Filmbesprechung: Civil War

Bürgerkrieg: Ein bewaffneter Kampf zwischen Gruppierungen eines Staates. Der britische Regisseur Alex Garland (Ex Machina, Auslöschung) setzt das Publikum mitten hinein in einen fatalen Kampf. Hintergrundinformationen, wie es zu dem Konflikt kam, welche Gruppierung für was steht, das gibt er uns nicht in die Hand.

Seine Erzählfiguren sind die, die unparteiisch sein müssen, JournalistInnen. Genauer gesagt, Kriegsberichterstattende. Noch genauer gesagt: Kriegsfotografierende.

Alex Garland eröffnet die Figurenzeichnung mitten in einem Straßenkampf, bei der die Fotografin Lee Smith gefährlich nahe ran geht. Vielleicht ist ihr Name eine Referenz an Lee Miller, der britischen Kriegsfotografin, die im zweiten Weltkrieg, unter anderem, Bilder vom Londoner Blitz und der Invasion der Alliierten lieferte. Lee, gespielt von Kirsten Dunst, ist sowohl forsch, als auch abgeklärt und besonnen. Sie beschützt gleich noch eine junge Kollegin, die noch zu jung und zu unerfahren ist, um ohne eine Portion Glück aus der Szene herauszukommen. Jessie, gespielt von Cailee Spaeny (Priscilla), wird sich instinktiv an Lees Fersen heften und mit ihrer Figur spricht sie nicht nur ein junges Publikum an, sondern verweist auch auf eine unbestimmte Zukunft.

Der erste Abend nach dieser Einführung führt die Handlung natürlich an die obligatorische Hotelbar, den Treffpunkt aller Kriegsberichterstattenden. Mehrere Generationen treffen hier aufeinander und schließen sich zusammen. Lee will nach Washington, um dem Präsidenten ein Interview abzuringen, bevor seine Zeit abläuft. Es scheint klar, dass sein Regime sich nicht wird halten können. Garland etabliert damit ein Endziel, das zu erreichen zwar ein Höhepunkt zu sein verspricht, aber eigentlich ist die Reise quer durch das Land sein Ziel.

In den 1980ern gab es eine Reihe von Hollywood-Filmen, die sich dem Beruf Kriegsreporter widmeten. Zu den bekanntesten Filmen gehören folgende. The Killing Fields (Roland Joffé, 1984) behandelte die Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha Ende der 70er.

Ein Jahr in der Hölle von Peter Weir (1982) spielt in Indonesien in den 60ern, als sich der Präsident Sukarno gegen den Westen positionierte. Darin spielte Mel Gibson einen Reporter, der den Kriegsfotografen Billy Kwan, unvergesslich in der Rolle: Linda Hunt, an seiner Seite weiß.

Und auch Salvador von Oliver Stone (1986) greift reale Ereignisse auf, in dem er den Reporter Richard Boyle (eine reale Figur) in den salvadorianischen Bürgerkrieg von El Salvador schickt, wo er erkennt, dass der US-amerikanische Geheimdienst CIA seine Finger mit im Spiel hat. Richard Boyle fällt in dem stark verdichteten Plot die Aufgabe zu, die Bilder eines Kriegsfotografen, der im Kampf um Bilder gestorben ist, aus dem Land zu schaffen. Vorbild für den Fotografen war hier John Hoagland, von dem der Satz stammt:

Um die Wahrheit zu finden, musst du nah rangehen. Gehst du zu nah ran, gehst du drauf.

Tatsächlich stand John Hoagland auf einer der “Todeslisten”, er und noch 16 andere.

Einen anderen Fokus auf den Beruf setzt der Thriller Under Fire von 1983 (Regie: Roger Spottiswoode), der während des sandinistischen Befreiungskampfes in Nicaragua Ende der 70er spielt. Nick Nolte spielt einen Kriegsfotografen, dessen Figur an dem realen Fotografen Matthew Naythons angelehnt war. Under Fire stellt seine Hauptfigur zwischen die Fronten und fragt nach der eigenen Haltung. Hier schlägt der moralische Kompass den beruflichen Eid.

Civil War dagegen greift keine realen Konflikte auf, auch wenn es zahlreiche referenzielle Bilder gibt. Alex Garlands Hauptfigur Lee Smith stellt klar, was die Aufgabe der Presse und damit ihre als Fotografin ist. Ihre Rolle sei es folglich keine Fragen zu stellen, sondern zu zeigen, was ist, damit andere sich ein Bild machen und in Folge Fragen aufwerfen können.

Alex Garland verortet die Handlung in einer nahen Zukunft. Doch die Spaltung der US-Amerikanischen Gesellschaft ist für uns so greifbar, dass wir reale Ereignisse wiederzuerkennen glauben.

Ob Alex Garlands Blick auf Amerika und seine Presse Bestand haben wird, wird sich zeigen. Eine persönliche Agenda fehlt den Figuren. Sie werden aus sich selbst heraus angetrieben. Dabei ist Lee Smith die integre, aber aufgeriebene Figur, die zwischen dem Zynismus der Abgeklärten und der Resignation der Älteren und dem waghalsigen Draufgängertum der Jugend steht. Alex Garland und sein Stammkameramann Rob Hardy bedienen sich dabei einer glatten Werbeästhetik, die vielleicht für unsere Zeit steht. Eine Zeit, in der Ehrgeiz um seiner selbst willen ausreicht.

Letztendlich folgen die Figuren keiner Moral und keinem Ethos, sondern der Selbstverwirklichung. Hier gilt es schon als Coming-of-Age-Moment, wenn die junge Jessie feststellt, dass sie noch nie in ihrem Leben so viel Angst gehabt und sich gleichzeitig so lebendig gefühlt habe. Der abgeklärte einsame Cowboy, Lees Kollege Joel (gespielt von Wagner Moura), wirft seine Lethargie auch nur für den ultimativen “Moneyshot” über Bord.

Ob Alex Garland darüber hinaus eine Position einnehmen will, ist so nicht klar auszumachen. Um Positionen geht es eh nur am Rande. Zumal die Parteien im Kampf selbst gar nicht mehr wissen, wofür sie stehen. Über weite Strecken ist Civil War ein generischer Action-Film, der zu sehr auf Distanz zu den Motiven der Figuren geht, als dass man sich involviert. Es bleiben wenige Episoden auf dem langen Weg nach Washington, die sich einbrennen werden. Hier gibt es keine Todeslisten, hier wird aus reinem Hass getötet. Das ist vielleicht der erschreckendste Moment, der sogar ohne Action auskommt und umso eindringlicher aufzeigt, wo wir in der Geschichte der Bürgerkriegskonflikte stehen.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: Civil War Regie: Alex Garland Drehbuch: Alex Garland Kamera: Rob Hardy Montage: Jake Roberts Musik: Ben Salisbury, Geoff Barrow Mit Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, Stephen McKinley Henderson, Sonoya Mizuno, Nick Offerman, Jessie Plemons USA / Großbritannien 2023 109 Minuten Kinostart: 18. April 2024 Verleih: DCM Festivals: SXSW 2024 TMDB

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