Filmbesprechung: Union – Die Besten aller Tage

Eines vorweg: Der Dokumentarfilm über den 1. FC Union Berlin ist kein klassischer Fußballfilm. Die treuen “eisernen” Fans werden den Fußball nicht vermissen, der ist schon präsent. Das nicht so Fußball affine Publikum wird trotzdem viel mitnehmen können. In Annekatrin Hendels Porträt über den Köpenicker Außenseiterverein, der sich plötzlich mitten auf dem internationalen Parkett behaupten möchte, geht es um die Basics und wie man wächst, ohne seine Ideale zu verraten oder zu verkaufen. Ein Aspekt, der sich durch das Schaffen der Berliner Filmemacherin zieht.

Annekatrin Hendel ist bekannt für stimmige Porträts. 2011 kam Vaterlandsverräter über den Schriftsteller Paul Gratzik ins Kino. 2014 folgte ein Porträt über den Schriftsteller Sascha Anderson, der in der Literaturszene beliebt war, bis er nach der Wende als Informant der Staatsicherheit enttarnt wurde. Im Jahr darauf folgte Hendels Film über Rainer Maria Fassbinder. Sie arbeitete unter anderem die Geschichte der Familie Brasch auf und in “Schönheit & Vergänglichkeit spürt sie dem Zeitgefühl vor und nach der Wende in einem Porträt des Fotografen und langjährigen Türstehers von Technoclubs, Sven Marquardt, nach (unter anderem). Sie hatte auch einst eine Dokumentation über Chistian Lorenz a.k.a Flake gedreht, Keyboarder bei Rammstein. Flake steuert hier nun die Filmmusik bei. (Ein Wehmutstropfen, dass seine Musik hier uninspiriert rüberkommt.)

Hendel ist eine Regisseurin, die eine Figur oder ein Thema begleitet, aber nicht formt. Ganz sicherlich konnte sie nicht voraussehen, wie weit der 1. FC Union Berlin es bringen würde. Einst wollte man nur spielen, des Spielens wegen. Nun geht es stramm auf die UEFA-Champions League zu.

Die Geschichte des Fußballclubs wird hier nicht erst aufbereitet. Die Konkurrenz zu dem Westberliner Club Hertha BSC wird nur am Rande gestreift. Die Regisseurin stößt hinzu, als sich der 1. FC Union Berlin in die erste Bundesliga gekickert hat. Die Mitgliederzahlen wachsen, wachsen stark, explodieren fast. Das Stadion “An der Alten Försterei” kann die Fans gar nicht mehr alle aufnehmen. Den Regularien der gehobenen Ligen genügt der ausschließlich als Fußballstadion betriebene Sportplatz auch nicht mehr. Da baut man halt mal hier und mal dort an oder “versetzt Wände”.

Da der Film im Hauptteil die Saison 2022/23 begleitet, sind die aktuellen Erweiterungspläne noch arg zukünftig. Vertragsverhandlungen mit Sponsoren laufen nun auch eine Klasse schärfer ab. Da weiß auch der langjährige Präsident des Vereins erst einmal nicht, ob er nun einen guten Deal auf dem Papier hat.

Dirk Zingler, Vorstandspräsident seit 2004, arbeitet übrigens ehrenamtlich. Da staunt man, wenn man um die Geldsucht der großen Fußballverbände weiß. Geld ist unterschwellig ein Thema. Nach Jahren der Kontinuität muss man sich von Spielern, weil diese abgeworben werden, trennen. Gleichzeitig wird man für andere Spieler attraktiv. Das allgemeine Karussell der Anwerbung und Verhandlung spielt man noch mit, wenn es in die Verlängerung bzw. zu einer Nachverhandlung kommt, wird der Verein doch wieder zum hemdsärmeligen Underdog, der seine Linie verteidigt.

Die Spieler stehen hier nicht im Fokus, sondern die Mannschaft um Dirk Zingler. Wenn man den klassischen Begriff von Stars anwenden möchte, im Sinne von Leuchten und Funken sprühen, dann überlässt die Regie die Bühne diesem Team. Dem Stadionsprecher, die Kommunikationsleiterin, die Leiterin der Kommunikation zwischen Verein und ihrer Außendarstellung und der Mannschaftsbetreuerin. Unter anderem. Annekatrin Hendel geht es um die Dynamik im Vereinshaus. Die Mitarbeitenden lieben ihren Job und diese Hingabe ist mit Geld eh nicht aufzuwiegen. Das macht Union – Die Besten aller Tage fast zu einem Märchen.

Dirk Zingler ist sich im Klaren darüber, dass sein Verein wachsen muss. Er erkennt aber auch die Gefahr, die davon ausgeht. Die Bodenständigkeit, die er vermittelt und der Enthusiasmus seiner Mitarbeitenden wirkt sich auf den Dokumentarfilm, der sich auch visuell vor keiner Kinoleinwand verstecken muss, positiv aus.

Eneh

Dokumentarfilm Originaltitel: Union – Die Besten aller Tage Regie: Annekatrin Hendel Drehbuch: Annekatrin Hendel, Jörg Hauschild Kamera: Martin Farkas, Roman Schauerte, Annekatrin Hendel Montage: Jörg Hauschild Musik: Flake Mit Dirk Zingler, Christian Arbeit, Stefanie Vogler, Katharina Brendel, Susanne Kopplin, Christopher Trimmel Deutschland 2024 120 Minuten Kinostart: 04. April 2024 Verleih: Weltkino TMDB

zuerst veröffentlicht: der Link führt zum BAF-Blog

#Filmjahr2024 #Filmkritik #Dokumentarfilm #Weltkino

© Eneh