So Etwas wie genug – Brick Pomeroy

So Etwas wie genug.

[Brick Pomeroy.]

Zuviel ist stets verhängnisvoller als gar nichts, indem Zuviel einen Widerwillen gegen die Sache selbst erzeugt, wie auch eine Abstumpfung des Eifers für etwas anderes.

Einer der Flüche dieses Landes ist die Zuvielregiererei. Der Mann, der sich um seine eigenen Sachen bekümmert und indem er dies tut, dasselbe Recht auch Andern zuerkennt, hat mehr Freunde, mehr Komfort, mehr Erfolg und mehr Glück, als derjenige, der fortwährend übersprudelt.

Topfguckerei ist unverzeihlich bei Individuen und unerträglich und verderblich bei der Gesetzmacherei für die Masse. Freiheit und ähnliche Wörter findet man in den Wörterbüchern, aber jedes Jahr verzeichnet eine Schmälerung des ursprünglichen Artikels. Wie ein Mann sein Pferd umgürtet und das Band immer fester schnürt, bis es zerreisst oder das Pferd krepiert, so verleugnet das Volk dieses Landes mittels der Kette der Gesetzgebung die Freiheit und öffnet den Weg für die Wolken von Übelständen, welche den überzähligen Gesetzen entsteigen.

Hierzulande ist es bereits der Fall, dass wenn ein Mensch selbst nicht seine Ideen in das Leben eines Nachbarn hineinzwängen kann, er sich auf die Herstellung eines legislativen Zwingers wirft, welcher das Opfer binden soll und dann mit Hilfe Derer, die sich für einen Anteil abbalgen oder für Lohn arbeiten, das Verhasste hineinpumpt oder die Milch herausholt.

Willst du eine Vorrichtung, um die Freiheit deines Nachbarn zu verkürzen, gehe zur Gesetzgebung und lasse sie herstellen, d. h. falls noch nichts Derartiges vorrätig ist. Es gibt einzelne Stellen auf der Haut, die noch nicht mit irgendeinem legislativen Pflaster bedeckt sind. Nur wenige Atmungsporen sind noch offen. Ein paar Stellen, wo die Magenpumpe der Besteuerung noch nicht angesetzt worden ist zum Vorteil der Ansetzer, aber diese Flecken oder Stellen werden rasch immer weniger infolge der Wirksamkeit des legislativen Ätzers und Schröpfers.

Hier sind ein paar Dinge, die einst vom Menschen verrichtet werden konnten, aber welche jetzt vom Gesetz getan werden müssen, oder doch nach der Schnur.

Ein Kind darf nicht empfangen werden, bis ein Pfaff oder ein Richter seine Sporteln erhalten und die Erlaubnis dazu erteilt hat.

Die Mutter des Kindes darf nicht von einer Hebamme oder einem Arzt verpflegt werden, die nicht von der Legislatur dazu auserlesen sind.

Sie darf keine Medizin einnehmen, die nicht von der Legislatur verschrieben ist, noch darf sie ihre Füsse oder ihren Kopf oder ihren Körper von irgendeiner Person reiben lassen, ausser der Staat hat derselben eine Eselshaut oder ein Diplom verkauft.

Das Kind darf keine Schule besuchen oder andere Bücher benutzen als die, die vom Gesetz vorgeschrieben sind.

Die Sorge für das Kind obliegt ursprünglich den Eltern oder Vormündern, aber die Gesetzgebung mischt sich ein und sagt, wo das Kind hingehen darf und wo nicht und welche Vergnügungen es haben darf, und all dies ohne Rücksicht auf die Rechte der Eltern, ihre Kinder zu kontrollieren, bis sie die Äquatoriallinie überschreiten und auf eigene Faust wirtschaften.

Wie er älter wird, macht er die Erfahrung, dass er ein Mädchen nicht küssen darf, ausser in Übereinstimmung mit dem Gesetz. Dass er einen Zahn nicht ziehen oder füllen lassen darf, ausser durch die Gesetzgebung. Kann kein Brot essen, das nicht von der Gesetzgebung gemacht ist. Kann keine Butter, Brühe, keinen Sirup, keine Haarpomade oder Wagenschmiere auf sein Brot streichen, ohne die Gesetzgebung. Dass er kein Vieh eignen kann, ohne dasselbe mit einem legislativen Zeichen zu versehen. Dass er weder Billard noch Karten spielen, weder Tabak gebrauchen noch Bier trinken oder am Sonntag arbeiten darf ohne Erlaubnis der Legislatur.

Zum Manne gereift erfährt er, dass er nicht einen Augenblick vor dem Haus eines anderen Mannes stehen, eine Fahrt hinter seinem Schnelltraber geniessen, am Kampfe kriegerischer Hähne im Stallhof sich ergötzen, in seinem Geschäftsplatz ein- und ausgehen, für Jackson oder Blaine Hurrarufen oder einen Baumstamm den Fluss hinunter zur Sägemühle flössen kann ohne die Gesetzgebung oder irgendeine rote Verbrämung, für die er dem Gebührenhäscher einen mehr oder minder hohen Tribut entrichten muss. Dass er nicht als Arzt praktizieren, ein Kunstwerk verkaufen, ein Buch an den Mann bringen, eine Anzeige in eine Zeitung einrücken, ein Ticket bei einem Kirchenbazar kaufen, auf das Gewicht eines Schweins oder die Zahl der Bohnen in einem Sack raten, Weizen mahlen oder mahlen lassen, den Hund töten, der seine Schafe zerreisst, auf der Eisenbahn ein- und aussteigen, eine Trinkfontäne herrichten oder seine Toten begraben kann ohne die Gesetzgebung. Dass er hinsichtlich eines öffentlichen Liebes seine Meinung nicht äussern, einen Bericht über eine Lotterie nicht veröffentlichen oder an einem genossenschaftlichen Unternehmen sich nicht beteiligen kann, ohne die Gesetzgebung.

Dass er mit seinem Schatz nicht Schlittschuhlaufen, von seiner Frau, die mit einem anderen Mann durchgegangen ist, nicht frei sein, nicht ein Haus für die Bewirtung von Reisenden halten, eine Brücke über einen Bach oder Fluss bauen, eine Strasse anlegen, einen Schuldschein berichtigen, einen Diener anstellen oder das Gut eines verstorbenen Freundes oder Verwandten in Ordnung bringen kann ohne die Gesetzgebung.

Dass die Gesetzgebung es ihm untersagt hat, ein in einem anderen Lande gedrucktes Buch zu lesen, einen Rock zu tragen, eine Kaffeemühle zu gebrauchen, Pillen einzunehmen, ein Hühneraugenpflaster anzuwenden, auf einer Mundharmonika zu spielen, eine Glocke zu läuten, eine Nadel einzufädeln, Juwelen zu tragen oder irgendeinen Artikel zu benutzen (ausgenommen Proletarier), der in einem anderen Lande gemacht ist ohne die Gesetzgebung. Dass er seine Geschäftskarte nicht an der Aussenseite eines Kuverts oder Umschlags anbringen, eine Schuld bezahlen, Geld auf einer Bank deponieren, eine in seinem eigenen Geschäft einlösbare Anweisung ausgeben, seine eigenen gedruckten Scheine zirkulieren, ein ausgeschnittenes Hemd tragen, sich mit Frauenkleidern antun oder sich auf die öffentliche Strasse begeben kann ohne die Anleitung der Gesetzgebung. Dass ein Mensch seine Ansichten über Gott und Welt, das Gute und das Böse, Religion und Leute nicht aussprechen kann ohne die Gesetzgebung. Dass er weder auf der Erde bleiben noch in den Himmel gelangen kann ohne die Gesetzgebung. Dass er weder einen Park herrichten noch Hühner schlachten oder ein Schild über seiner Ladentür anbringen kann ohne die Gesetzgebung. Dass er keine Äpfel, Peanuts, Schuhbändel oder Bibeln auf der Strasse verkaufen kann ohne die Gesetzgebung. Dass er nicht in einen anderen Staat gehen kann, um Waren zu verkaufen, oder ein Stück Land kaufen und eignen, sein Leben versichern lassen, unterwertige Silberdollars losschlagen kann, wenn wir auch auf Gott vertrauen, ohne die Gesetzgebung.

Angesichts der Gesetzgebung und Gesetzmacherei seitens der Familienhäupter, der Kirchenhäupter, der Vereine, seitens der Mode, der Fabrikmonopole, der Gewerkschaftler, der Arbeitsritter, der Boycotter, seitens der Stadträte, der Ortsbehörden, der Countybeamten, der Staatslegislaturen, des Kongresses und des allmächtigen Gottes ist man zu dem Gedanken berechtigt, dass es nachgerade möglich ist, dass es bereits zu viel einer guten Sache gibt und dass die Freiheit, die Gewissensfreiheit und die Selbstbestimmung als beschädigte Waren zum Verkauf aufliegen, wenn sie nicht schon verhandelt sind.

Und dennoch wurden während der letztjährigen Sitzung des Kongresses und der Staatslegislaturen nahezu dreissigtausend neue Gesetze in Vorschlag gebracht, während die Nachfrage nach neuen Gesetzen für dieses Jahr jetzt schon anzeigt, dass eine Gesamtzahl von vierzigtausend neuen Gesetzen verlangt werden wird und dass tausende von neuen Gesetzen erlassen werden.

Wenn das so weitergeht, wird sich in fünfundzwanzig Jahren die Zahl der Gerichte in diesem Lande auf das Dreifache der heutigen Zahl belaufen, und zwischen Wucherei und Rechtsstreiterei, wie zwischen zwei eingeladenen Dieben, wird der ehrlich sein wollende Mensch so hoffnungslos gekreuzigt werden wie Jesus.

(Libertas 2, Samstag, 7. April 1888, S. 7.)

Anmerkungen

Marcus Mills „Brick“ Pomeroy (1833–1896) war ein amerikanischer Journalist und Herausgeber verschiedener Zeitungen, u. a. des „Pomeroy’s Democrat“. Pomeroy war bekannt dafür, auch afroamerikanische Journalisten in führenden Positionen zu beschäftigen. In seinen späteren Jahren war er in der „Greenback Party“ und später in der „People’s Party/Union Labor Party of Wisconsin“ führend tätig.