The Silicon Valley Paradigm und wie es überwunden werden kann
In einem meiner letzten Beiträge habe ich kurz #TheSiliconValleyParadigm angesprochen und warum dies eines der grundlegenden Probleme in der aktuellen Diskussion rund um #Twitter ist. Nachdem ich auf verschiedenen Kanälen nach diesem Modell gefragt wurde, möchte ich es im folgenden kurz darlegen und dabei auch etwas näher auf die Denkweise eingehen, die ihm zugrunde liegt. Danach werde ich noch kurz den möglichen Ausweg aus diesem Paradigma skizzieren.
Das Silicon Valley Paradigm
Meine Ausführungen stützen sich weitgehend auf einen Podcast mit Per Bylund, Associate Professor of Entrepreneurship an der Spears School of Business der Oklahoma State University, mit dem Titel Silicon Valley Is Bad At Entrepreneurship. Bylund ist ein Vertreter der sog. Österreichischen Schule und somit nicht Teil des ökonomischen Mainstreams – dies als Caveat.
Bylund argumentiert, dass viele Technologieunternehmen in Silicon Valley sich darauf konzentriert haben, zuerst Produkte, also Technologien, zu entwickeln, ohne die Bedürfnisse der Kunden zu berücksichtigen. Um den damit einhergehenden ausbleibenden ökonomischen Erfolg gegenüber den Investoren doch noch herbeizuführen, sind sie gezwungen, ihren Produkten nachträglich ein Geschäftsmodell überzustülpen, welches darin besteht, erstens möglichst rasch zu wachsen (z.B. mit Freemium-Angeboten) und zweitens Daten über ihre Kunden zu sammeln und zu Geld zu machen. In der Regel geschieht dies mittels Werbung, was Bylund als nicht besonders innovativ kritisiert.
Bei vielen Unternehmen sind nämlich die Kunden die eigentlichen Schöpfer der Inhalte, die das Unternehmen jedoch kontrolliert, analysiert und als Daten an Werbetreibende weiterverkauft. Diese “Monetarisierung” kritisiert er als einen verräterischen Begriff, es handle sich dabei um die nachträgliche Suche nach einem Einnahmenmodell, nachdem das Produkt ohne klaren Kundenfokus gestartet wurde. Schlimmer, der Kunde steht überhaupt nie im Zentrum für die Unternehmen.
Techno-Solutionismus als vorherrschende Denkweise
Bylund ist der Meinung, dass in vielen Unternehmen des Silicon Valley eine technologiegetriebene Denkweise vorherrsche, die ihre Innovationsanstrengungen in Widerspruch zu den Prinzipien einer auf den Kunden ausgerichteten Wertschöpfungskette stellt. Diese Denkweise wird zuweilen auch als Techno-Solutionismus [1] bezeichnet, der davon ausgeht, dass technologische Lösungen für alle Probleme der Menschheit gefunden werden können. Diese Haltung ist jedoch insofern problematisch, da sie gerne dazu neigt, komplexe gesellschaftliche Herausforderungen zu vereinfachen und die Bedenken und Ängste von betroffenen Menschen zu ignorieren. Gleichzeitig wird versucht, die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungen über die Verwendung dieser neuen Technologien möglichst zu Gunsten der Unternehmen zu unterminieren.
Die Lösung: Consumer (oder Customer) first!
Bylund selber stellt diesem Silicon Valley Paradigm ein anderes Vorgehen entgegen, welches stets den Kunden im Fokus hat und sich nicht grundlegend von bekannten Ansätzen wie Value Proposition Design, Design Thinking und anderen unterscheidet. Eine interessante Bemerkung macht er aber noch, die gerade auch im Kontext von Twitter und dem #Fediverse interessant ist:
“The value promise of today’s digital products and digital markets is exciting for consumers. The term 'generative' has been coined to describe the new characteristics of products that give consumers leverage – make their jobs easier; that provide adaptability so that consumers can change them to suit their own purposes; and that are easy to master and easy to access. The spirit of generativity lies in unleashing end-user creativity.”
Vielen Big-Tech-Firmen sind solche “generativen” Produkte zuwider, weil sie zwecks Monetarisierung Daten ihrer Kunden sammeln und kontrollieren müssen, um so proprietäre, geschlossene Lösungen [2] anbieten zu können.
“They are centralizers in a world of decentralization. This leaves them open to disruption by the next generation of entrepreneurs who start their journey from the point of view of what consumers value.”
Fussnoten [1] Evgeny Morozov (2013): To Save Everything, Click Here: The Folly of Technological Solutionism, New York: PublicAffairs. [2] vgl. dazu auch: Glyn Moody (2022): Walled Culture: How Big Content Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Keep Creators Poor, Antwerp: BTF Press. Open Access hier (Public Domain).
Bildquellen 1. hippopx.com, Public Domain 2. Michael Gisiger, CC BY-NC-SA 4.0, via PixelFed
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