Twitter stirbt nicht mit Elon, Twitter starb bereits 2015
Bis vor wenigen Wochen habe ich privat praktisch keine Social Media mehr genutzt. Ich weiss, das klingt komisch, verdiene ich doch einen Teil meines Lebensunterhalts damit, über Social Media zu sprechen. Ist aber so. #Twitter verschwand zuerst aus meinem Alltag, kurz darauf flog auch die Facebook-App von meinem Handy. Instagram konnte sich am längsten halten, aber auch dort war ich seit einigen Jahren nur noch Zuschauer. OK, LinkedIn ist noch installiert – aber auch hier schaue ich nur sehr sporadisch vorbei. Die letzte Plattform, die ich wirklich intensiv, also täglich, genutzt hatte, war Google+. Bis 2018 angekündigt wurde, dass Google auch diesen Dienst auf seinen Friedhof schieben würde. Da habe ich endgültig aufgehört, privat auf Social Media unterwegs zu sein. Warum ausgerechnet Google+? Nun, ganz einfach, die grossen drei R: Relevanz, Relevanz & Relevanz. So stapfte ich also unbedarft ohne Social Media durch mein Leben und schaute nur noch aus der Ferne zu und ab und an vorbei, wenn ich wieder irgendwelche Lehrinhalte aktualisieren musste. Bis Mitte November. Da habe ich mir dieses #Fediverse angeschaut und wurde wieder angefixt.
Mastodon-Handle in mein Twitter-Profil gestellt und mit einigem Abstand dem Twitter-Exodus gefolgt. “Hier ist alles so schön 2007”, dachte ich mir, “da mache ich doch mit!” So weit, so normal. Gestern bin ich dann über dieses Posting gestossen:
Ah, ein neues Rant-Wort gelernt: “Grossaccount”! Aber was zur Hölle sind “DrüKos”? Ein “DrüKo” ist ein “Drüberkommentar”, also ein Quote Tweet. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, genau das hat mir Twitter damals verleidet (ein Aspekt, den ich in meinem letzten Beitrag zu Twitter hier einfach noch nicht auf dem Radar hatte). Die Leute, also vor allem jene mit Reichweite – die “Grossaccounts” eben –, wollten seit der Einführung der Quote Tweets 2015 einfach nicht mehr mit, sondern nur noch über andere Nutzer reden. Genauer gesagt herziehen. Damit können sie sich in ihrer Bubble profilieren, kein Dialog mehr, sondern Echokammern, die sich gegenseitig hochschaukeln. Reichweite = kulturelles Kapital = Auskommen.
Quote Tweets funktionieren wie Memes
Der Unterschied zwischen einem Re-Tweet (RT) und einem Quote Tweet besteht darin, dass bei letzterem der ursprüngliche Urheber des zitierten Tweets das Zitat nur mitbekommt, wenn er dem Zitierer folgt. Als Feature eignet sich ein Quote Tweet also hervorragend dazu, sich über den Urheber lustig zu machen bzw. über ihn zu schimpfen, ohne dass dieser etwas mitbekommt – und gleichzeitig damit die eigene Reichweite auszubauen. Und/oder zu monetarisieren. “Die härtesten und fiesesten Angriffe kommen ohne Mention. Sie wollen nicht mit dir reden, sondern über dich.” (Quelle, Regel Nr. 2)
So gesehen funktionieren Quote Tweets wie Memes:
“Like memes, quote tweets are typically used to speak to audiences within their cultural communities and political bubbles, or according to Young, to “bask in the comfort of homogenous social networks in which their opinion is the majority opinion.” If you have ever retweeted a meme or tweet that you disagreed with, you likely participated in this kind of online discourse.” (Quelle)
Damals, also 2015, als die Quote Tweets eingeführt wurden, ist Twitter gestorben.
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