Staat und Gesellschaft – Paul Berwig

Staat und Gesellschaft.

„Sie da, hören Sie mal! Sie haben neulich gesagt, dass wir keinen Staat brauchten; na, das würde mal ’ne schöne Wirtschaft geben! Wenn nur eine ganz kleine Gesellschaft gemeinsam etwas beraten und ausführen will, so muss schon ein Präsident und müssen Beamte gewählt werden.“

Obige Worte wurden mir vor einiger Zeit flüchtig im Vorübergehen von einer weisen Frau zugeraunt. Ort, Zeit und Umgebung waren ungünstig für eine Diskussion; denn wir befanden uns an der Ausgangstür eines Saales; das Gedränge daselbst war ziemlich stark, da ein über Erwarten lang gewordener Vortrag überstanden und der hungrige Magen in Vorgeschmack des zu Hause harrenden Mittagsmahles zur Eile antrieb.

Was kann man unter solchen Umständen erwidern! Die Sprecherin schien auch auf eine Erwiderung gar nicht zu rechnen; denn als sie ihr geflügeltes Wort von sich gegeben, stürzte sie sich ins dichteste Gedränge. Ich hätte ihr nachrufen mögen: „Warum so eilig, Madam? Sie haben soeben ein grosses Wort ausgesprochen, welches sehr zu Gunsten der anarchistischen Lehren spricht. Diese Frage kann man nicht so kurz übers Knie brechen; ich kann Ihnen zeigen, dass Sie nicht gegen, wohl aber für den Anarchismus gesprochen haben.“

Ich musste diesmal aber meine Einwendungen für mich behalten; die Dame war bald im Gedränge verschwunden, und nur flüchtig konnte ich von ihrem triumphierenden Gesichte die Worte ablesen: „Von diesem Stoss erholt er sich nicht wieder!“

Ich habe obige Geschichte so ausführlich erzählt, weil sie charakteristisch ist für die Art und Weise, in der man gewöhnlich den Anarchismus abzutun versucht. Ein bis zwei stehende Redensarten, so ganz beiläufig hingeworfen, scheinen Jedem zu genügen, um die Haltlosigkeit der ganzen Lehre zu beweisen. Wozu sich auch erst auf einen Angriff vorbereiten! Wozu erst einen ordentlichen Anlauf nehmen, wenn es sich um einen so schwindsüchtigen Feind wie den Anarchismus handelt! Eine leise Berührung mit dem kleinen Finger muss ja die ganze Jammergestalt sofort über den Haufen werfen!

Es ist eigentlich zum Rasendwerden, dass man sich von den Menschen für so dumm ansehen lassen muss! Auch ist wenig Aussicht vorhanden, an dieser Sachlage etwas zu ändern; denn so oft und so gründlich man auch die alten, fadenscheinigen und abgetragenen Argumente gegen den Anarchismus widerlegen mag, immer werden sie einem mit der liebenswürdigsten Unverfrorenheit wieder unter die Nase gehalten.

Soeben kommt mir der „Freidenker“ vom 13. Mai zu Gesicht, und da sehe ich, dass Herr Boppe in einem Artikel: „Mensch und Staat“, auch wieder die alten, bekannten Beschwörungsformeln gegen den Anarchismus der Reihe nach aufmarschieren lässt. Ich muss beim Durchlesen des Schriftstückes unwillkürlich an den Kapuziner aus „Wallensteins Lager“ denken. Welche mögen wohl die Kroaten sein, die Herrn Boppe (drohend oder ermutigend?) die Worte zuflüstern:

Bleib da, Pfäfflein, fürcht dich nit; Sag dein Sprüchel und teils uns mit!

Die alte Geschichte vom „Urzustand“ will ich diesmal nicht auf Herrn Boppes Konto schreiben; denn die erzählt er augenscheinlich nur, weil die Kroaten sie durchaus hören wollen. Herr Boppe blamiert sich eigentlich durch diese Geschichte; denn er sagt weiterhin selbst, dass die Anarchisten dem „Staate“ eine „Gesellschaft“ substituieren wollen. Der letzte Teil des Artikels lässt übrigens für mich keinen Zweifel mehr darüber, dass Herr Boppe die Idee des Anarchismus ganz gut erfasst hat; ob es nun aber sein Eigendünkel ist, oder ob ihn die bösen Kroaten dazu zwingen, das Ding um jeden Preis anders zu nennen, das vermag ich nicht zu sagen. Weitere Belehrung würde ihm gegen diese beiden Vorgesetzten – Eigendünkel und Kroaten – nichts helfen können: Es ist Herr Boppes eigene Gewissenssache, ob er seiner bessern Einsicht oder seinen Vorgesetzten folgen will.

Es gibt aber noch andere Menschen, welche auch viel Albernes über den Anarchismus denken und sagen, aber nur, weil sie es nicht besser verstehen und weil sie sich zu sehr nach grossen Männern, wie Herr Boppe einer ist, zu richten pflegen; sie sind ehrlich, wie Herr Boppe auch, aber ausserdem lassen sie sich weder durch Eigendünkel noch durch Rücksicht auf Kroaten bestimmen, ihre bessere Erkenntnis einem früher verteidigten Irrtum preiszugeben. Solche Menschen habe ich im Auge, wenn ich es in dem Nachfolgenden unternehme, die Quelle aller gegenseitigen Missverständnisse zwischen Anarchisten und ehrlichen, denkenden Nicht-Anarchisten aufzudecken. Diese Quelle liegt in der Verwechslung zwischen Gesellschaft und Staat. Wenn einmal über diese beiden Begriffe die nötige Klarheit geschaffen sein wird, dann fallen die nichtigen Einwände gegen den Anarchismus in sich selbst zusammen. Wenn man erst begriffen haben wird, dass mit der Abschaffung des Staates nicht die Auflösung der Gesellschaft gemeint sein kann, wenn man zu der Einsicht gelangt sein wird, dass das Gute, welches die Menschen durch gemeinsame Anstrengung erreicht haben, nicht dem Staate, sondern der Gesellschaft zu verdanken ist, dann werden endlich auch dem modernen Don Quijote, welcher den „Riesen“ Anarchismus bekämpft, die Augen darüber aufgehen, dass sein „Rozinante“ ein alter Klepper und sein „Helm des Mambrinus“ ein blechernes Barbierbecken ist.

Der Anarchismus bekämpft nicht die Gesellschaft, sondern den Staat; der Anarchismus lehrt, dass Staat und Gesellschaft voneinander getrennt werden können; dass die Fortschritte in der Zivilisation nicht dem Staate, sondern der Gesellschaft zu verdanken sind; dass der menschliche Fortschritt mit einem Rückschritt des Staates, und umgekehrt ein Rückschritt der menschlichen Gesellschaft mit einem Umsichgreifen des Staates immer Hand in Hand gegangen sind und noch gehen. Der Anarchismus ignoriert nicht, wie seine Gegner, die Tatsache, dass der Staat gewissen unabweisbaren Erfordernissen des Fortschritts nur den Weg der gewaltsamen Revolution offen lässt und dann nach verhältnismässig grossen Opfern nur einen kleinen Gewinn übrig lässt.

Der Anarchismus erkennt eine natürliche Gleichberechtigung aller Menschen an, er kann sich für keine Zivilisation begeistern, welche einer künstlichen Ungleichmässigkeit der Menschenrechte Vorschub leistet; gleichzeitig aber vertritt er die Überzeugung, dass eine Gesellschaft, je mehr sie den Staat ganz abgestreift hat, eine umso natürlichere Grundlage eines ungehemmten, das Wohl aller gleichmässig fördernden, keiner gewaltsamen Revolution bedürfenden Fortschritts sein muss.

Das ist nun alles recht schön gesagt, aber verstanden wird es so ohne Weiteres noch nicht, zumal es so Viele nicht verstehen wollen. Die Frage bleibt noch offen: „Wo hört die Gesellschaft auf, wo fängt der Staat an, und umgekehrt?“ Die meisten Menschen sehen die Gesellschaft schon in die Grenzen des Staates übergehen, sobald dieselbe irgendwelche Form der Organisation annimmt. Diese sind mit dem Anarchismus bald fertig; denn ausserhalb des Staates können sie nun Herrn Boppes „Urzustand“ erblicken; wollen die Anarchisten diesen nicht, so können sie nur den Staat wollen, also ist „Abschaffung des Staats“ Phrase.

Wir stehen somit noch vor dem Problem, die Grenze anzugeben, welche eine organisierte, zivilisierte Gesellschaft nicht überschreiten darf, ohne dem Staat in die Klauen zu fallen; die Kenntnis dieser Grenze ist nötig, wenn man den Staat abschaffen will, ohne die Gesellschaft zu zerstören. Ich gebe zu, dass für die Meisten eine solche Grenze nicht sichtbar ist, da für sie Staat und Gesellschaft ineinanderfliessen; auf Grund dieses eignen Unvermögens aber gleich die Gegner unpraktische Schwärmer, Fantasten u. dgl. zu nennen, wie das heutzutage bei manchem Gebrauch ist, ist eines gebildeten Mannes nicht würdig. Dass ein Unterschied zwischen Staat und Gesellschaft existiert, hat schon vor hundert Jahren Thomas Paine gesagt, und Thomas Paine pflegte sich bei dem, was er sagte, auch immer etwas zu denken. Seine darauf bezüglichen Worte lauten ungefähr so: „Viele Menschen haben Gesellschaft und Staat derartig miteinander verwechselt, dass sie wenig oder gar keinen Unterschied zwischen ihnen übrig gelassen haben. Die Gesellschaft entsteht durch unsere Bedürfnisse, der Staat durch unsere Schlechtigkeit. Die Gesellschaft ist in jedem Staate ein Segen, der Staat aber in seiner besten Form ein notwendiges Übel, in seiner schlimmsten aber, ein unerträgliches.“

Nach hundert Jahren sollten wir Paines Ideengang wenigstens so weit entwickelt haben, dass wir sagen könnten: „Der Staat ist im besten Falle ein schwer zu beseitigendes Übel.“

Doch ich will mich nicht weiter auf Autoritäten berufen; wir haben Beispiele genug, an welchen man wenigstens merken kann, dass ausser dem Staate noch eine Gesellschaft existiert, welche ganz anders arbeitet, als der Staat. In schwach besiedelten westlichen Gegenden kommt es oft vor, dass einige Desperados eine ganze Stadt tyrannisieren können. Die Organe des Staates erweisen sich machtlos dagegen, stecken manchmal sogar mit den Strolchen unter einer Decke. Endlich rafft sich die Gesellschaft auf, stellt den Staat mit seinen Gesetzen beiseite, organisiert ein Vigilanzkomité, und sofort macht das bisherige wüste Treiben der musterhaftesten Ordnung Platz. Dieselbe Bevölkerung, welche sich als freie Gesellschaft so gut zu helfen weiss, hatte auch als Staat fungiert, indem sie die Richter, Konstables, etc., erwählte und sich den Gesetzen unterstellte. In diesem Falle aber war sie ohnmächtig und hilflos, im andern nicht. So etwas sollte doch immerhin beweisen, dass Staat und Gesellschaft zwei verschiedene Dinge sind.

Heutzutage sehen wir, dass sich die Arbeiter in eine grosse Gesellschaft gruppieren. Sie haben dadurch schon Aufbesserung der Löhne, Verkürzung der Arbeitszeit, ja sogar schon einigen Schutz gegen willkürliche Entlassung erlangt. Stellenweise ist es ihnen auch gelungen, einen Teil der Staatsmaschine in ihre Gewalt zu bekommen. Sofort werden ihre besten Führer korrupt und unzuverlässig, die von ihnen erwählten Beamten üben Klassenjustiz gegen sie selber, und zur Besserung ihrer Verhältnisse wird von dieser Seite nichts mehr getan. Im ersten Falle gingen die Arbeiter vor als Gesellschaft, im zweiten als Staat. Zeigt sich hier kein Unterschied zwischen diesen beiden Dingen? Noch mehr! Schon das blosse Liebäugeln und Hinneigen der Gesellschaft zum Staat hat Korruption im Gefolge. Die Arbeitsritter und ihre Führer gingen mutig im Dienste der Gerechtigkeit voran und erzielten auch manches, solange sie sich bewusst blieben, dass sie ausserhalb des Staates ständen und diesen als ihren natürlichen Feind zu betrachten hätten. Wie ist das anders geworden, seitdem die innere Organisation der Form des Staates zustrebt und nach aussen hin freundschaftliche Beziehungen mit dem einstigen Feinde kultiviert werden!

Wenn jemand sich die Aufgabe stellte, gegen den Staat alle mögliche üble Nachrede zu erfinden, so könnte er unmöglich alles das aufbringen, was uns die nackten Tatsachen mit mathematischer Genauigkeit demonstrieren. Wer so die besten, die edelsten, die klarblickendsten Männer sofort stolpern und wanken und ihre heiligsten Grundsätze verleugnen sieht, sobald sie sich dem Staate nähern oder von der Wirksamkeit des Staates etwas erhoffen, der wird wohl kaum noch mit Zuversicht auf sich selber zu trauen wagen; der wird kaum noch den Mut haben, zu behaupten, dass seine eigenen Prinzipien vor der freundschaftlichen Berührung mit dem Staate stichhaltig sein müssten.

Es hilft hier den Freunden des Staates nichts, wenn sie sagen, dass man doch eigentlich keinen zwingenden Grund für diese sonderbaren Tatsachen sähe. Die Tatsachen sind einmal da und erscheinen mit einer solchen Regelmässigkeit in Verbindung mit dem Staate, dass in diesem letztern ein Grund dafür liegen muss, ganz gleich, ob man ihn sieht oder nicht. Dass man bei den bisherigen Verbesserungen und Ummodelungen des Staates jenen Grund noch nicht entfernt hat, zeigt die Tatsache, dass dieser neueste Staat noch ebenso korrumpierend, verpestend und degenerierend auf seine Subjekte wirkt wie der frühere. Ebenso zeigen aber auch die Tatsachen, dass die Gesellschaft allein nicht jene Pestatmosphäre des Staates um sich verbreiten muss. (Ich habe solche Tatsachen schon angeführt.) Dann haben wir endlich auch Beispiele, in welchen eine ursprünglich reine, d. h. von den Gebrechen des Staates freie Gesellschaft allmählich zum Staate degenerierte, wie bei den Arbeiterorganisationen der Fall war, welche das Feld ihrer Tätigkeit in die Politik verlegten.

Wenn wir nun die Unterschiede prüfen, welche zwischen einer als Staat existierenden und einer freien Gesellschaft bestehen; wenn wir ferner den Weg verfolgen, den eine ursprünglich freie, später aber zum Staat degenerierte Gesellschaft zurückgelegt hat, dann sollte es doch möglich sein, die charakteristischen Merkmale anzugeben, welche die Eigentümlichkeit des Staates ausmachen, und vor welchen sich die Gesellschaft zu hüten hat, wenn sie nicht wieder dem Staate zur Beute fallen will.

Der erste in die Augen fallende Unterschied zwischen dem Staat und den von mir als Beispiel angeführten Gesellschaften ist der Modus ihrer Entstehung. „Der Staat“, sagt Paine, „entsteht durch unsere Schlechtigkeit, die Gesellschaft aber durch unsere Bedürfnisse.“ Der Staat wurde noch ausnahmslos durch Waffengewalt gegründet, wobei die Triebfeder der Vorteil der Beherrscher war, den Bedürfnissen der Gesellschaft aber zuwidergehandelt wurde. Wo aber die Gesellschaft sich organisiert, wie in einem Vigilanzkomité, wie in einer Arbeitervereinigung, da geben die von der Gesellschaft empfundenen Bedürfnisse den Anstoss dazu, da macht es sich ganz von selbst, dass die fähigsten und besten Männer an die Spitze kommen; da fügt sich Jeder freiwillig in die als notwendig erkannte Disziplin, selbst wenn schwere Opfer damit verbunden sind; der Erfolg aber ist der, dass auch wirklich dem Bedürfnis Rechnung getragen wird. Halten wir daneben den Erfolg, welchen die aus denselben Elementen zusammengesetzte Gesellschaft zu verzeichnen hat, wenn sie sich als Staat organisiert, so wird der Unterschied in die Augen fallen. Die politische Arbeiterpartei von Milwaukee liess in ihrer letzten Plattform alle Anforderungen im Namen der Gerechtigkeit und Menschenrechte in dem Verlangen nach öffentlichen Badeanstalten gipfeln! Bei der Entstehung dieser Organisation als Gesellschaft handelte es sich darum, dass die Ausbeutung der Massen durch Wenige bekämpft würde; das war ein Bedürfnis, welches alle empfanden. Bei ihrer Entstehung als Staat aber war das Ziel, den Herren so und so diese und jene Ämter zuzuteilen. Hierbei konnte man unmöglich von einem Bedürfnis sprechen, welches die Massen empfanden.

Die Entstehung der rein gesellschaftlichen Organisation aus den Bedürfnissen führt zu der Konsequenz, dass sie aufhören muss, wenn das Bedürfnis, welches zu ihrer Entstehung führte, befriedigt ist. So löst sich das Vigilanzkomité auf, wenn Ruhe und Ordnung wieder hergestellt worden sind. Der Staat dagegen erklärt seine Einrichtungen stets in Permanenz, und so werden sie dann zu Handhaben und Geisseln, mit denen menschliche Schlechtigkeit die Gesellschaft verhindert, ihre Bedürfnisse geltend zu machen.

Von jeher haben die Vertreter des Staates danach gestrebt, die Existenz ihrer Einrichtungen künstlich zu rechtfertigen und sie dadurch gegen den Druck der gesellschaftlichen Bedürfnisse zu sichern. Darin liegt ein zweites Unterscheidungsmerkmal zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Organisation; es ist dies der Glaube an die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Staates. Dieser Glaube, welchen das Kind mit der Muttermilch einsaugen muss, welcher selbst dem Vorurteilslosesten, wie sein eigener Schatten, bis ins Grab hinein folgt, er erklärt die Macht des Staates, er ist die Kette, welche bis heute noch die Gesellschaft verhindert hat, sich von ihrem schlimmsten Feinde zu befreien. Durch diesen Glauben bleibt derjenige frei von dem Odium des Mörders, von der Rache des beleidigten Rechtsgefühls, welcher die frivolsten Morde durch Galgen und Henkerbeil verübt, welcher Millionen seiner Mitmenschen auf Schlachtfeldern verbluten lässt.

Aus dem Glauben an die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Staates folgt naturgemäss als drittes Kennzeichen des Staates der Glaube an seine Vorzüglichkeit. Wie viel Unheil dieser Erzfeind der Menschheit anrichten darf, wie lange Millionen sein unerträgliches Joch geduldig tragen, ehe sie anfangen, seine Mängel zu sehen, das lehrt ja die Geschichte zur Genüge. Der Glaube, dass man der Sorge für sein Wohlergehen durch eine heilige und unübertreffliche Einrichtung überhoben sei, führt zu Gleichgültigkeit und Abstumpfung des Rechtsgefühls der Massen und macht das Volk zur willenlosen Maschine, durch welche menschliche Bosheit und Niedertracht ihre selbstsüchtigen Absichten auf Kosten der Gesellschaft verfolgen.

Die Rücksicht auf die Raumverhältnisse von Libertas veranlasst mich, hier meine Ausführungen zu schliessen; meine Absicht ist, durch diese Arbeit die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, dessen gründliche Bearbeitung zur Klärung der meisten Missverständnisse über den Anarchismus dringend geboten ist. Möge der Erfolg meine Erwartungen bestätigen.

PAUL BERWIG.

(Libertas 5, Samstag, 19. Mai 1888, S. 2–3.)

Anmerkungen