Türchen Nummer 12
Für diesen Dichter ungewöhnlich
Weihnacht
Es blüht der Winter im Geäst, Und weiße Schleier fallen. Einsam erfriert ein Vogelnest. Wie vormals läßt das Weihnachtsfest Die Glocken widerhallen.
Es neigt sich über uns der Raum. Darin auch wir uns neigen. Es glänzt der Kindheit Sternentraum. Ein Tränenstern blinkt hoch am Baum. Das Licht weint in den Zweigen.
Johannes R. Becher: Gedichte. Werke in 3 Bd., Band 1. S. 437. 2. Auflage. © 1976 Aufbau Verlag Berlin und Weimar, DDR
Ach, der Becher. Der, der sich als Jugendlicher beinahe erschoß. Der, der den Text der Nationalhymne schrieb („Auferstanden aus Ruinen / und der Zukunft zugewandt …” – lesenswerter Text übrigens). Der Johannes R. Becher, der erster Kulturminister der DDR war und Vorsitzender des Kulturbundes. Es überrascht mich immer wieder, daß er auch durchaus Gedichte schrieb, die nichts Politisches (jedenfalls nichts offen Propagandistisches) zum Thema haben; vielleicht ist es mir seit meinem letzten Literaturunterricht 1982 auch einfach nur immer wieder entfallen.