Freiheit – John Hay

FREIHEIT.

[Aus dem Englischen für Libertas übersetzt von H. F. Lüders.]

Wer dürfte wohl zu sagen sich erkühnen: „So, so allein soll mir das Meer erscheinen“? Sei’s, dass es liegt in stiller Friedenspracht, Die Erde küssend und des Himmels Blau Rings wiederspiegelnd von smaragdner Flut; Sei’s, dass vom Wind bewegt, auf seiner Brust Es unsre weissbeschwingten Boten trägt Zu Zielen blut'gen Rubins und ernster Not; Sei’s, dass gepeitscht vom Sturme, es sich beugt Der Macht der Elemente, brüllend schlägt An seine Felsenkerkerwände; wild Lebend'ger Wesen Blut voll Mordlust trinkt Und seinen Strand mit Trümmern übersä’t: Stets ist’s das Meer und Alle beugen sich Vor seiner schrankenlosen Majestät.

So auch umsonst versucht der feige Mann, Der Freiheit enge Grenzen aufzubauen. Denn schrankenlos zu sein ist ein Gesetz, So sich die Freiheit schuf und das im Sturm Und Frieden gleich sie unentwegt befolgt. Verachtet sie drum nicht, wenn sie im Schlaf Gleich einem Leuen ruht, indes ein Schwarm Von Übeln sie umflattert harpyengleich; Noch zweifelt, wenn sie in verworrner Zeit Des Schreckens Fackel schwinget und ihr Ruf Durch alle Lande bebt, wenn in des Kriegs, In der Empörung Wut ihr Riesenleib Erscheint auf dem Richtplatz, wo das Beil Als Grabgeläute der Tyrannen tönt: Dann stets in deinem Aug, o Freiheit, Erstrahlt ein hehres Licht, der Welt zum Heil; Ob du uns tötest auch, vertrauen wir dir.

– John Hay.

(Libertas 1, Samstag, 17. März 1888, S. 1.)