Vashlex

Bloggen im Jahr 2024 ist nicht mehr so verbreitet wie “früher”. Das ist nicht per se schlecht. Die Frage ist eher warum das so ist und wo sich die Aktivitäten hin entwickeln. Ich persönlich glaube sogar dass die Zahl der Blogger nicht zwingend abgenommen hat. Neben den Betreibern echter Blogs – mehr dazu gleich – verlagerte sich in den letzten 20 Jahren viel in Richtung der großen Plattformen.

Echte und unechte Blogs

Was ist ein echter Blog? Aus meiner Sicht zählen dazu alle Menschen die einen weitgehend unmoderierten und unabhängigen Blog betreiben. Dies beinhaltet das veröffentlichen von Textbeiträgen zu beliebigen Themen. Sie moderieren ihre Kommentare selbst und kümmern sich auch sonst um alles andere was zum bloggen dazu gehört.

Was ist ein unechter Blog? Als Begriff macht unecht ja keinen Sinn, entweder man hat einen Blog oder nicht. Aber die Schreiblust unserer Mitmenschen wird jedoch von großen Plattformen (z.B. Facebook, X/Twitter, Spiegel Online, u.ä.) vereinnahmt. Sie bieten keine echten Blogs im eigentlichen Sinn – aber das Angebot ist eines das normale Blogs nicht haben:

  • Reichweite
  • Marketing
  • eine Community, also eine Bubble die schon da ist und nicht erst aufgebaut werden muss
  • Aufhänger in Form von Artikeln oder Beiträgen anderer Mitglieder

Dabei nehmen manche Kommentarschreiber oft die Funktionen der Blogger ein. Sie kommentieren und diskutieren, sie bringen neue Aspekte oder ausführlich ihr eigenen Meinungen ein. Das hebt sich meines Erachtens oft deutlich von einem klassischen Foren-Kommentar ab, der ja dann eher kurz und prägnant, aber eben nicht ausformuliert oder reflektiert wäre, wie es mancher Kommentarschreiber und ich selbst auch schon getan habe.

Nachteile der bloggenden Kommentarschreiber

Eine Win-Win Situation? Für die Gesellschaft eher nicht meiner Meinung. Diese Kommentarfunktion bezeichne ich als unechte Blogs weil viele Kommentare auf diesen Plattformen in einem ausgearbeiteten Blogbeitrage mehr Sinn machen würden. Warum – bzw. was sind die Nachteile sich dort zu engagieren?

  • Man wird zwar vielleicht mehr gelesen, aber den Betreibern ist es vermutlich egal was man postet. Die Motivation ist hier eher viele Leute bei der Stange zu halten um Kundenbindung zu erreichen.
  • Die Moderation ist oft unterirdisch – Beispiel Twitter von Hassrede seit der Umfunktionierung zu X einfach geläufig geworden zu sein scheint. Auch haben die Moderatoren in der Masse der Nachrichten oft auch keine Chance sich angemessen um ein Thema zu kümmern
  • Archivierung ist nicht wirklich ein Thema. Wie finde ich einen alten Kommentar wieder, auf den ich gerne Bezug nehmen möchten.
  • Editierung/Revisionierung: Ein Verbessern alter Beiträge ist oft nicht möglich. Wenn es möglich ist kann ich oft nicht nachvollziehen welche Änderungen ich in der Vergangenheit gemacht habe.
  • Finanzierung – jede Einnahme die durch meinen “User Generated Content” auf der Plattform generiert wird, geht zu 100% an den Betreiber. Das könnte natürlich eine Entschädigung für die Teilnahme an der Plattform sein und die teschniche Bereitstellung. Leider ist hier 0 Transparenz der Betreiber zu erwarten.
  • Freiheit ist immer nur soweit möglich, dass ich nicht an die Grenzen automatischer Moderierung stoße. So ist unklar ob bzw. wann man Shadowbanned wird.
  • Ausgrenzung – Menschen ohne einen Account auf der Plattform können meinen Beitrag oft gar nicht sehen, geschweige denn kommentieren. Im schlimmsten Fall ist auch noch eine Paywall davor.
  • Zitate sind nur schwer möglich – echte Hyperlinks unter Umständen nicht erlaubt. Zitate sind nur in klassischem Stil mit Anführungszeichen möglich – eine Unkultur die dazu führt dass jeder einfach nur so drauf los “drüber kommentiert” ohne sich die Mühe zu machen Verlinkungen oder Formatierungen durchzuführen oder gedankliche Differenzierungen zu zulassen.
  • Begrenzungen – durch die Länge führen zu Threadwüsten, die durch Tools erzeugt und durch andere Tools wieder glatt gezogen werden damit man sie am Stück lesen kann. Das ist für mich schon Realsatire.

Das waren alles Punkte die mir mehr oder weniger spontan eingefallen sind.

Fazit

Ich gebe zu es ist etwas weit hergeholt die Kommentatoren und Nutzer von Facebook und Co als “Blogger” einzuordnen. Aber gerade diejenige die viel und ausgereift Schreiben könnten durchaus auch als Blogger aktiv sein.

Nach dieser Abwägung die ich schon lange gefühlt, aber jetzt erst ausformuliert habe, habe ich mich entschlossen wieder mehr selbst zu bloggen. Statt meiner Kommentare auf einer Plattform XY zu beerdigen, das Thema lieber in einem kleinen Kreis aber dafür ausführlicher zu verschriftlichen. Und vielleicht finde ich ja auch genug Zeit dafür um das auch wirklich hin und wieder zu pflegen 😀

Dazu sei noch gesagt, dass ich niemandem die Kommentare auf den Plattformen madig machen möchte. Wenn es nur einzelne oder kurze Gedanken sind, ist das völlig in Ordnung. Es muss ja auch nicht jeder gleich einen langen Beitrag zu allem schreiben. Es ist nur schade dass sich die Meinungskultur auf diesen Plattformen zu zentralisieren scheint, während die klassische Blogosphäre gefühlt kleiner wird.