Interview mit dem Regisseur Hans-Christian Schmid

23 – Nichts ist so wie es scheint wird am 23. November 2023 in Anwesenheit von Gästen aus Cast & Crew im Kant Kino, Berlin in einer Sondervorführung gezeigt werden.

Aus dem Archiv von 1998

“Nichts ist so, wie es scheint”: so lautet der Untertitel zu 23. Eine Binsenweisheit. “Die Wahrheit ist da draußen”, das ist eine der aktuellen Varianten für Paranoiker. Spulen wir die Zeit zurück. Ein Jahrzehnt oder ein paar Jahre mehr. In den Nachrichten und Nachrichtenmagazinen waren Hacker ganz groß in den Schlagzeilen. Diese Hacker brachen in Atomkraftwerke ein und ins amerikanische Pentagon, überhaupt war nichts sicher vor ihnen. Tatsächlich ist nichts so, wie es scheint, und im allgemeinen sind Hacker nicht unbedingt Leute, die dem einfachen Bürger nur an seine Online-Bankkonten wollen. Vielmehr darf man getrost davon ausgehen, daß nichts so ist, wie es einem weisgemacht wird. Auch heute noch arbeiten politisch motivierte Hacker daran, Lücken im Netz aufzuweisen, die man allgemein, für den Seelenfrieden, unter den Teppich kehren will.

Karl Koch war ein Computer-Ass. Er kam aus einem konservativen, gut bürgerlichen Elternhaus, gegen das er rebellierte. Auf die politischen Mißstände der Zeit reagiert er hochsensibel. Zuerst demonstriert er nur in Brokdorf, später verschob er hochsensible Daten an den KGB. Warum? Wie so viele in den 80ern las Koch das Buch Illuminatus! von Robert Anton Wilson, dessen Theorie einer Weltverschwörung für Koch Erklärungen für seine politischen Fragen lieferte. Später nannte sich Koch Hagbard Celine, nach dessen Romanhelden. Gödel, Escher, Bach, in Kochs Zimmer waren die Wände voll von mathematischen Theorien. Zahlenspiele und Symbole für die einen, für ihn ein Weltbild. Die Zahl 23 ist bei Wilson der Geheimcode schlechthin. Laut Wilson starben alle großen Anarchisten an einem Dreiundzwanzigsten..

Auch Karl Koch verschwand an einem Dreiundzwanzigsten. Sein Talent war die Arbeit am Netz. Damals arbeitete man noch mit einfachen Geräten, aber Karl und sein Freund David hackten sich überall rein. Und sie taten das nicht ohne Grund. Über einen Kontakt in Berlin gaben sie die Informationen an die Russen weiter. Karl Koch meinte damit die Informationsbalance zwischen den Großmächten herstellen zu können, dies diktierte sein Gerechtigkeitssinn. Dafür bekam er Geld, mit dem Geld finanzierte er sich seine immer stärker werdende Drogensucht. Die Drogen verstärkten auch zunehmend seine Realitätsentfremdung, seine Paranoia wuchs. War der Tod von Olof Palme noch eine Bestätigung, daß eine böse Verschwörung den Tod des Politikers zu verantworten habe, so glaubte er später gar, daß der Reaktorunfall in Tschernobyl kein Zufall war.

Hans-Christian Schmid zeigt dem Zuschauer das Leben von Karl Koch in der Zeit zwischen dessen Abiturabschluß und seinem Verschwinden. Dem Regisseur war dabei der Mensch wichtig, nicht unbedingt der Hacker.

Bereits zur Zeit von Nach fünf im Urwald hat Du von diesem Projekt geschwärmt. Doch es dauerte jetzt über zwei Jahre, bis Du 23 fertigstellen konntest. Wo lag das Problem?

23 war weitaus aufwendiger als mein letzter Film. Im Herbst 1996 haben wir mit den Recherchen angefangen. Ein halbes Jahr lang waren wir in Hamburg, Hannover und Berlin unterwegs. Wir haben jede Menge Interviews geführt. Dann brauchten wir ein weiteres halbes Jahr für das Drehbuch. Für die eigentlichen Dreharbeiten hatten wir 25 Drehtage, das waren mehr, als wir bei Nach fünf im Urwald hatten. Für den Schnitt brauchten wir schließlich auch ein halbes Jahr. Wir hatten um die 16 Schnittfassungen.

Warum denn das?

Das ist immer so eine Frage, wann kann man jetzt sagen, das sei eine neue Fassung. Wir haben das erste Mal am Avid geschnitten, also elektronisch. Da ist man großzügiger. Viele Variationen sind möglich, je nach Gewichtung der einzelnen Teile. Wir überlegten uns, wie viele Fernsehbilder wir wo einstreuen können. Und dann gab es da eine komplette Liebesgeschichte im Buch, die haben wir auch schon gedreht, aber dann hatten wir dafür keinen Platz mehr, und wir mußten sie Schritt für Schritt wieder entfernen.

Wo gab es da eine Liebesgeschichte?

Das war so: Karl Koch hat nicht lange vor seinem Tod noch eine junge Frau kennengelernt. Mit ihr haben wir, glaube ich, die meisten Interviews geführt. Sie hat uns auch am meisten über ihm erzählt, wußte auch am meisten zu erzählen. Wir haben mit einem Drehbuchbetreuer zusammengearbeitet, David Howard, wir kannten ihn schon von Nach fünf im Urwald und Himmel und Hölle, und er sagte uns, wir könnten ruhig versuchen, so spät im Film noch eine Liebesgeschichte einzuführen, aber es würde nicht funktionieren. Uns war das egal. Es gab diese Geschichte ja, also wollten wir die da drin haben. Da gibt es diese Szene, wo Karl mit nacktem Oberkörper im Regen über diese Brücke läuft und zusammenbricht. Eine junge Frau fand ihn dort, brachte ihn ins Krankenhaus, und in diese Frau verliebte er sich. Wir hatten ein paar Szenen gedreht, im Wohnheim und in der Verfassungsschutzwohnung ganz zum Schluß. Alle, denen wir den Film so gezeigt hatten, waren entsetzt. “Was macht denn diese Frau jetzt hier bitte noch?” Es passte einfach nicht in den Film.

Viele, die diese Geschichte aus dem Buch von Clifford Stoll (Kukucksei) kennen, werden von 23 zwangsläufig etwas enttäuscht sein.

Ich habe nie behauptet, daß man die Geschichte von Clifford Stoll zu sehen bekommt. Es ist eine ganz andere Geschichte. Die erste Drehbuchfassung habe ich bereits zusammen mit einem Freund vor sieben oder acht Jahren entwickelt. Damals nannte ich das noch “Datenreisende” und es gab auch jemanden, der Stolls Rolle bekommen hätte. Wir konnten den Film nicht finanzieren. 1997 hat uns Clifford Stoll überhaupt nicht mehr interessiert. Wir wollten einen Film über Karl Koch machen. Jede Minute, die man ihm wegnimmt, um von einer anderen Figur zu erzählen, war mir zu schade. Mir geht es nur um Karl, um eine Freundschaft, um ein Lebensgefühl in Hannover, in den 80ern. Stoll war da kein Thema.

Viele Fakten hast Du doch ändern müssen.

Man ändert so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Ein Film muß für ein Publikum funktionieren. Ich muß meine Geschichte gut erzählen, so daß die Leute sich nicht zwischendurch langweilen. Karl Koch war zwischenzeitlich eineinhalb Jahre in einem Wohnheim in Hannover. Aus dieser Zeit wissen wir nichts über ihn, der Wohnheimleiter erinnert sich nicht an ihn. Die Clique existierte damals auch nicht. Dramaturgisch überspringt man diese Zeit also.

Du beendest den Film am 23. Mai. Kommt das hin?

Mit allen sensiblen Details war ich sehr genau. Karl ist am 23. Mai in diesem Waldstück verschwunden und wurde an dem Tag vermisst gemeldet. Seine Leiche fand man am 2. Juni und die dpa-Meldung ging am 4. Juni raus. Damals gab es eine ganze Reihe von Artikeln, im Spiegel und im Stern, sowohl über das Auffliegen des Hackerringes als auch zu Karls Tod.

Woher kommt Deine Faszination für die Illuminati-Papiere?

Das Buch war damals Pflichtlektüre in der Clique. Genauso lasen wir Per Anhalter durch die Galaxis und Herr der Ringe. Mich faszinierte das. Ich bin nicht so abgedriftet wie Karl Koch, für mich war das eher eine intellektuelle Spielerei.

Karl Koch war ein hoch intelligenter Mensch. Wie erklärst Du es Dir, daß er auf so eine, sagen wir, Verschwörungstheorie hereinfällt?

Eben weil er ein hoch intelligenter, hoch sensibler Mensch war. Letzten Endes war für mich die Tatsache ausschlaggebend, daß es in fast jedem Schuljahrgang jemanden gibt, der bei einem Abitreffen, sagen wir nach zehn Jahren, fehlt. Da gibt es ein paar Leute, die nicht mehr am Leben sind. Vor nicht langer Zeit hat Andres Veiel einen Dokumentarfilm zu diesem Thema gedreht: Die Überlebenden. Der besuchte sein Abitreffen und da fehlten drei Freunde. Er machte sich daran herauszufinden und nachzuvollziehen, warum die es nicht gepackt haben. Warum haben sie nach dem Schulabschluß nicht ihren Platz im Leben gefunden? Ich glaube, es sind oft die sensibelsten und intelligentesten Menschen, die damit an irgendeinem bestimmten Punkt scheitern. Das fand ich auch bei Karl so spannend. Ich glaube, seine Intelligenz hat ihn eher behindert. Er war sicher intelligent genug gewesen, zu verstehen, daß Wilson da ein Spiel gespielt hat, doch ich glaube auch, daß Karl der Humor gefehlt hat. Wilson muß man mit Humor lesen. Wir haben mit Wilson auch darüber geredet, für ihn war das ein Spiel.

Karl Koch kam aus einer politischen Ecke. Die ganze Computerszene war in den 80ern noch hochpolitisch motiviert. Heute kann man davon ausgehen, daß Computeruser eher nur marktwirtschaftlich orientiert sind.

Die Leute vom Chaos Computer Club würden dir widersprechen. Die sind immer noch sehr politisch engagiert. Doch der durchschnittliche Internetuser ist wahrscheinlich nur kommerziell interessiert. Ich bin im gleichen Alter, in dem Karl Koch heute wäre, also 33. Das heißt, die Zeit damals war für mich genau wie für ihn eine sehr politisierte Zeit. Es gab eindeutige Feindbilder. Wir wußten, gegen wen wir sein können. Es gab den Ost-West-Konflikt, es gab die Friedensbewegung, es gab die großen Demonstrationen. Im Süden war das Wackersdorf, im Norden, wo Karl wohnte, war das Brokdorf und Gorleben. Das hat sich geändert. Es gibt heute immer noch wache und politisch interessierte junge Menschen, aber es ist etwas diffuser.

Die Brisanz, die dieser Fall damals hatte, ist heute eigentlich kein Thema mehr. Man weiß, was Hacker machen, was sie bewirken können. Was das Netz bringt und was es nicht bringt.

Darum geht es mir mit 23 doch gar nicht. Mich interessierte die menschliche Geschichte. Ich glaube nicht, daß die Leute ins Kino gehen, um sich einen möglichst lückenlosen Überblick über diese Zeit zu verschaffen. Für mich war ganz klar Karl Koch interessant, und dann erst mal länger nichts. Dann gab es diese Freundschaftsgeschichte zwischen Karl und David, dann diese Vierergruppe, die in Wirklichkeit eine Fünfergruppe war. Mich interessierte, warum sich Karl darauf eingelassen hatte, wie er so seine Allmachtsphantasien hatte, wie das mit den Vieren zu Ende ging, warum Karl von der Sache nicht mehr loskam. Die Tatsache, daß die Geschichte in Hannover spielt, noch dazu Mitte der 80er Jahre, und dann ging es noch um Computer, das hat uns beinahe davon abgebracht, diesen Film überhaupt zu machen. Wir fanden die 80er doof, Hannover ist doof, Computer sind doof. Unsere Produzenten, Jakob (Claussen) und Thomas (Wöbke) haben auch gesagt: “Mensch ej, muß das echt sein. Also könnt ihr diese Geschichte nicht vielleicht in der Gegenwart erzählen?” Aber in der Gegenwart hätte das nicht funktioniert. Da war Tschernobyl wichtig für Karl Koch, und auch die Ermordung von Olof Palme. Und eben auch dieses Lebensgefühl dieser Zeit war wichtig. Nun, mittlerweile gibt es ja so etwas wie ein 80er-Revival. Mir unverständlich, woher es kommt. Wahrscheinlich hat man die 70er durch und braucht etwas Neues. Die 80er waren scheiße. Die Mode war scheiße und die Musik war scheiße.

Findest Du?

Also... Sollen wir jetzt über Modern Talking diskutieren, über Miami Vice? Aber es war Teil dieser Geschichte und wir haben das dann mitgenommen. Das ist Hannover, das sind die 80er. Wir verstecken das nicht, machen es aber auch nicht zum Thema.

Zum Glück hast Du nicht den Fehler begangen, uns das Innere eines Computers visuell darzustellen, wie zum Beispiel Ian Softley mit dem Film Hackers das gelöst hat. So etwas kann tierisch in die Hose gehen, ist nach einem Jahr schon veraltet. Dafür ist die visuelle Darstellung von Karl Kochs Drogengeschichte doch fast ein Bruch.

Karl Koch war ein heftiger Drogenbenutzer. Als er aber sein Abitur machte und sein Vater starb, da war Karl noch clean. Der erste Kontakt zum Koks kam erst später. Vielleicht haben wir es nicht geschafft, das gut zu steigern. Insgesamt haben wir die Drogengeschichte trotzdem sehr zurückgenommen. Karl hat wesentlich mehr Zeug eingeworfen. Wir wollten am Anfang des Films ein bestimmte Niveau vorgeben und dann diesen Weg beschreiten, auf dem es immer weiter abwärts führt. Es ist ein großes Risiko, wenn ein Held von Anfang an zugedopt ist. Also, ich habe gerade erst Fear and Loathing in Las Vegas von Terry Gilliam gesehen und hatte so meine Probleme damit. Ich dachte, daß muß doch jetzt irgendwann irgendwie, bitte bitte, anders werden. Es ist doch wichtig, für eine Figur immer wieder Momente der Hoffnung aufzubauen. Karl Kochs Freunde hatten über die Jahre hinweg immer wieder das Gefühl, jetzt packt er es doch vielleicht, irgendwie schafft er es. Doch dann hatte Karl eine Phase der Angst, da schloß er sich in seine Wohnung ein und knallte sich bis zum Anschlag mit Koks zu, um irgendwie einmal alles zu löschen, um sozusagen seine Festplatte neu zu programmieren. Das mußten wir visuell irgendwie umsetzen.

Dein Film ist ziemlich pessimistisch, besonders im Vergleich zu Stolls Buch, das eher amerikanisch, lustig und heiter ist.

Aber was soll diese heitere Art? Clifford Stoll ist doch irgendwie ein widerlicher Komiker. Also, so habe ich den kennengelernt. Fakt ist doch, daß am Ende Karl Koch tot ist.

Ich würde gern auf das politische Motiv zurückkommen, das den Karl Koch bewegte. Von heute aus betrachtet, vielleicht weil die Zeit komplett anders ist, spielt da eine gewisse Naivität mit. Ich meine diesen Gedanken: Ich gebe den Russen jetzt das, was die Amerikaner haben, um dieses Gleichgewicht zu halten. Obwohl man diese Zeit selbst erlebt hat, kommt es einem eigenartig vor und wirklich blauäugig.

Die Jungs waren damals, glaube ich, auf einem Mega-Trip. Sie dachten, wir kapieren, wie die Computer funktionieren und ihr seid alle doof. Wir schaffen es hier mit unserem C64 oder unserem Atari, der noch nicht einmal eine Festplatte hat, in euren hochgesicherten Pentagon-Dingsda reinzukommen. Und das in Verbindung mit was weiß ich, am Anfang waren das wohl Amphetamine und ein bißchen Koks. Das macht dann auch ein bißchen glücklich und wach. Dann sagt man sich, ja logisch, gebt die Informationen dem KGB. Ideologisch passte das denen in den Kram. Ost und West würden die gleichen Informationen haben, Kohle gab es auch noch und dafür gab es dann wieder Koks oder sonst was. Das ist doch perfekt. Die Naivität kann ich soweit nachvollziehen, als daß ich vor ein paar Wochen meine Schülerzeitungsartikel heraus gekramt habe. Ich las so einen Artikel und dachte, was warst du doch naiv. Also so ein gut-böse-naiv. Ihr seid die Bösen, und wieso können wir das nicht alle ganz anders machen und glücklich sein. Das war damals so. Vielleicht ist es ein Teil des Älterwerdens, daß man realistischer wird.

Du hast größtenteils mit unbekannten Darstellern gearbeitet. Eine bewußte Entscheidung oder war es das Diktat des Alters?

Beides. Ich arbeite gern mit unbekannten Leuten. Es ist spannend, neue Gesichter zu entdecken. Vom Starkult halte ich gar nichts. Natürlich würde ich es nicht kategorisch ablehnen, mit Stars zu drehen. Ist jemand ein guter oder schlechter Schauspieler, ist jemand für die Rolle geeignet oder nicht... In Nach fünf im Urwald waren die Figuren 17, jetzt in diesem Film waren sie 20, da hat man kaum Möglichkeiten. Also, ich würde nie einen Schauspieler nehmen, der 25 ist und so tut, als wäre er 20.

23 hat einen fast monochromen Touch, wie habt ihr die Farbgebung hier erarbeitet?

Ich wollte diesen Film unbunt machen. Das hängt mit einem Fernseherlebnis zusammen. Irgendwann wurde der erste Schimanski im Fernsehen wiederholt und ich hatte nur gestaunt, wie blaß die ganzen Farben sind. Das war wohl eine schlecht gelagerte Kopie, aber der Klaus Eichhammer (mein Kameramann) und ich haben uns überlegt, wie man so etwas herstellen könnte. Es wäre doof, zu sagen, die 80er waren blasser, aber mir ist der Umgang mit Farbe sehr wichtig. Mir gefallen auch in der Malerei die eher monochromen Farbkompositionen und in der Photographie die Schwarz-Weiß-Bilder. Ich mag es nicht, wenn ein Film einfach nur bunt ist. Hannover Mitte der 80er Jahre war nicht bunt. Mit dem Verzicht auf gewisse Farbtöne haben wir eine eigene Stimmung geschaffen.

Man kann natürlich vom Konzept her Leuten Farben zuordnen. So hat Tom Tykwer das in Winterschläfer gemacht. Vier verschiedene Figuren, vier verschiedene Farben. Das kann einem aber auch künstlich vorkommen. Wenn ich jetzt Karl Koch immer nur grün oder rot gegeben hätte, dann hätte man irgendwann jeden Einrichtungsgegenstand definieren müssen. Wir sind einen anderen Weg gegangen. Wir machten eine Bleichbadüberbrückung, dadurch wurde der Film entsättigt. Auf Rot verzichteten wir. Wir haben uns in braunen und grünen Tönen aufgehalten. Das andere Konzept war, daß wir Handkamera verwendeten. So kommt man einer Authentizität näher für mein Gefühl. Also, man sollte nicht mit der Kamera rumwackeln, das ist auch genau das, was ein Dokumentarfilmkameramann auch nicht tut. Der versucht ja immer alles möglichst gut mitzubekommen, nur weiß er nicht, was passieren wird. Für einen Spielfilm bedeutet die Handkamera eine etwas größere Freiheit für die Schauspieler. Die Kamera reagiert auf den Darsteller und nicht umgekehrt, daß die Kamera agiert, indem sie eine Fahrt vorgibt, nach der sich der Schauspieler richten muß.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück für Deinen Film.

Eneh

Das Interview wurde von Elisabeth Nagy und Dirk Lüneberg am 22. Oktober 1998 in Berlin anlässlich des Filmstarts von 23 – Nichts ist so wie es scheint geführt.

Aus dem Archiv. Veröffentlichung 1998 im Magazin Zonic, Ausgabe 10 (online nicht verfügbar). Der Text wurde bis auf Verlinkungen nicht verändert und ist darum auch nicht gegendert.

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© Eneh