Die Kunst des Möglichen: Effectuation als Kompass in unsicheren Gewässern

Das Leben als Segeltörn auf offener See

In einer Welt voller Unsicherheiten ist es essenziell, Entscheidungen zu treffen und Ziele zu erreichen, ohne klare Vorhersagen über die Zukunft machen zu können. Effectuation bietet hier neue Wege für Unternehmer und Individuen, die mit grosser Ungewissheit konfrontiert sind. Die Methode basiert auf den Beobachtungen von Saras Sarasvathy, einer amerikanischen Betriebswirtschaftsprofessorin. [1] Anstatt sich auf unsichere Prognosen zu verlassen oder ausufernde Marktanalysen durchzuführen, konzentriert sich #Effectuation auf das, was unmittelbar verfügbar ist: die eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse und sozialen Netzwerke. Mit dieser Methode können wir unsere Ressourcen optimal nutzen und erfolgreich sein.

Sarasvathy formulierte vier grundlegende Prinzipien, die traditionelle Planungsmethoden hinter sich lassen. Diese wurden durch die Analyse der Herangehensweisen erfahrener Unternehmer ermittelt, die vor allem in der Gründungsphase mit grossen Unsicherheiten konfrontiert waren.

Die vier Prinzipien der Effectuation

Effectuation unterscheidet sich deutlich von klassischen betriebswirtschaftlichen Konzepten und ist besonders wertvoll in Situationen, in denen die Zukunft ungewiss ist und langfristige Planungen kaum oder noch nicht möglich sind. Hier sind ihre vier einfachen Prinzipien:

  1. Mittelorientierung statt Zielorientierung („Bird-in-Hand“): Erfolgreiche Menschen starten mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen – wer sie sind, was sie wissen und wen sie kennen – und überlegen, welche Ziele sie damit erreichen können.
  2. Leistbarer Verlust statt erwarteter Ertrag („Affordable Loss“): Statt auf ungewisse zukünftige Gewinne zu setzen, konzentrieren sie sich auf das, was sie bereit sind zu riskieren, und begrenzen somit ihren möglichen Verlust.
  3. Partnerschaften statt Konkurrenz („Crazy Quilt“): Statt allein zu agieren, suchen sie frühzeitig nach Mitstreitern und Partnern, die eigene Ressourcen einbringen und somit das Vorhaben mitgestalten.
  4. Den Zufall nutzen („Lemonade“): Unerwartete Ereignisse und Zufälle werden nicht vermieden, sondern als Gelegenheiten betrachtet, die genutzt werden können, um neue Wege zu beschreiten und das Potenzial für Innovationen zu erhöhen.

Tabelle: Mittelorientierung vs. Zielorientierung

ZIELORIENTIERUNG – kausale Logik MITTELORIENTIERUNG – Effectuation
Grundannahme Ohne klares und eindeutiges Ziel ist jedes Handeln sinnlos. Beginne bei dem, wer du bist, was du weisst und wen du kennst – und nicht bei mythischen Zielen.
Gegeben Klares Ziel Eigene Mittel
Gesucht Mittel, um das Ziel zu erreichen Ergebnisse, die mit den gegebenen Mitteln erreicht werden können
Erfolgskriterium Das zuvor gesteckte Ziel erreichen Mit den verfügbaren Mitteln ein sinnvolles und zufriedenstellendes Ergebnis erzielen
Leitfragen Welches Ziel soll erreicht werden? Welche Mittel sind erforderlich, um das Ziel am schnellsten/günstigsten/effizientesten zu erreichen? Wer bin ich? Was weiss ich? Oder: Wer sind wir? Was wissen wir? Welche Ergebnisse kann ich oder können wir mit den gegebenen Mitteln erzielen?

Quelle: Michael Faschingbauer (2010): Effectuation. Schäffer-Poeschel, Stuttgart.

Diese Prinzipien bilden das Fundament für eine Herangehensweise, die das Handeln in den Vordergrund stellt und somit ermöglicht, dass auch ohne genaue Prognosen erfolgreich agiert werden kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass klassisches Planen wertlos ist. Im Gegenteil, Sarasvathy versteht Effectuation als ergänzende Methode, die vor allem zu Beginn eines Vorhabens zum Tragen kommt, wenn es darum geht, Ungewissheiten aus dem Weg zu räumen. Je mehr Sicherheit man durch sein Handeln erreicht, desto sinnvoller ist es, nach dem klassischen Schema „Ziele setzen, planen, umsetzen“ vorzugehen.

Effectuation als Mindset im Selbstmanagement

1. Persönliche Ziele klären

Das Leben gleicht oft einem Segeltörn auf offenem Meer, bei dem jeder Windstoss und jede Welle neue Entscheidungen erfordert. Effectuation empfiehlt, die Segel nach den verfügbaren Winden zu setzen und die Ziele anhand der gegenwärtigen Mittel zu definieren, anstatt nach einem fernen Leuchtturm zu suchen, der möglicherweise im Nebel der Zukunft verborgen liegt. Was bedeutet das für unser Selbstmanagement? Indem wir uns auf unsere vorhandenen Fähigkeiten, unser Wissen und unsere sozialen Netzwerke besinnen, können wir realistische und erreichbare Ziele setzen. Wir sollten uns fragen, welches unsere Stärken sind und wer uns unterstützen kann. Diese Selbstreflexion ist der Anker, der uns ermöglicht, auch in stürmischen Zeiten Kurs zu halten.

2. Strategien für das Selbstmanagement

Nachdem wir unsere Ressourcen identifiziert haben, geht es darum, unser Handeln darauf auszurichten. Hierbei geht es nicht nur um das blosse Erreichen von Zielen, sondern auch um den Weg dorthin – ein Weg, der von bewussten Entscheidungen und dem flexiblen Umgang mit Ressourcen geprägt sein sollte. Anstatt sich auf den maximalen Erfolg zu fokussieren, der oft von unsicheren Prognosen abhängt, sollten wir unser Handeln an dem ausrichten, was wir zu verlieren bereit sind. Dieser „leistbare Verlust“ dient als Grenze unserer Experimentierfreudigkeit, die uns erlaubt, neue Wege zu beschreiten, ohne dabei zu viel zu riskieren. Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist nicht „Was ist der höchste Gewinn, den ich erzielen kann?“, sondern „Was ist der Verlust, den ich noch verkraften kann?“

Lernen als Mindset

3. Lernen durch Partnerschaft und Zufall

#Lernen und Wachsen sind Teamleistungen. Effectuation legt nahe, Partnerschaften zu suchen und zu pflegen. Das können Mentoren, Gleichgesinnte oder Gruppen sein, die ähnliche Ziele verfolgen. Diese Gemeinschaften bereichern nicht nur unser Wissen und unsere Fähigkeiten, sondern bieten auch emotionale Unterstützung und neue Perspektiven. Gleichzeitig ermutigt uns Effectuation, den Zufall als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren. Unerwartete Ereignisse sollten nicht als Störungen betrachtet werden, sondern als Chancen, um über den Tellerrand hinauszuschauen und kreative Lösungen zu finden.

Durch das Zusammenspiel von klaren Zielen, strategischem Selbstmanagement und dem bewussten Umgang mit Partnern und Zufällen wird Effectuation zu einem einfachen Mindset für unser persönliches Wachstum. Indem wir diese Grundsätze in unser tägliches Leben integrieren, kann ein Umfeld geschaffen werden, das nicht nur der Unsicherheit trotzt, sondern diese auch zu unserem Vorteil nutzt. So gestalten wir unsere eigene Zukunft als Architekten, indem wir sie aktiv mitgestalten, anstatt sie nur vorherzusagen.

Fazit


Fussnoten [1] http://dx.doi.org/10.5465/AMR.2001.4378020

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Das Coverbild wurde mit Dall-E erstellt, Prompt: „Create an illustration in the style of sketchnotes with markers, featuring a sailboat on the open sea with a compass in the background, symbolizing navigation and decision-making. The boat is adjusting its sails to catch the winds, and a faint lighthouse is seen in the distance, partially obscured, indicating a non-fixed goal. The sea has waves shaped by the winds, symbolizing the changing environment. The background should be plain white, without any text, flipchart, or room elements, to emphasize the subjects.“

Bildquellen 1. Michael Gisiger, CC BY-NC-SA 4.0, via PixelFed 2. Pexels

Topic #Erwachsenenbildung


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