Vertrauet alles der Freiheit.
Genosse Leahy macht das Zugeständnis: „Wir halten dafür, dass die Kosten aller Vorteile von denjenigen bestritten werden sollen, denen dieselben zugutekommen. Aber da die aus der Unterdrückung des Verbrechens entstehenden Vorteile allen gleichmässig zugutekommen, sollten auch die damit verbundenen Kosten nolens volens von allen gleichmässig getragen werden“, und verlangt dann für den Fall, dass er im Unrecht ist, mehr Licht von Liberty.
Ich habe die vollkommene Zuversicht, dass unser natürlicher Führer diesem Wunsche voll und ganz entsprechen wird; nichtsdestoweniger möchte auch ich meine Laterne schwingen und mein „barbarisches Gejohle“ dreingeben.
Der Fehler der „American Idea“ scheint in der Idee zu bestehen, dass man rechtlicherweise an einen Menschen die Forderung stellen könne, für Etwas zu zahlen, das ihm ohne seinen Wunsch und ohne seine Einwilligung zuteilwird, einfach weil der Händler darauf besteht, die Sache als einen Vorteil für ihn zu erklären. Wenigstens glaubt die „American Idea“ dies, wenn der Händler die Regierung ist und solche Dinge stellt, die sie als Vorteile ausgibt. Das ist in der Tat die amerikanische Idee, und eine teuflische Idee ist es, oben jener freiheitsmörderische Paternalismus, welchen unsere Kameraden Leahy und Allison an anderer Stelle so wacker bekämpfen.
Indem er auf das Kostenprinzip hinweist, scheint unser Mitstreiter Leahy offenbar der Ansicht zu sein, dass wir in unsere eigene Grube fallen, aber er vergisst, dass hinter dem Kostenprinzip das höhere Grundprinzip der Individualität liegt. Und aufgrund des Prinzips der freien Individualität kann man einem Menschen nichts abverlangen für einen Vorteil, oder für eine den Vorteil bezweckende Massregel, den er nicht freiwillig gutgeheissen hat. Gesetzt, zehn Lyncher hängen einen Strassenräuber in Missouri; können sie rechtlicherweise von den Herren Leahy und Allison, welche später des Weges daher fahren, verlangen, dass sie die Verantwortlichkeit wie die pekuniären Auslagen der Handlung mit ihnen teilen sollen aufgrund des angeblichen Vorteils? Können die Prohibitionisten die Nichtprohibitionisten rechtlicherweise zwingen, die Auslagen für die Durchführung der Antigetränkgesetze wie die Kosten der prohibitionistischen Propaganda bestreiten zu helfen, weil „die Unterdrückung der Trunksucht ein Vorteil ist“? Ist es nicht selbstverständlich, dass ich selber überzeugt sein muss, dass eine gegebene Handlung verbrecherisch ist und eine gegebene Methode die Unterdrückung derselben auch bewirkt, ehe man mich passenderweise zur Beisteuer zu dem Fond anhalten kann, welcher die Unterdrückung ermöglichen soll? Und selbst wenn ich davon überzeugt wäre, habe ich nicht ein Recht, die Beisteuer zu verweigern? Wenn nicht, warum nicht?
Ein Vorteil ist entweder eine freie Gabe, eine Ware im Markt oder eine gegen die Freiheit gerichtete Waffe. Wenn eine Gabe, dann ist keine Verschuldung damit bedingt; wenn eine Ware, dann hat der Käufer ein Recht zu sagen, ob er sie kaufen will oder nicht und welchen Preis er dafür geben oder nicht geben wird; wenn eine Waffe, dann seien alle auf der Hut!
Das Kostenprinzip der Freiheit verlangt, dass jeder Mensch die Konsequenzen seiner Handlungen selber trage, ausgenommen Andere lassen sich freiwillig herbei, dieselben mit ihm zu teilen. Beiläufige Vorteile sind wie die Gaben der Natur, „ohne Geldeswert und Preis“, und stehen allen frei, die sie aneignen können. Irgendein Versuch, sie abzuschätzen und eine Kompensation darauf zu erheben, würde, wenn erfolgreich (was er nie sein könnte, wenn es nicht um den Fetisch der Regierung wäre), die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern und Bruder gegen Bruder stellen.
Gesetzt, ich wohne in einem Städtchen; kann mein Nachbar A, der mir gegenüber wohnt, mich zwingen, die Kosten des schönen Hauses, das er baut, wie des herrlichen Rasens, den er anlegt, mit ihm zu teilen, weil meine Aussicht infolge seiner „Verbesserungen“ bedeutend verschönert wird und der Wert meines Eigentums steigt? Kann der Nachbar B zu meiner Rechten, welcher einen hohen Zaun baut, um seinen Hof gegen die Strasse zu schützen, mich rechtlicherweise mit einem Teil der Auslagen dafür belasten, weil dadurch der Frost von meinen Gurken ferngehalten wird? Kann ich ehrlicherweise den Nachbar C zu meiner Linken, dessen Hof niedriger als der meine liegt, zwingen, die Kosten eines kostspieligen Düngers für meine Terrasse tragen zu helfen, weil in der Tat ein gut Teil dieses Düngers schliesslich auf sein Gebiet hinüber gespült wird? Wenn Herr Leahy diese Fragen mit „Nein“ beantwortet, dann muss er auch, um konsequent zu sein, mit „Nein“ antworten, wenn ich ihn frage, ob eine Anzahl meiner Nachbarn das Recht habe, eine Steuer von mir zu erheben für ein vor meinem Haus anzulegendes Trottoir aus Pflastersteinen, wenn ich Torf vorziehe, oder für die Salarierung eines die Strasse auf- und abwandelnden Polizisten, wenn ich es vorziehe, mich selber zu schützen.
Nein, Freund Leahy, jene „Freiheit“, die Sie in Ihrer „Idea“ als „die fundamentale und unerlässliche Bedingung alles Wachstums, aller Entwicklung, alles Fortschritts“ darstellen, ist die gleiche Freiheit jedes wie aller, auf eigene Weise zu arbeiten und über die Früchte dieser Arbeit nach eigenem Gutdünken zu verfügen, und Ihr Besteuerungsplan zur Unterdrückung des Verbrechens ist weiter nichts als ein sehr elastisches Halsband, welches schliesslich so gewiss zu Tode würgt wie der Strick des Henkers. Herr Tucker hatte eine Probefrage an Sie gestellt, und Ihre Beantwortung derselben beweist, dass Sie einen Standpunkt einnehmen, welcher mit dem Dienst der Freiheit unverträglich ist. Und wenn Sie Ihre Doktrin, welche die Erhebung einer Steuer für zufällige Vorteile rechtfertigt, weiter verfolgen, werden Sie keinen logischen Ruhepunkt finden diesseits des Staatskommunismus. Aber ich gebe mich diesbezüglich keiner Sorge hin, sondern sehe dem Tag entgegen, wo Ihre amerikanische Idee zur anarchischen Idee wird, und Sie mit Ihrem Wissen und Ihrer Beredsamkeit einer der freiesten Segler auf dem Meere der Freiheit und Allison Ihr ebenbürtiger Genosse.
Wollte ich Herrn Leahy den Vorschlag machen, das Gerichtswesen der Vereinigten Staaten durch Diebstahl aufrechtzuerhalten, so würde er verblüfft zurückschrecken und an die Austreibung des Teufels durch Beelzebub denken; doch das wäre genau sein eigener Vorschlag. Fast alle Menschen stimmen überein hinsichtlich der Natur des Raubs, indem sie denselben darin erblicken, einem Individuum gegen seine Einwilligung etwas abzunehmen, das ihm dem Recht nach zugehört. Herrn Leahys Regierung würde genau dies tun; folglich wäre seine Regierung ein Räuber. Alle Regierungen tun dies; folglich sind alle Regierungen Räuber. Das Verbrechen durch ein Verbrechen zu unterdrücken heisst nicht das Verbrechen zu unterdrücken, das heisst nur seine Form und seinen Sitz zu verändern. Anarchie allein bedeutet Ehrlichkeit.
Einen Eingriff in die Freiheit eines Menschen zu machen, unter dem Vorwand, seine Freiheit in Schutz zu nehmen, ist eine so fluchwürdige Heuchelei, wie sie Herr Leahy nur immer im Hause der „römischen Hure“, deren Zauber er erst jüngst infolge einer sich in ihm vollzogenen Läuterung abgeworfen hat, auffinden kann. Wenn irgendein privater Raufbold darauf bestehen sollte, Herrn Leahy „in Schutz“ zu nehmen und ihn dann zwingen wollte, für diesen „Schutz“ zu zahlen, so könnte er die Gewalttätigkeit einsehen; aber wenn der Staat dasselbe tut, ist er blind. Aber die Ehrlichkeit achtet weder Minoritäten noch Majoritäten, weder private noch öffentliche Angelegenheiten, sie kennt einzig die freie Einwilligung und den Austausch von Leistung gegen Leistung; und Ehrlichkeit und Freiheit bedingen eins das andere.
Vorstehendes ruft mir ein Argument ins Gedächtnis zurück, das mir einige Male in dieser Form vorgelegt wurde: Gesetzt ein fremder Feind machte einen Angriff auf eine Gruppe von Anarchisten; könnten letztere nicht mit vollem Rechte die unter ihnen weilenden Feiglinge und Schmarotzer zwingen, an der Verteidigung Teil zu nehmen oder wenigstens die Kosten derselben tragen zu helfen? Ich verneinte die Frage, denn solcher Zwang wäre gleichsam eine Regierung, indem der empfangene Vorteil ein rein zufälliger wäre, da sich die Andern sowieso hätten verteidigen müssen, einerlei, ob die gemeineren Naturen anwesend waren oder nicht. Die Sache möchte anders liegen, wenn die Zusammenlebenden einen Schutz- und Trutzbund gebildet hätten und sich gegenseitig durch ein freiwilliges Übereinkommen verpflichtet gewesen wären; aber selbst für diesen Fall schien es mir, dass die Freiheit kein anderes Verfahren gegen diese Wort- brüchigen sanktionieren würde, als den spontanen „Boykott“ der natürlichen Verachtung und die Lösung aller Gemeinschaft mit ihnen. Darauf wurde erwiedert, dass eine solche Lauheit verderblich wäre, und dass das Beispiel erfolgreicher Feigheit und Niedertracht die Schutzvereine demoralisieren und zur Auflösung derselben führen würde. Hierauf warf ich ein, dass man für die Aufrechterhaltung dieser Vereinigungen auf die natürlichen Agentien vertrauen könne ohne alle invasive Gewalt.
Zum Beispiel. Wenn, nachdem der Feind zurückgeschlagen wäre und die Feiglinge sich ins Fäustchen lachten ob des für sie kostenfreien Schutzes, eine Deputation des Feindes mit diesem Auftrag zurückkehren sollte: „Wir werden Euch nicht wieder belästigen, denn wir haben erfahren, dass Ihr zu mutig und zu mächtig für uns seid; aber wir haben wahrgenommen, dass es Feiglinge unter Euch gibt, die sich weigerten, sich an der Verteidigung zu beteiligen; da sie Euch nicht beigestanden, braucht Ihr ihnen nicht beizustehen; und wenn Ihr uns versprecht, Euch neutral zu verhalten, wenn wir sie plündern, werden wir sie für Euch bestrafen und ewig Eure Freunde sein“ – was dann? Wenn die Feiglinge geplündert werden, werden sie eine Lehre daraus ziehen, sich das nächste Mal an der gemeinsamen Verteidigung prompt zu beteiligen. Wenn die Braven zu grossmütig wären, um die Plünderung der Feigen zu gestatten, würden letztere immerhin die ihnen drohende Gefahr erkennen und in den neuen Motiven des Schamgefühls und der Dankbarkeit eine weitere Veranlassung für künftige Mitwirkung erblicken; das Resultat würde in einen wie im andern und in allen Fällen dasselbe sein, – nämlich, dass sich die Menschen stets gegen die Gefahr verbünden werden so lange sie existiert. Gerade wie die erkannten Bedingungen (und viele nicht erkannten) des normalen Lebens die Menschen moralisch machen ohne das Christentum; gerade wie die Befriedigung des Geühlslebens edle Herzen vereinigt ohne die Ehe, – gerade so werden die sozialen Momente des Verlassenseins, der Furcht, der Sympathie, der Freundschaft, der Liebe, des Ehrgeizes, der Bequemlichkeit, des Bedürfnisses der gegenseitigen Hilfeleistung und der Gewohnheit die Menschen zusammenführen und sie veranlassen, sich gegenseitig zu schützen. Und die sorgsam gepflegte Liebe zur Freiheit wird sie davor bewahren, einander gleich zu werden und dem Stillstand zu verfallen, wie es noch in allen erzwungenen Vereinigungen zugetroffen ist; ihre Verträge, auf der Freiwilligkeit beruhend, werden sich als vollkommen harmonisch erweisen, während ihre Misshelligkeiten, von aller Invasion frei, das Minimum von Disharmonie enthalten werden.
Also nochmals: vertrauet alles der Freiheit.
J. WM. LLOYD.
(Libertas 6, Samstag, 02. Juni 1888, S. 4–5.)
Anmerkungen