielszene einzufangen, glauben die Kameraleute offenbar, daß sie mit einer zittrigen Handkamera mehr Action in die Handlung bringen, weil sie das vielleicht bei amerikanischen Actionfilmen gesehen haben. Bloß das dort die unruhige Handkamera hauptsächlich für emotions- und spannungsgeladene Einstellungen verwendet wird. Hier wird sie aber auch eingesetzt, wenn sich zwei Leute anschweigen und überhaupt nichts passiert.

4. Unnötige Bewegungen

Ins selbe Horn wird gestoßen, wenn die Kamera Bewegungen um jeden Preis vollführt. Man könnte bei Punkt 3 vielleicht gelegentlich noch einen Dolly oder Slider anführen. Diese ermöglichen langsame Kamerafahrten und diese werden immer dann eingesetzt, wenn sie völlig unnötig sind. Es unterhalten sich zwei Menschen miteinander? Da wird mit der Kamera hin- und hergefahren, was das Zeug hält. Schon mal was von dezenten Schwenks gehört? Oder jemand sitzt an einem Schreibtisch und telefoniert. Die Einstellung geht vielleicht 15 Sekunden. Da muß zwingend mit der Kamera gefahren werden. Am besten, es kullert im Vordergrund noch eine Topfpflanze vorbei, nach dem Lehrbuchspruch “Vordergrund macht Bild gesund”.

5. Lahmer Schuß-/Gegenschuß

Bleiben wir beim Beispiel. Zwei oder gar drei Leute sprechen miteinander. Was machen die Deutschen? Sie lassen jede Person den gesamten Text durchsprechen und filmen dabei über die Schulter des Spielpartners. Danach ist dieser dran und es wird der Gegenschuß gefilmt. Später im Schnitt kann man sich dann aussuchen, wie lang jede Person zu sehen sein soll. Alles ganz prima und alles ganz einfach. Aber eben auch alles ganz langweilig.

Vielleicht sollten sie sich mehr ein Beispiel an Hitchcock nehmen. Der hat viel in einer einzigen Einstellung gedreht, mit Personen, die sich im Set bewegen. Mit einer Kamera, die auch vom Stativ mit gezielten Schwenks das Geschehen interessant einfängt. Ja, aber dann müßte man ja mit den Darstellern eine komplexe Choreographie einstudieren. Das dauert womöglich zu lang und würde die Laiendarsteller überfordern, die schon genug damit zu tun haben, ihren Text fehlerfrei aufzusagen. Das geht nun wirklich nicht.

6. Unbekannte Nasen

Woran erkennt man eine deutsche Produktion noch? Richtig, an den unbekannten Darstellern. Ich vermeide hier bewußt das Wort “Schauspieler”, denn es sind oftmals keine, sondern offensichtlich von der Straße weggecastete Menschen, die nur sich selbst spielen. Sie können weder natürlich agieren, noch ihren Text realistisch sprechen. Es wirkt alles wie auf einer Theaterbühne inszeniert. Da werden emotionsgeladene Momente tonlos runtergeleiert und wenn die Figur ärgerlich ist wird geschrien. Wenn sie gefährlich wirken soll, wird geschrien. Wenn diskutiert wird, wird auch geschrien. Eigentlich wird andauernd geschrien. Overacting ist der Standard.

Den meisten deutschen Darstellern sieht man es an, daß sie eigentlich nur auf Arbeit gehen, ihren Text abspulen und sich schnell wieder nach Hause aufmachen wollen. Wie sonst erklärt man sich, daß viele so superschnell sprechen und die Sätze nur so runterrattern?

Kurzer Zwischentest: Nennt aus dem Stand fünf US-amerikanische Schauspielerinnen und fünf Schauspieler. Es können auch Nebendarsteller sein. … Ging schnell, oder? Und nun macht das gleiche für deutsche Darstellerinnen und Darsteller. Dauert schon länger, stimmt's? Das sollte zu denken geben.

7. Immer die gleichen Innensets

Wenn deutsche Filme drinnen spielen, dann handelt es sich unter Garantie um eine große Wohnung in einem Altbau oder einer alten Villa. Es sind immer die gleichen knarrenden Holzdielen und die elend hohen Decken, die man im Bild gar nicht sieht. Warum? Es ist halt billiger für ein paar Tage eine Studenten-WG zu mieten, als selbst ein Set zu bauen. Außerdem sind die Decken schön hoch. Da kann man die vielen Scheinwerfer so schön aufhängen. Selbst in deutschen Krankenhausserien sieht man die Decken nicht und so klingt auch der Ton. Als wenn einfach keine Decke da wäre. In ausländischen Produktionen sieht man die Decken durchaus und da hängen auch keine Scheinwerfer rum. Es sieht viel realistischer aus. Trotzdem bekommen sie das Set ordentlich beleuchtet. Wieso nur? Haben die etwa mehr Ahnung davon, wie man es richtig macht?

8. Viel zu hell

Womit wir beim nächsten Punkt wären. Die Beleuchtung der Szene ist oftmals viel zu hell. Die Gesichter sind immer hart an der Grenze zum Ausbrennen, also zum Überbelichten. Da wird draußen vor das Fenster der Altbauwohnung ein fetter Arri-Scheinwerfer mit Tageslichtlampe gestellt und damit die ganze Zeit gedreht. Sonne den ganzen Tag. Spielt der Film drin, ist irgendwie immer schönes Wetter. Spielt er draußen, ist es oft grau. Klar, bei bedecktem Himmel hat man ein schönes gleichmäßiges Licht und muß nicht auf Schatten und Sonnenstand achten. Aufgehübscht wird in der Postproduktion und damit es schnell und einfach geht, wird einfach nur ein Sepiafilter drübergelegt, etwas mehr Kontrast ins Bild rein, eine hübsche Vignette drauf und schon kann man das als Kinolook verkaufen.

9. Krimis und Nazithemen

Wer in Deutschland für einen Film bei der Filmförderung Geld beantragt, wird meistens enttäuscht. Geld ist knapp und wird nur in vermeintlich altbewährtes investiert, das da wären Krimis und Themen, die irgendwas mit der faschistischen Vergangenheit zu tun haben. Andere Genres, abgesehen von Dokumentationen, gibt es offenbar nicht. Science Fiction, also richtig gute? Fehlanzeige. Komödien, die besser sind als der ewig gleiche Schweiger-/Schweighöferaufguß? Muß man suchen. Thriller, die keine verkappten Krimis sind und bei denen man nicht nebenbei am Smartphone rumspielt? Gibt es nicht. Allenfalls noch Dramen, bei denen auch andauernd gestorben wird. Du liebe Güte, wenn ich einen Film schaue, will ich mich unterhalten lassen und nicht bloß die Wirklichkeit gezeigt bekommen. Dann kann ich auch gleich einen leeren Bilderrahmen vors Gesicht haltend durch die Welt gehen.

Fazit

Der deutsche Film steckt seit Jahrzehnten in einer Krise mit wenig Aussicht auf Besserung. Wenn doch mal die ein oder andere bessere Produktion zufällig im Spätnachtsprogramm läuft, dann sind es meistens Koproduktionen mit anderen Ländern und Deutschland hat nur die Drehorte gestellt. Welchen Stellenwert hierzulande die Kunst hat, zeigte die Coronakrise, als das bißchen Geld, das gerade noch für schlechte Billigproduktionen reichte, auch noch gestrichen wurde.

Es ist ein Trauerspiel.