Medienkompetenz neu denken?
Kürzlich habe ich in der NZZ vom 8. Oktober 2024 einen Artikel von Mischa Senn gelesen, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Den Beitrag fand ich in gewisser Weise inspirierend, da er eine neue Perspektive auf den Umgang mit Falschinformationen in den #Medien aufzeigt. Besonders in sozialen Netzwerken und bei durch künstliche Intelligenz generierten Inhalten wird die bewusste Unterscheidung von Wahrheit und Unwahrheit immer schwieriger. Senn unterbreitet in seinem Artikel einige Vorschläge, die uns zu einem grundsätzlich neuen Ansatz der Medienkompetenz führen könnten: Einer „Unrichtigkeitsvermutung“ gegenüber medialen Inhalten. Diesen Gedankengang möchte ich weiterführen, ergänzt durch einen Ansatz von Cal Newport, der uns hilft, unseren Nachrichtenkonsum qualitativ zu verbessern.
Senn, Dozent für Medien- und Werberecht sowie Vizepräsident der Schweizerischen Lauterkeitskommission, stellt in seinem Artikel eine These auf, die zunächst kontraintuitiv erscheinen mag: Er plädiert für eine Umkehrung des klassischen Vertrauensvorschusses, den wir vielen Medieninhalten entgegenbringen. Statt einfach davon auszugehen, dass das, was wir lesen, sehen oder hören, wahr ist, empfiehlt er eine bewusste Haltung des Misstrauens – eine Unrichtigkeitsvermutung. Diese Idee besagt, dass man jede Information zunächst als potenziell falsch betrachten sollte, solange man ihre Richtigkeit nicht unabhängig bestätigen kann.
Was zunächst als ein radikaler, vielleicht gar zynischer Ansatz wirken mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine notwendige Reaktion auf die Informationsflut unserer Zeit. Insbesondere in sozialen Medien, wo Inhalte oft mit einem emotionalen Unterton verbreitet werden und Algorithmen bevorzugt das zeigen, was hohe Interaktionsraten verspricht, ist eine gesunde Skepsis unabdingbar. Auch bei durch #KI generierten Inhalten ist Vorsicht angebracht, denn diese Modelle optimieren sehr oft auf kohärente Ausdrucksweise, nicht unbedingt auf faktische Richtigkeit.
Diese Unrichtigkeitsvermutung soll jedoch nicht als universeller Pessimismus verstanden werden. Vielmehr fordert sie uns dazu auf, Informationen bewusst zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Es geht darum, die Mechanismen der Medienproduktion besser zu verstehen und ein aktiver Teilnehmer im Kommunikationsprozess zu sein, statt ein passiver Konsument. Der Misstrauensvorschuss, von dem Senn spricht, führt nicht dazu, den Wert von Medien generell infrage zu stellen, sondern soll eine Art intellektueller Sicherheitsgurt sein, der uns vor voreiligen Schlussfolgerungen bewahrt.
Verantwortungsvoller Konsum von Informationen
Ergänzend zu Senns Ansatz möchte ich einen weiteren Vorschlag einführen, den ich in einer Podcast-Folge von Cal Newport gehört habe. Newport, Professor an der Georgetown University und bekannter Autor, Verfechter eines minimalistischeren und fokussierteren Lebensstils, spricht sich dafür aus, den Konsum von Nachrichten – und generell von Informationen – auf qualitative Weise zu steigern, während die Quantität gleichzeitig reduziert wird.
Newport schlägt ein dreistufiges Modell vor, das sich auf unterschiedliche Zeithorizonte erstreckt: täglich, monatlich und saisonal. Auf täglicher Basis empfiehlt er, eine einzelne, nicht algorithmisch kuratierte Quelle zu nutzen — zum Beispiel eine gedruckte Zeitung oder einen Newsletter. Dies steht im Gegensatz zu den Social-Media-Feeds, die uns häufig in eine Informationsschleife ziehen, in der nur Inhalte auftauchen, die besonders hohe Aufmerksamkeit generieren. Eine Tageszeitung ist hingegen eine kompakte und qualitätsorientierte Alternative.
Monatlich empfiehlt Newport zudem, zwei bis sechs lange Magazinartikel zu lesen, die Themen, die uns beschäftigen, umfassend behandeln. Diese Art der Informationsaufnahme erlaubt uns, Zusammenhänge besser zu verstehen und uns mit komplexen Fragen intensiver auseinanderzusetzen, ohne uns dabei ständig dem Aktualitätsdruck auszusetzen.
Saisonal, also einmal im Quartal, rät Newport dazu, ein fundiertes Buch zu einem der für uns relevanten Thema zu lesen. Auf diese Weise können wir uns einem Gegenstand umfassend widmen, ihn aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und ein differenziertes Verständnis entwickeln, das weit über das hinausgeht, was durch Nachrichten oder mediale Diskurse möglich ist. Diese Leseempfehlung ermöglicht es uns, das Wissen zu vertiefen und nachhaltiger zu verankern.
Fazit: Zwei Ansätze, die sich ergänzen
Die Unrichtigkeitsvermutung nach Senn und Newports dreistufiges Modell des Informationskonsums sind auf den ersten Blick unabhängige Ansätze, die jedoch einen ähnlichen Zweck verfolgen: Beide bieten eine Reaktion auf die Herausforderungen unserer modernen Informationsgesellschaft. Senn fordert uns auf, Inhalte kritisch zu hinterfragen, bevor wir ihnen Glauben schenken. Newport wiederum gibt uns eine konkrete Methode an die Hand, wie wir bewusst Informationen selektieren können, um uns nicht im sich ständig schneller drehenden Nachrichtenzyklus zu verlieren.
Beide Ansätze rufen zu einem bewussteren Umgang mit Informationen auf, jedoch auf unterschiedliche Weise. Senn möchte unsere Haltung gegenüber Medieninhalten verändern, Newport hingegen die Art und Weise, wie wir den Informationsfluss strukturieren. Im Zusammenspiel bieten beide Modelle eine effektive Möglichkeit, der Reizüberflutung und der oftmals fragwürdigen Qualität der angebotenen Informationen entgegenzuwirken.
Bildquelle Lovis Corinth (1858–1925): Porträt des Malers Benno Becker, Von der Heydt-Museum, Wuppertal, Public Domain.
Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.
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