Digitalisierung und Gesellschaft

In den letzten Wochen und Monaten gab es viele Veröffentlichungen zu dem Thema elekotronische Patientenakte 3.0 (ePA für Alle).

Einige der für mich relevantesten Beiträge verlinke ich am Ende dieser kurzen Zusammenfassung, in der ich für alle interessierten Lesenden und auch mich zusammenfasse, was die versprochenen Vorteile sind, was leere Versprechungen sind und welche kritischen Funktionen durchaus in die eigene Entscheidung einfließen sollten, die Anlage der elektronischen Patientenakte zu akzeptieren oder aktiv zu widersprechen.

Ich lasse hier auch bewusst aus, welche technischen und / oder organisatorischen Schwachstellen in dem ganzen Konzept und den Systemen schlummern auf welche unter anderem auf dem 38C3 hingewiesen wurden.

Es geht einzig und alleine um die “Sinnhaftigkeit” der Idee der elektronischen Patientenakte und der aktuellen Umsetzung – welche offenbar ein Opt-Out rechtfertig.

Geplante Vorteile:

  • Verhindern von Doppeluntersuchungen
  • einfach(er)es Bereitstellen von Facharztuntersuchungsergebnissen bei hausärztlicher Weiterbehandlung
  • im Notfall stehen den behandelnden Ärzten / Rettungskräften automatisch Informationen zu Vorerkrankungen oder ein Medikationsplan zur Verfügung
  • Nutzung von diagnostischen Ergebnissen etc. zur einfacheren Weiterbehandlung

Leere Versprechungen:

  • Sinnvolle Forschung mit den pseudonymisierte Daten ist aus folgenden Gründen kaum möglich:
    • Daten von Privatversicherten (ca. 10% der Bevölkerung) werden Stand 2025 nicht integriert
    • Verzerrung da Versicherte Daten aus der ePA ausblenden können
    • allg. geringe Studienanzahl in Deutschland (Vergleich Dänemark)

Für Forschung, die die Versorgung verbessert und international konkurrenzfähig ist, braucht es gezielt erhobene, qualitätsgesicherte Informationen, nicht irgendeinen Datenhaufen.

(Zitat Prof. Jürgen Windeler, heise.de Interview = Q1)

Kritische Funktionen / Optionen:

  • Freigabe kann nur für alle Leseberechtigten erteilt oder entzogen (verschattet) werden. Granulare Freigabe für einzelne Ärzte, etc. aktuell (Stand Februar 2025) nicht möglich
  • Zugriff auf alle Informationen besteht für 90 Tage
  • Daten (auch wenn sie angeblich sicher pseudonymisiert werden) sind 100 Jahre im Forschungsdatenzentrum gespeichert
  • geplant ist dass KI-Modelle von Google, OpenAI, etc. mit diesen Daten trainiert werden dürfen

hochsensible Daten, speziell solche aus dem psychotherapeutischen und psychiatrischen Bereich, nicht ausreichend geschützt sind. Diese Daten können zum Beispiel standardmäßig von fachfremden Behandelnden und deren beruflichen Gehilfen eingesehen werden, was ein erhebliches Stigmatisierungsrisiko birgt.

(Zitat Susanne Berwanger, Vizepräsidentin des Berufsverband Deutscher der Psychologinnen und Psychologen (BDP e.V.) sowie Vorsitzenden der Fachsektion für psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP im BDP), siehe auch Q7)

Q1 https://www.heise.de/hintergrund/Interview-zu-Forschungsvorhaben-Elektronische-Patientenakte-kein-Heilsbringer-10219183.html Q2 https://www.heise.de/news/Elektronische-Patientenakte-3-0-Versicherte-wissen-nicht-was-auf-sie-zukommt-10184211.html?seite=all Q3 https://www.heise.de/hintergrund/Gutachten-fuer-elektronische-Patientenakte-Sicherheitskonzept-auf-dem-Pruefstand-9993167.html Q4 https://www.heise.de/news/Aerzteverbund-Bisherige-Diskussion-um-elektronische-Patientenakte-zu-unkritisch-9941168.html Q5 https://media.ccc.de/v/38c3-konnte-bisher-noch-nie-gehackt-werden-die-elektronische-patientenakte-kommt-jetzt-fr-alle Q6 https://www.kuketz-blog.de/opt-out-widerspruch-bei-der-elektronischen-patientenakte-epa-einlegen/ Q7 https://www.heise.de/hintergrund/Elektronische-Patientenakte-3-0-Psychologin-sieht-hohes-Stigmatisierungsrisiko-10200970.html Q8 https://www.bdp-verband.de/lp/elektronische-patientenakte-epa Q9 https://www.aidshilfe.de/medien/md/epa/ Q10 https://www.heise.de/news/Sicherheitsmaengel-bei-E-Patientenakte-Gesundheitsministerium-haelt-am-Start-fest-10224508.html Q11 https://www.heise.de/news/Bundesaerztekammer-Chef-Einfallstore-bei-elektronischer-Patientenakte-zu-gross-10231172.html Q12 https://www.heise.de/news/Kurz-vor-Start-Immer-mehr-Experten-warnen-vor-elektronischer-Patientenakte-10235091.html Q13 https://taz.de/!6059544/

Ich höre sehr gerne die Sherlock Holmes Hörspiele mit den Stimmen von Christian Rode (Holmes) und Peter Gröger (Watson). Beide Schauspieler und Synchronschauspieler sind bereits 2018 verstorben, es wurden aber einige Hörspiele noch im Voraus produziert, so dass bis vor wenigen Monaten noch neue Folgen erschienen (bis Folge 56), welche die beiden Herren eingesprochen haben.

Weitere Folgen (58 – 60) sind Stand heute bereits angekündigt.

Quellen: https://sherlockholmes.fandom.com/de/wiki/Die_neuen_F%C3%A4lle https://www.romantruhe.de/serien/krimi-thriller/sherlock-holmes/sherlock-holmes-die-neuen-faelle/

Was mich nun aber zum Nachdenken brachte, waren die Aussagen, wonach sich im Booklet der Folge 57 folgender Hinweis findet:

Die Stimmen wurden mit technischer Unterstützung aufgenommen.

Quelle: https://sherlockholmes.fandom.com/de/wiki/Die_B%C3%BCchse_der_Pandora_(H%C3%B6rspiel)

Unter anderem im Hörspieltak-Forum und Hörgruselspiele-Forum, wird durchaus kritisch darüber diskutiert, was genau sich unter dem Hinweis dass die Stimmen mit technischer Unterstützung erstellt worden sind, verbirgt.

Haben neue Sprecher die Texte eingesprochen und mit Hilfe einer generativen KI wurden diese dann die Stimmen von Christian Rode und Peter Gröger (basierend auf den vielen Stunden an vorhandenem “Echt”-Material) umgewandelt? Oder erstellte eine generative KI mittels Text-to-Speech “lebloses” Audiomaterial?

Ein Forumsuser weist darauf hin, dass außer im Booklet des Produkts nirgendwo auf den Websites oder Bestellmöglichkeiten, diese Information zu finden ist und man als Konsument erst einmal im Glauben gelassen wird, diese Folge sei, wie alle 56 Folgen zuvor, von den beiden lebenden Sprechern eingesprochen worden.

Quelle: https://www.hörspieltalk.de/forum/thread/12860-sherlock-holmes-die-neuen-f%C3%A4lle-romantruhe/ https://www.hoergruselspiele.de/index.php?thread/38757-sherlock-holmes-die-neuen-f%C3%A4lle-57-die-b%C3%BCchse-der-pandora/

Ich gebe zu, ich kenne nicht alle aber doch eine ganze Menge der Hörspiel-Folgen und kann durchaus einen Vergleich anstellen. Ich finde die Umsetzung kann sich hören lassen, gerade der spezielle Sprachduktus der beiden in ihren Rollen wird zum Großteil gut “repliziert”. Dennoch fällt immer wieder auf, dass es etwas “eckig” klingt, etwas zu “stelzig”, leblos.

Die “technische Unterstützung” (der Begriff “künstliche Intelligenz” fühlt sich im Zusammenhang mit Künstlerischem Schaffen irgendwie falsch an) schafft es ganz gut anhand des umfangreichen Vorlagen-Materials die bisherigen Darbietungen der beiden Sprecher zu wiederholen und “neu zu mixen”. Aber was ihr fehlt sind die genialen Spontanitäts-“Funken” einer realen, echten Darbietung der beiden herausragenden Sprecher, welche nur durch die jahrzehntelange Übung und das Austesten eigener Ideen und Lernen aus Fehlern möglich wurde. Ein verschmitztes Kichern hier, ein verächtliches, aber dennoch lieb gemeintes Schnaufen da, eine gekonnte und gewollte Pause die bewusst eine Sekunde länger dauert. Das kann weder die technische Unterstützung noch ein Regisseur oder Produzent so einsetzen wie es die beiden Sprecher, vielleicht sogar in mehreren verschiedenen Versuchen ausgetestet hätten.

Man kann noch viele Fragen an diesem Beispiel aufwerfen über die es sich lohnt nachzudenken und zu diskutieren:

  • Hätten die beiden Herren dieser Art von “Weiterverwendung” ihrer Stimmen zugestimmt?
  • Werden die potenziellen Kundinnen und Kunden hinter's Licht geführt, wenn durch die “technische Unterstützung” (ohne genauere Details zu nennen) leblose “Abbilder” von Hr. Rode und Hr. Gröger noch unzählige weitere Folgen ermöglichen?
  • Geht es der Produktionsfirma nur um den reinen Profit der mit dem Sprecher-Duo möglich ist? Oder ist es wirklich ein künstlerischer Aspekt bzw. das Erfüllen einer eventuell vorhandenen Hoffnung in der Fangemeinde, dass noch lange weiter Folgen produziert werden?
  • Zeugt es nicht von Schwäche wenn man nicht akzeptieren kann oder möchte, dass mit dem Tod eines Schauspielers / Sprechers auch dessen verkörperte Rolle in der speziellen Form einfach nicht mehr “verfügbar” ist und man sich damit entsprechend arrangieren muss und nicht – um es zugespitzt zu formulieren – wie Frankenstein den Künstler “wiederbeleben” will. (Was keine gute Idee ist, wie wir alle spätestens seit Stephen Kings “Friedhof der Kuscheltiere” wissen).

Unabhängig davon bin ich der Meinung, egal wie perfekt eine entsprechende Technologie imstande ist vorhandenes, erschaffenes Kunstmaterial zu “replizieren” und gegebenenfalls “in neuer Form zu mischen” wird Sie niemals in der Lage sein “von der Muse geküsst” zu werden. Kunst in jeglicher Form sollte und kann nur von lebendigen Künstlerinnen und Künstlern erschaffen werden.