Lernen durch Dialog: Perspektivenaustausch statt Feedback-Frust

Claude Lefèbvre: Un précepteur et son élève

Aktuelle Studien zeigen ein alarmierendes Bild: Laut dem Gallup 2023 Report zur globalen Arbeitsplatzsituation fühlen sich nur 23 % der Mitarbeitenden weltweit wirklich engagiert bei ihrer Arbeit. Die Mehrheit hingegen ist innerlich längst abgesprungen oder sogar aktiv dabei, ihrer Firma zu schaden. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist die Art und Weise, wie Feedback gegeben wird. Statt Mitarbeitende zu motivieren, führt Feedback häufig zu Frustration und Resignation.

Was hat das nun mit dem Bildungswesen zu tun? Genauso wie in der Arbeitswelt spielt Feedback auch in der Schule und im Studium eine zentrale Rolle. Doch oft ist die Art, wie Feedback vermittelt wird, genauso verbesserungswürdig. Wenn Schülerinnen oder Studenten Feedback als reine Kritik wahrnehmen, können auch sie in eine Art „inneres Kündigen“ verfallen, bei dem sie zwar körperlich anwesend sind, aber emotional längst auf Distanz gegangen sind. Das Ziel sollte jedoch sein, dass Feedback nicht demotiviert, sondern zur Weiterentwicklung anregt – sowohl im Arbeitsleben als auch in der #Bildung.

Was stimmt nicht mit der bestehenden Feedback-Kultur?

Wenn ich an Feedback denke, fällt mir als Erstes ein, wie oft es als Kritik empfunden wird. Das Problem dabei? Kritik löst häufig eine Abwehrhaltung aus. Anstatt zu motivieren, verschliesst Feedback oft die Tür zur Weiterentwicklung. Warum? Weil das traditionelle Feedback-Modell meist auf Defiziten basiert. Es wird darauf geschaut, was falsch gelaufen ist, was man besser machen könnte – immer aus der Perspektive desjenigen, der das Feedback gibt.

Dieser Fokus auf das Negative kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Lernende das Feedback als persönlichen Angriff empfinden. Statt eine Chance zur Verbesserung zu sehen, fühlen sie sich vielleicht minderwertig oder unverstanden. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die eigentliche Intention: Unterstützung bieten, um das volle Potenzial auszuschöpfen.

Ein weiteres Problem ist die Einseitigkeit der Kommunikation. Feedback verläuft oft nach dem Schema „Lehrperson spricht, Lernende hört zu“. Das lässt wenig Raum für einen echten Dialog, bei dem die Perspektiven der Lernenden einbezogen werden. Ohne diesen Austausch kann Feedback schnell zu einem Monolog werden, der wenig nachhaltig wirkt.

Wenn du ein Feedback bekommst, das sich nur auf deine Schwächen konzentriert, fühlst du dich wahrscheinlich nicht motiviert, sondern eher entmutigt. Und genau das passiert auch bei Schülerinnen und Schülern. Die einseitige Kommunikation und der Fokus auf Defizite sind zwei der grössten Stolpersteine der traditionellen Feedback-Kultur, sowohl in der Schule als auch in der Arbeitswelt.

Perspektivenaustausch als „kluge Intervention“

Statt Feedback, das oft als Kritik empfunden wird, biete ich eine Alternative an: den Perspektivenaustausch. Was heisst das konkret? Anstatt einfach zu sagen, was falsch gelaufen ist, gehen wir in einen Dialog auf Augenhöhe. Beide Seiten – Lehrkraft und Lernende – teilen ihre Sichtweisen und Erfahrungen, ohne Angst vor Kritik haben zu müssen.

Dieser Ansatz hat viele Vorteile. Erstens schafft er eine integrative Lernumgebung. Wenn Lernende ihre Perspektiven einbringen, fühlen sie sich ernst genommen und respektiert. Sie erleben, dass ihre Meinung zählt und dass sie aktiv zum Lernprozess beitragen können. Das stärkt das Selbstvertrauen und fördert das Engagement im Unterricht.

Der Perspektivenaustausch öffnet den Raum für einen echten Dialog, in dem Ideen und Meinungen geteilt werden. Diese Offenheit kann zu einem tieferen Verständnis führen – sowohl für den Lernstoff als auch für die unterschiedlichen Sichtweisen der Schülerinnen und Schüler.

Das Konzept der „klugen Interventionen“ stammt aus der Sozialpsychologie und beschreibt gezielte, kleine Massnahmen, die grosse Wirkung entfalten können. Im Bildungswesen könnte das bedeuten, dass wir bewusst Situationen schaffen, in denen Lernende ihre Sichtweise überdenken und neu interpretieren können – sei es durch eine anregende Frage oder durch eine Gruppenarbeit, bei der unterschiedliche Perspektiven beleuchtet werden.

Ein Beispiel: Statt zu sagen, „Das war falsch“, könnte man fragen, „Wie würdest du diese Aufgabe angehen, wenn du eine andere Perspektive einnimmst?“ So wird das Denken der Lernenden angeregt, ohne dass sie sich kritisiert fühlen. Diese kleinen Interventionen können langfristig dazu führen, dass Lernende offener für verschiedene Sichtweisen werden und dadurch besser auf neue Herausforderungen reagieren können.

Konkrete Anwendung im Bildungswesen

Wie lässt sich der Perspektivenaustausch konkret im Bildungswesen umsetzen? Hier sind einige Ansätze, wie Lehrkräfte diesen Ansatz in ihren Unterricht integrieren können, um das #Lernen zu fördern und das Engagement der Lernenden zu steigern.

Echtzeit-Erfahrungen nutzen

Eine Möglichkeit, den Perspektivenaustausch effektiv einzusetzen, besteht darin, „Echtzeit-Erfahrungen“ zu schaffen. Lehrkräfte sollten nicht erst warten, bis eine Prüfung vorbei ist, sondern während des Unterrichts oder direkt nach einem Test Rückmeldungen einholen und austauschen. Zum Beispiel könnte man nach einem Test fragen: „Welche Strategie hast du gewählt, um diese Aufgabe zu lösen, und wie hat sie für dich funktioniert?“ Dadurch wird der Lernprozess reflektiert, und die Lernenden haben die Gelegenheit, ihre Denkweisen anzupassen.

Förderung unterschiedlicher Perspektiven

Es ist wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der Lernende ermutigt werden, ihre eigenen Sichtweisen zu teilen, selbst wenn diese von der Mehrheit abweichen. Das fördert kritisches Denken und schafft eine inklusive Lernumgebung, in der sich alle respektiert fühlen. Eine Methode könnte sein, Lernende in Gruppen arbeiten zu lassen, wobei jede Gruppe eine andere Perspektive auf eine Aufgabe entwickelt. Die Ergebnisse werden dann im Plenum besprochen, was den Austausch und die Wertschätzung unterschiedlicher Sichtweisen stärkt.

Integration in den Alltag

Damit der Perspektivenaustausch fester Bestandteil des Unterrichts wird, sollte er in den Alltag integriert werden. Das könnte durch regelmässige Diskussionsrunden geschehen, in denen die Lernenden ihre Meinungen austauschen. Auch Gruppenprojekte bieten eine gute Gelegenheit, verschiedene Perspektiven zusammenzuführen. Einzelgespräche zwischen Lehrkraft und Lernenden können genutzt werden, um individuell auf die Sichtweisen der Schülerinnen und Schüler einzugehen und das Vertrauen zu stärken.

Der Perspektivenaustausch lässt sich zudem hervorragend mit digitalen Tools wie interaktiven Whiteboards oder Lernplattformen kombinieren, die kollaboratives Arbeiten fördern. Dieser Ansatz unterstützt auch den Trend zum personalisierten Lernen, indem er individuelle Sichtweisen und Lernwege wertschätzt.

Fazit und Handlungsanweisungen

Zusammenfassung der Vorteile des Perspektivenaustauschs:

Konkrete Tipps für Lehrkräfte zur Umsetzung im Unterricht:

Beispielhafte Fragen zur Förderung des Perspektivenaustauschs:

Zum Schluss möchte ich dich ermutigen, den Schritt weg von der traditionellen Feedback-Kultur hin zu einer Kultur des Perspektivenaustauschs zu wagen. So schaffen wir im Bildungswesen mehr Raum für echten Dialog, in dem sich alle Beteiligten respektiert und wertgeschätzt fühlen. Indem wir Perspektiven austauschen, öffnen wir Türen für tiefere Lernerfahrungen und ein motivierendes Miteinander.


Bildquelle Claude Lefèbvre (1632–1675): Un précepteur et son élève, Louvre Paris, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.

Topic #Erwachsenenbildung


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