Die Ofenhocker – Benjamin R. Tucker

Die Ofenhocker.

Die vorletzte Ausgabe des „Workmen’s Advocate“ veröffentlicht folgende Zuschrift aus Denver:

An den Workmen’s Adrocate:

O, welches Gefühl des Entzückens durchrieselte mich, als ich in der letzten Nummer von Liberty das Zwiegespräch zwischen Tucker und Fenno zu lesen begann. (Ego Tucker bedarf keiner Einführung, Fenno ist der Böse, der die Steuer zu kollektieren kam.) Meine Gedanken schweiften zurück in ein anderes Zeitalter und ein fernes Land. Ich gedachte John Hampdens, wie er sich weigerte, das Schiffsgeld zu zahlen. Ich hatte mich oft gefragt, wer wird der Führer sein im Kampfe des vierten Standes? „Wo ist der Mann mit dem Mut, sich der Unterdrückung zu widersetzen?“ Ich glaubte, die Antwort gefunden zu haben. Hier, hier war der Mann, der für die Freiheit alles aufs Spiel setzen wollte. Und ob sie ihn auch tötete, doch wollte er ihr vertrauen!

Aber sachte; wie ich weiter lese, nimmt er einen grossen eisernen Dollar aus seiner Tasche und gibt ihn dem Söldling.

O, der Schmach! Statt die Zahlung zu verweigern, erlaubt er sich, ein wenig zu schimpfen, – eine beliebte Kurzweil bei ihm. Er zahlt, und alles ist vorbei. Unser Götze ist von Ton, und wir müssen uns nach einem andern Führer umsehen. Ist das, was die Ego Anarchisten „passiven Widerstand“ nennen? Wenn so, ist er gewiss passiv.

H. J. FRENCH.

Als ich jenes Zwiegespräch mit dem Steuerkollektor veröffentlichte, sah ich voraus, dass es meine sozialistischen Kritiker zu derartigem Blech verleiten würde. Die Tatsache, dass ein zeitiger Rückzug oft vor einer Niederlage bewahrt, bewahrt den fliehenden Soldaten selten vor den Schmähungen der Ofenhocker. Gerade diejenigen, die immer hübsch zu Hause bleiben, sind grosse Ruhmeshelden, sie lassen es aber immer gern geschehen, dass Andre ihn erringen. In den Augen des Friedensmannes ist der Mann, der Fersengeld gibt, niemals ein Held, obgleich er dem wahren Soldaten als der Mutigste der Mutigen erscheinen mag. Nach dem man eine Kritik, wie die des Herrn French gelesen hat, kann man wohl mit Wilfrid Scawen Blunt ausrufen: „Was die Menschen Mut nennen, ist das am wenigsten Edle, dessen sie sich rühmen.“ Nach meiner Ansicht gibt es keine erbaulichere Feigheit, als diejenige des Mannes, der es nicht wagt, davonzulaufen. Denn er hat nicht den wahren Mut, dem Spuk der öffentlichen Meinung gegenüber, die zu verachten sein Geist sich noch nicht hinreichend emanzipiert hat, seinem eigenen Urteil zu folgen. In einer Lage, wo es aus der Wahl zwischen zwei Dilemmen hervorgehen muss, dass entweder die Narren einen Mann für einen Feigling oder die Weisen ihn für einen Narren halten werden, kann ich mir keinen möglichen Grund zur Unschlüssigkeit denken. Ich kenne meine Verhältnisse besser, als Herr French dieselben kennen kann, und ich erlaube ihm nicht, sich zu meinem Richter aufzuwerfen. Wenn es mir nach Ruhm verlangt, so weiss ich, wie ich denselben erlangen kann. Aber ich arbeite nicht um Ruhm. Gleich dem Ballspieler, der seine eigenen Nummern dem Erfolge seines Klubs opfert, „spiele ich für mein Gespann“, – das heisst, ich arbeite für meine Sache. Und ich weiss, dass es im Ganzen [Wort unleserlich] besser für meine Sache war, dass ich meine Steuer dieses Jahr zahlte, als wenn ich mich verweigert hätte, es zu tun. Ist das passiver Widerstand, fragt Herr French. Nein; es ist einfach ein Prosatext [?] zum Zwecke der Propaganda. Die Anhänger des passiven Widerstands haben nicht weniger, als die Anhänger des aktiven Widerstands das Recht, den Moment des Widerstands selber zu wählen.

Ich bin weit davon entfernt, die Verdienste der Hampdens und der von der Menschheit verehrten Märtyrer zu unterschätzen. Es gibt Zeiten, wo das von diesen Männern eingeschlagene Verfahren das denkbar beste ist, und dann gehören sie zu den Edelsten. Aber es gibt auch Zeiten, wo ein solches Verfahren der reinste Blödsinn wäre, und dann könnten vernünftige Menschen demselben keine Bewunderung zollen. Hat Herr French jemals von dem Angriff der „leichten Brigade“ zu Balaklava gehört? Und erinnert er sich der Bemerkung des Kriegsmannes, der ein Zeuge dieser denkwürdigen, dieser glänzenden, dieser wahnsinnigen Tat war, die nichts Anderes bezweckte, als die Niedermetzelung eines halben Tausend Menschen: „Es ist brillant, aber es ist nicht Kriegsführung.“ Der Redakteur von Libertas führt Krieg.

(Libertas 7, Samstag, 30. Juni 1888, S. 4.)

Anmerkungen