Warum nicht jeder Ratschlag zu dir passt: die Tücken von pauschalem CEO-Wissen und Influencer-Empfehlungen

Joachim Beuckelaer: Marktplein, met op de achtergrond de geseling, Ecce homo en de kruisdraging

Wir hören es immer wieder: Erfolgreiche CEOs sagen, dass das Geheimnis ihres Erfolgs darin liegt, „Nein“ zu sagen. Influencer raten uns, dieses oder jenes Produkt zu kaufen, weil sie es angeblich selbst lieben. Doch was für sie funktioniert, muss nicht automatisch für dich passen. Pauschale Ratschläge ohne Berücksichtigung deines eigenen Kontextes können sogar gefährlich sein. Dieser Beitrag wirft einen kritischen Blick darauf, warum es so wichtig ist, Ratschläge zu hinterfragen – egal ob sie von einer erfolgreichen CEO oder einem beliebten Influencer kommen.

Die Verführung der Autorität

Es liegt in unserer Natur, Autoritätspersonen zu vertrauen (Authority Bias). Ob es CEOs sind, die ihre Erfolgsgeheimnisse preisgeben, oder Influencer, die Produkte anpreisen – wir neigen oft dazu, ihren Ratschlägen Glauben zu schenken. Doch hier liegt das Problem: Dieser Glaube beruht oft auf der Annahme, dass Autorität und Erfolg gleichbedeutend mit allgemeiner Kompetenz sind. Nur weil ein CEO erfolgreich ist, bedeutet das nicht, dass seine Ratschläge universell anwendbar sind.

Ein Beispiel: Viele CEOs betonen die Wichtigkeit, „Nein“ zu sagen. Diese Strategie mag in der Unternehmensführung sinnvoll sein, aber für den Grossteil der Arbeitnehmer könnte sie kontraproduktiv sein. Ein junger Mitarbeiter, der jede Gelegenheit ablehnt, riskiert, Chancen und Lernmöglichkeiten zu verpassen. Was für den CEO im spezifischen Kontext seiner Führungsposition funktioniert, ist ein typischer Fall von nicht-kontextbezogenem Ratschlag – ein Rat, der ohne Berücksichtigung individueller Umstände erteilt wird und daher leicht fehlgeleitet sein kann.

Ähnlich verhält es sich bei Influencern. Sie nutzen ihre Popularität, um Produkte zu bewerben, und ihre Empfehlungen basieren oft auf einem idealisierten Bild ihres eigenen Lebens. Ihre FollowerInnen vertrauen diesen Ratschlägen, da die Influencer eine emotionale Nähe aufbauen – sie wirken fast wie Freunde, denen man vertraut (parasoziale Interaktion). Doch auch hier wird häufig übersehen, dass diese Ratschläge nicht immer auf die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände der Follower passen. Es ist die Autorität, sei sie nun durch Status oder durch emotionale Bindung geschaffen, die uns verführen, ohne dass wir den Kontext hinterfragen.

Dein Leben, deine Regeln

Der grösste Fehler, den man machen kann, ist anzunehmen, dass es eine universelle Erfolgsformel gibt, die für alle funktioniert. Die Realität sieht anders aus: Jede Situation, jedes Leben und jede Karriere sind einzigartig. Pauschale, nicht-kontextbezogene Ratschläge ignorieren diese Tatsache und bergen das Risiko, dass sie uns auf einen Weg führen, der gar nicht zu unseren Zielen, Werten oder Lebensumständen passt.

Wenn du beispielsweise immer wieder hörst, wie wichtig es ist, „Nein“ zu sagen, solltest du dir bewusst machen, dass diese Strategie möglicherweise nicht zu deiner aktuellen Lebens- oder Karrieresituation passt. Für einen CEO mag das Fokussieren und Ablehnen unwichtiger Aufgaben entscheidend sein, aber als aufstrebender Arbeitnehmer oder Selbstständiger könnte es viel sinnvoller sein, „Ja“ zu neuen Herausforderungen zu sagen. Die Vorstellung, dass ein Ratschlag, der in einem bestimmten Kontext funktioniert, auch in deinem Leben ohne Anpassung wirksam ist, ist schlichtweg irreführend.

Dasselbe gilt für die Produkte, die dir Influencer ans Herz legen. Sie präsentieren dir oft eine idealisierte Version ihres Lebens – und natürlich sollen die von ihnen beworbenen Produkte dieses Leben vervollkommnen. Doch frag dich: Passt das wirklich zu deinen Bedürfnissen? Ist das, was du siehst, auch das, was du brauchst? Hier ist #Selbstreflexion gefragt. Was sind deine persönlichen Ziele und Werte? Welche Entscheidungen dienen tatsächlich deinem Wohlbefinden, und welche sind nur das Ergebnis eines Vergleichs mit dem Leben anderer?

Letztlich musst du deine eigenen Regeln aufstellen. Du allein kennst die Besonderheiten deines Lebens. Und nur, wenn du deine Entscheidungen auf dieser Grundlage triffst, kannst du sicher sein, dass sie dir wirklich nützen und nicht nur auf einem allgemeinen Ratschlag basieren, der in deinem Fall vielleicht nicht sinnvoll ist.

Die Mechanismen der Manipulation

Es wäre naiv zu glauben, dass wir uns der psychologischen Techniken, die hinter dem Einfluss von Influencern und CEOs stecken, immer bewusst sind. Gerade in den sozialen Medien werden gezielt Methoden eingesetzt, die uns unbewusst in unseren Entscheidungen beeinflussen. Diese Mechanismen basieren auf psychologischen Prinzipien, die tief in unserem menschlichen Verhalten verankert sind – und genau hier liegt ihre Stärke.

Influencer setzen beispielsweise gezielt auf Reziprozität. Sie geben uns Inhalte, Tipps oder Empfehlungen und wecken in uns das Gefühl, etwas zurückgeben zu müssen – sei es durch Likes, Follows oder sogar den Kauf eines empfohlenen Produkts. Dieses Prinzip der Reziprozität, das Robert Cialdini in seinem Buch Pre-suasion beschreibt, ist eines der stärksten Mittel, um Menschen subtil in eine bestimmte Richtung zu lenken. Zusätzlich spielt der Social Proof („sozialer Beweis“) eine grosse Rolle: Wenn viele Menschen ein bestimmtes Produkt kaufen oder einem Trend folgen, neigen wir dazu, zu glauben, dass dies die richtige Entscheidung sein muss. Dieser Mechanismus gehört zu den psychologischen Prinzipien, die Cialdini als besonders wirkungsvoll beschreibt.

Auch das Prinzip der Verknappung (Scarcity) wird oft geschickt eingesetzt. Wir kennen alle die typischen Aussagen wie „Nur noch wenige Exemplare verfügbar“ oder „Limitierte Auflage“. Dieses Gefühl, etwas zu verpassen, veranlasst uns oft zu schnellen Entscheidungen, die wir später vielleicht bereuen. Doch auch CEOs oder andere erfolgreiche Persönlichkeiten nutzen diese Techniken – bewusst oder unbewusst. Sie etablieren eine Autorität, auf die wir vertrauen, und präsentieren ihre Ratschläge als unfehlbare Erfolgsrezepte.

Was all diese Manipulationstechniken gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie oft unbemerkt bleiben. Sie nutzen unsere unbewussten Entscheidungsprozesse, um uns zu beeinflussen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass du dir dieser Mechanismen bewusst wirst und kritisch hinterfragst, was dir präsentiert wird. Frage dich stets: Welche Motive stecken hinter den Empfehlungen? Wird hier vielleicht ein bestimmtes Ziel verfolgt, das nicht mit deinen eigenen Interessen übereinstimmt?

Denke selbst!

Letztlich läuft alles auf einen entscheidenden Punkt hinaus: Du musst selbst denken. Wir werden im Alltag von Ratschlägen und Meinungen geradezu überschwemmt, daher ist kritisches Denken eine unerlässliche Fähigkeit. Ob es sich um einen CEO handelt, der seinen Erfolg auf eine bestimmte Strategie zurückführt, oder um eine Influencerin, die dir das neueste „Must-have“ anpreist – du solltest dir immer die Frage stellen, ob dieser Rat oder diese Empfehlung wirklich auf deine Situation zutrifft.

Wie bereits Robert Cialdini in Pre-suasion zeigt, werden wir oft schon in den Momenten vor der eigentlichen Botschaft beeinflusst. Das bedeutet, dass bereits die Art und Weise, wie uns eine Empfehlung präsentiert wird, unsere Entscheidung formen kann, lange bevor wir uns mit dem eigentlichen Inhalt auseinandersetzen. Genau deshalb ist es so wichtig, jede Information, die du erhältst, mit deiner eigenen Situation abzugleichen. Was sind deine Ziele, deine Werte, deine Lebensumstände? Passt der Rat oder die Empfehlung in diesen Kontext? Und vor allem: Macht es für dich persönlich Sinn, diesem Rat zu folgen?

Ein zentraler Aspekt des kritischen Denkens ist es, auch die Quelle des Ratschlags zu hinterfragen. Warum gibt diese Person diesen Rat? Was ist ihre Motivation? Bei Influencern etwa solltest du dir bewusst machen, dass sie oft gesponserte Inhalte veröffentlichen, deren Hauptzweck es ist, Produkte zu verkaufen. Bei CEOs und anderen erfolgreichen Führungspersönlichkeiten könnte die Motivation darin liegen, ihre eigene Arbeitsweise zu rechtfertigen oder ihre Position zu stärken.

Sich selbst zu vertrauen und die Kontrolle über die eigenen Entscheidungen zu übernehmen, ist der Schlüssel. Anstatt blind den Ratschlägen anderer zu folgen, solltest du dich auf dein eigenes Urteilsvermögen verlassen. Recherchiere, stelle Fragen und sammle verschiedene Perspektiven, bevor du entscheidest, was für dich funktioniert. Nur so kannst du sicherstellen, dass deine Entscheidungen wirklich zu dir und deinen Zielen passen.

Fazit

Nicht-kontextbezogene Ratschläge sind allgegenwärtig, sei es von CEOs, die ihre Erfolgsstrategien preisgeben, oder von Influencern, die ihre Produkte anpreisen. Doch wie Robert Cialdini betont, sind wir oft schon vor der eigentlichen Botschaft subtil beeinflusst. Was für diese Personen funktioniert, muss nicht automatisch auch für dich passen. Jede Lebens- und Karrieresituation ist einzigartig, und nur du selbst kennst die Umstände, die für dich von Bedeutung sind. Deshalb ist es unerlässlich, Ratschläge immer kritisch zu hinterfragen und auf den eigenen Kontext anzuwenden.

Wenn du dir bewusst bist, wie psychologische Mechanismen – sei es durch Autorität, Verknappung oder Reziprozität – auf dich wirken, kannst du besser informierte Entscheidungen treffen. Letztlich liegt es an dir, nicht blind den Erfolgsformeln anderer zu folgen, sondern deinen eigenen Weg zu finden. Kritisches Denken, die eigene Recherche und das Vertrauen in deine persönlichen Ziele und Werte sind der Schlüssel, um Manipulationen zu durchschauen und Entscheidungen zu treffen, die wirklich zu dir passen.

Zusammenfassung und Tipps

  1. Frage dich, ob der Rat in deinen Kontext passt: Nicht jede Strategie, die für andere funktioniert, ist auch für dich geeignet. Hinterfrage Ratschläge immer im Hinblick auf deine eigene Situation.

  2. Sei dir der psychologischen Techniken bewusst: Ob Reziprozität, Verknappung oder Social Proof – erkenne, welche Mechanismen dich beeinflussen könnten, und treffe deine Entscheidungen bewusst.

  3. Vertraue auf dein eigenes Urteilsvermögen: Recherchiere selbst, stelle Fragen und informiere dich umfassend, bevor du einer Empfehlung folgst.

  4. Hinterfrage die Motivation des Ratgebers: Überlege dir, welche Interessen CEOs, Influencerinnen oder andere Personen verfolgen könnten, wenn sie dir Ratschläge geben.

  5. Triff Entscheidungen basierend auf deinen Werten und Zielen: Nur du kennst deine Bedürfnisse am besten. Verlass dich auf deine eigene Reflexion und nicht auf pauschale Erfolgsformeln.


Literatur Robert Cialdini (2017): Pre-suasion: Wie Sie bereits vor der Verhandlung gewinnen, Frankfurt: Campus.

Bildquelle Joachim Beuckelaer (um 1530–1573/74): Marktplein, met op de achtergrond de geseling, Ecce homo en de kruisdraging, Rijksmuseum, Amsterdam, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in meinen Notizen und Links wurde NotebookLM von Google verwendet.

Topic #Kommerz


Folge mir auf Mastodon | Pixelfed | Bookwyrm