Schluss mit Meeting-Overload: So führst Du wirksame Sitzungen

Kotschenreiter: Gemeinderatsversammlung im Wirtshaus

Neulich in einem meiner Leadership-Kurse im Thema mündliche Kommunikation entspann sich eine unerwartet lebhafte Diskussion. Eigentlich ging es um das Thema Auftritt und Wirkung. Doch ein Teilnehmer meldete sich zu Wort und meinte mit hörbarer Frustration: „Ganz ehrlich, ich habe das Gefühl, die Hälfte meiner Zeit geht für Meetings drauf, die kaum etwas bringen.“ Sofort nickten mehrere andere, und schon bald tauschten wir Beispiele aus: endlose Online-Sitzungen ohne klare Agenda, spontane Ad-hoc-Meetings im Büro, bei denen am Schluss niemand wusste, was nun eigentlich entschieden wurde.

Mich hat diese Diskussion nachdenklich gestimmt. Offensichtlich sind Meetings für viele Menschen nicht einfach eine Randerscheinung, sondern ein massiver Faktor im Arbeitsalltag. Die Erfahrungen decken sich auch mit wissenschaftlichen Studien, die seit Jahren zeigen: Zu viele Meetings belasten nicht nur die Produktivität, sondern auch die Gesundheit. [1] [2] [5] In diesem Beitrag fasse ich die wichtigsten Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zusammen – und gebe Dir fünf konkrete Schritte mit, wie Du als Führungskraft Meetings wirksamer gestalten kannst.

Warum Meetings so oft scheitern

Meetings erfüllen in Organisationen zentrale Funktionen: Sie dienen der Koordination, der Entscheidungsfindung und dem sozialen Zusammenhalt. In der Realität entpuppen sie sich jedoch häufig als Zeitfresser.

Studien zeigen, dass ein grosser Teil der Beschäftigten Meetings als unproduktiv empfindet. [1] Das hat mehrere Gründe:

Für Online-Meetings kommt ein weiterer Faktor hinzu: die kognitive Belastung durch Bildschirmkommunikation. Studien zeigen, dass der schnelle Wechsel von Themen und die fehlenden Erholungszeiten zwischen virtuellen Sitzungen die Entscheidungsgüte und das Energielevel deutlich schwächen. [5] [6]

Meeting-Overload: Ein strukturelles Problem

In unserer Diskussion im Kurs berichtete eine Teilnehmerin, dass sie an manchen Tagen fast ohne Unterbruch von einem Online-Meeting ins nächste rutsche: „Ich habe abends das Gefühl, überhaupt nichts geschafft zu haben“, sagte sie. Dieses Gefühl ist kein individuelles Versagen, sondern ein systemisches Problem, das die Forschung als Meeting Overload bezeichnet. [1] [3]

Besonders eindrücklich sind Studien zu meetingfreien Tagen. In einem Experiment reduzierte man Meetings um rund 40 Prozent, also etwa zwei Tage pro Woche ohne Termine. Das Resultat: deutlich höhere Produktivität, weniger #Stress und ein klareres Gefühl von Autonomie. [2] Weniger Meetings heisst also nicht weniger Koordination – im Gegenteil: Die verbleibenden Treffen werden fokussierter und effektiver genutzt.

Online-Meetings sind also weder Allheilmittel noch grundsätzlich problematisch – entscheidend ist die bewusste Gestaltung. Wenn Du die Besonderheiten des digitalen Formats berücksichtigst und aktiv moderierst, können sie durchaus effizient sein. Der Schlüssel liegt darin, für jede Situation das passende Format zu wählen: Online für schnelle Abstimmungen und Informationsaustausch, physisch für komplexe Entscheidungen und Beziehungsarbeit. So nutzt Du die Stärken beider Welten optimal aus.

Fünf wissenschaftlich fundierte Ansätze

Die Forschung liefert eine Reihe von Ansatzpunkten, wie Meetings produktiver werden:

  1. Klarer Zweck statt Routine Bevor ein Meeting einberufen wird, sollte die Frage stehen: «Welches konkrete Ergebnis brauchen wir am Ende?» Wenn es nur um das Teilen von Informationen geht, ist ein asynchrones Update oft besser geeignet. [2] [3]

  2. Schlanke Agenda mit klaren Rollen Eine präzise Agenda mit maximal drei Themen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Entscheidungen fallen. [1] Rollen wie Moderation, Entscheidungsinstanz und Protokoll sind vorab zu klären.

  3. Kürzere, fokussierte Meetings Forschung zu Online-Meetings zeigt: Kürzere Slots (15–25 Minuten) für Check-ins oder Statusfragen sind oft völlig ausreichend. [4] Längere Deep-Dive-Sitzungen sollten gut vorbereitet und selten eingesetzt werden.

  4. Expliziter Abschluss Ein fester Block von fünf bis zehn Minuten am Ende für Entscheidungen, Verantwortlichkeiten und Fristen reduziert Missverständnisse und beschleunigt die Umsetzung. [1] [4] [5]

  5. Übergangszeiten schützen Zwischen zwei Meetings braucht es Pausen von mindestens fünf bis zehn Minuten. Sie wirken wie ein Puffer, der die kognitive Last reduziert und die Rückkehr in fokussiertes Arbeiten erleichtert. [5] [6]

Online-Meetings: Besonderheiten und Chancen

Während viele Klagen vor allem Online-Meetings betreffen, lohnt ein differenzierter Blick. Remote-Meetings bieten durchaus Vorteile, wenn sie gut gestaltet sind.

Die Forschung betont allerdings, dass aktive Moderation entscheidend ist. [4] Redezeit muss bewusst verteilt, Diskussionen kanalisiert und offene Punkte klar „geparkt“ werden. In hybriden Meetings gilt das Prinzip „remote-first“: Alle Teilnehmenden – auch die vor Ort – sollten über Videokacheln sichtbar sein, damit niemand benachteiligt wird.

Wann physische Meetings sinnvoll bleiben

Trotz aller Vorteile digitaler Formate gibt es Situationen, in denen physische Präsenz den Unterschied macht:

Für Führungskräfte bedeutet das: Physische Meetings sollten bewusst gewählt werden – als gezielte Formate, nicht als Standard. Eine klare Trennung hilft: Routine und Status klärt man online oder asynchron, während kreative oder sensitive Themen im physischen Raum besser aufgehoben sind. [4]

Asynchron als Alternative

Eine wichtige Lehre aus der Diskussion im Kurs war auch: Nicht jedes Thema braucht ein Meeting.

So bleibt die Zahl der Meetings überschaubar, und die verbleibenden Termine erhalten mehr Gewicht.

Umsetzung in 5 Schritten

Zum Schluss die Essenz – eine kompakte Liste, wie Du als Führungskraft Meetings wirksamer gestaltest:

  1. Meeting-Audit durchführen Prüfe alle wiederkehrenden Meetings: Braucht es diesen Termin wirklich? Streiche oder reduziere, wo kein klarer Zweck erkennbar ist. [1]–[3]

  2. Zweck und Agenda vorab klären Jede Einladung enthält einen Satz zum Meeting-Zweck, maximal drei Agendapunkte und klare Rollenverteilung (Moderation, Entscheid, Protokoll). [1] [4]

  3. Fokus auf Kürze und Übergänge legen Bevorzuge kurze Online-Slots von 15 bis 25 Minuten. Plane bewusst fünf bis zehn Minuten Puffer zwischen Terminen ein. [4]–[6]

  4. Ergebnisse und nächste Schritte festhalten Beende jedes Meeting mit einer klaren Zusammenfassung: Was wurde entschieden, wer ist verantwortlich, bis wann wird geliefert. Sende diese Punkte zeitnah an alle Beteiligten. [1] [4] [5]

  5. Asynchrone Alternativen bevorzugen Status-Updates, einfache Entscheidungen und Informationsweitergabe gehören nicht ins Meeting. Nutze schriftliche Updates, geteilte Dokumente oder Kurznachrichten – Meetings nur dort, wo echter Austausch nötig ist. [2] [3]

Meetings sind kein notwendiges Übel, sondern ein machtvolles Führungsinstrument – wenn Du sie bewusst einsetzt. Weniger, kürzer und fokussierter lautet die Devise. So schonst Du nicht nur Deine eigene Energie, sondern ermöglichst Deinem Team, wirksamer zu arbeiten und produktiver zu entscheiden.

Dein nächster Schritt: Nimm Dir diese Woche 30 Minuten Zeit und führe das Meeting-Audit aus Punkt 1 durch. Schaue Dir Deinen Kalender der letzten zwei Wochen an und frage Dich bei jedem wiederkehrenden Termin: Welches konkrete Ergebnis hat dieses Meeting gebracht? Streiche mindestens einen Termin oder kürze ihn auf die Hälfte. Du wirst überrascht sein, wie viel Raum für fokussiertes Arbeiten plötzlich entsteht.


Fussnoten [1] L. A. Perlow, C. N. Hadley und E. Eun, „Stop the Meeting Madness,“ Harvard Business Review, Jul.–Aug. 2017. [Online]. Verfügbar: https://hbr.org/2017/07/stop-the-meeting-madness [2] B. Laker, V. Skerlavaj und A. Conboy, „The Surprising Impact of Meeting-Free Days,“ MIT Sloan Management Review, 18. Jan. 2022. [Online]. Verfügbar: https://sloanreview.mit.edu/article/the-surprising-impact-of-meeting-free-days [3] B. Laker, A. Conboy und V. Skerlavaj, „Dear Manager, You’re Holding Too Many Meetings,“ Harvard Business Review, 9. März 2022. [Online]. Verfügbar: https://hbr.org/2022/03/dear-manager-youre-holding-too-many-meetings [4] S. Rogelberg, „The Surprising Science Behind Successful Remote Meetings,“ MIT Sloan Management Review, 2020. [Online]. Verfügbar: https://sloanreview.mit.edu/article/the-surprising-science-behind-successful-remote-meetings [5] J. A. Allen, M. S. Thiese, E. Eden, and S. E. Knowles, “Why Am I So Exhausted?,” Journal of Occupational and Environmental Medicine, vol. 64, pp. 1053–1058, 2022. [Online]. Verfügbar: https://doi.org/10.1097/JOM.0000000000002641 [6] M. Zucchelli, N. M. A. Trotti, A. Pavan, L. Piccardi, and R. Nori, “The Dual Process model: the effect of cognitive load on the ascription of intentionality,” Frontiers in Psychology, 2025. [Online]. Verfügbar: https://doi.org/10.3389/fpsyg.2025.1451590

Bildquelle Hugo Kotschenreiter (1854–1908): Gemeinderatsversammlung im Wirtshaus, Privatbesitz, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.

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