Advent-Gedanken

Was war das Besondere im Advent dieses Jahr für mich? Ein paar von den Dingen:

  • Das Weihnachtsgeheimnis von Jostein Gaarder: Jeden Morgen das Hörspiel hören.
  • Vier Tage bei der Tochter und den Enkeln, der tägliche Spaziergang, die Aufführungen der Kinder, Arbeit “remote”.
  • Der Mitmach-Gottesdienst am Dritten Advent und die vielen tollen Reaktionen der Teilnehmenden.
  • So manches Seelsorge-Gespräch, so manche Supervision.
  • Mit dem Männer-Kreis abends im Wald.
  • Die Gedichte von Daniela Danz bei Feinschwarz.
  • Dieser Blog hier.

Und bei dir so?

#Advent

Auch jetzt, im Winter, finde ich es reizvoll, in die Natur zu gehen, und sei es nur in Gedanken:

Gehe auf eine Wiese; da siehest du mancherley Kraut und Blumen, du siehest bittere, du siehest herbe, süße, saure, weiße, gelbe, rote, blaue, grüne und mancherley. Spricht auch ein Kraut, Blume, Baum zum andern: du bist sauer und dunkel, ich mag nicht neben dir stehen? Wachsen sie nicht alle aus der Erde? Stehen sie nicht nebeneinander? Mißgönnet auch eins dem andern seine schöne Gestalt? Haben sie nicht alle Eine Mutter, daraus sie wachsen?

Also auch alle Seelen aus Einer. Alle Menschen aus Einem. Warum rühmen wir uns Kinder Gottes, so wir doch unverständiger sind als die Blumen und das Kraut auf dem Felde? Ists nicht auch also mit uns, daß Gott seine Weisheit in uns offenbaret? Wir sollten uns vielmehr darüber erfreuen und uns herzlich lieben, daß Gott seine Weisheit in uns so vielfältig offenbaret.

Jakob Böhme

Sie gehört zu den Errungenschaften jüdischer Kultur, die alle für ganz seblstverständlich nehmen: die Sieben-Tage-Woche. In der Torah festgeschrieben und fast auf der ganzen Erde übernommen. Der Rhythmus von 6 Tagen Arbeit und einem Tag Ruhe ist zumindest bei uns quasi in DNA übergegangen. Ich liebe ihn – vor allem den Sonntag, der der Woche die Erlaubnis gibt, von der Effizienz abzuweichen.

Viele Menschen haben den Samstag als zweiten Ruhetag, zmindest für die Ruhe von der Erwerbsarbeit. Zu tun gibt es immer genug. Bleibt der Sonntag als Geschenk an uns, das wir nur annehmen müssen.

In meiner Timeline erscheint täglich ein Bild von der Sonne. Es ist ein Bild vom Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt.

Astronomische Aufnahme von der Sonne

Mich beindruckt nicht nur die Aktivität dieses Himmelskörpers. Mir wird auch immer wieder bewusst, was die Sonne für uns bedeutet. Und wie wichtig es ist, dass die Erde genau den richtiger Abstand hat, um Leben zu ermöglichen. Wenn irgendwas anders wäre im System, gäbe es uns nicht.

Und das sollte Zufall sein?

Dass ich mich inzwischen von den Netzwerken verabschiedet habe, die von amerikanischen Milliardären für ihre Zwecke genutzt werden (X, Insta...), ist für mich selbstverständlich. Dennoch verbringe ich jeden Morgen eine Zeit, um meine Timeline zu lesen: im Fediverse bei Mastodon. Ich reagiere, poste eigene Dinge und bin im Kontakt. Warum tue ich das? Manchmal frage ich mich, was mir das zusätzlich zu den Kontakten eigentlich bringt, die ich im real live habe? Wäre die Zeit nicht anders besser verbracht?

Ich glaube, der größte Gewinn ist, dass ich dort Menschen erlebe und mit ihnen “rede”, die ich sonst nicht erleben würde. Ich lese von Perspektien, die mir fremd sind, und bekomme Information, die ich sonst nicht hätte. Das tut mir gut – auch, wenn ich immer wieder überlege, ob ich nicht auch mal wieder aussteige. Bis dahin erlebt ihr mich hier:

Dazu kommt natürlich die Prediger-App, ein soziales Netzwerk (auf Humhub-Basis) für Leute, die zur Predigergemeinde Erfurt gehören oder mit ihr verbunden sind. Das ist nochmal was ganz anderes: Zusätzliche Vernetzung, Austausch, Informationsweitergabe innerhalb einer Gemeinschaft, die mir wiching ist und mein Leben bereichert. Die will ich nicht mehr missen.

Hast du schon alle Geschenke zum Weihnachtsfest beisammen?

Weniges in der Adventszeit ist für mich so ambivalent wie die Sache mit den Geschenken fürs Weihnachtsfest (oder selbst im Stiefel zu Nikolaus). Manchmal sehne ich mich in eine Welt, wo die Menschen das Nötige haben, aber alles Weitere wirklich etwas ganz Besonderes ist. Was kann man in solch einer Welt für Geschenke machen! Eine Tafel Schokolade. Eine kleine bunte Kerze. Ein winziges Tütchen Kaffee für einen ganz besonderen Morgen. Für jeden ein Stück Stollen für den Weihnachtstag...

Es ist ein großes Geschenk, dass viele von uns alles haben, was sie zum Leben brauchen. Selbst das Besondere, das dann oft zum Alltäglichen wird – es steht jederzeit zur Verfügung. Darauf dann noch Geschenbe zu setzen, die den Tag besonders machen, ist nicht gerade einfach.

Gott ist’s aber, der uns fest macht und uns gesalbt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.
So steht es heute in der Kirchenjahreslese aus der Bibel (2. Korinther 1, 21f)

Der Geist in meinem Herzen. Näher kann Gott mir wohl nicht kommen. Spüre ich ihn? Manchmal? Oder warte ich auf seine Ankunft? Warte ich auf den #Advent?

Dieses Gedicht hat Sara Lesch gestern im Konzert in Leipzig vorgelesen und gefragt: Was, wenn die, die Erich Kästner hier anspricht, nicht die sind, sondern wir?

Ansprache an die Millionäre

Warum wollt ihr so lange warten, bis sie euren geschminkten Frauen und euch und den Marmorpuppen im Garten eins über den Schädel hauen?

Warum wollt ihr euch denn nicht bessern? Bald werden sie über die Freitreppen drängen und euch erstechen mit Küchenmessern und an die Fenster hängen.

Sie werden euch in die Flüsse jagen. Sinnlos werden dann Schrei und Gebet sein. Sie werden euch die Köpfe abschlagen. Dann wird es zu spät sein.

Dann wird sich der Strahl der Springbrunnen röten. Dann stellen sie euch an die Gartenmauern. Sie werden kommen und schweigen und töten. Niemand wird über euch trauern.

Wie lange wollt ihr euch weiter bereichern? Wie lange wollt ihr aus Gold und Papieren Rollen und Bündel und Barren speichern? Ihr werdet alles verlieren.

Ihr seid die Herrn von Maschinen und Ländern. Ihr habt das Geld und die Macht genommen. Warum wollt ihr die Welt nicht ändern, bevor sie kommen?

Ihr sollt ja gar nicht aus Güte handeln! Ihr seid nicht gut. Und auch sie sind’s nicht. Nicht euch, aber die Welt zu verwandeln, ist eure Pflicht!

Der Mensch ist schlecht. Er bleibt es künftig. Ihr sollt euch keine Flügel anheften. Ihr sollt nicht gut sein, sondern vernünftig. Wir sprechen von Geschäften.

Ihr helft, wenn ihr helft, nicht etwa nur ihnen. Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken. Die Welt verbessern und dran verdienen – das lohnt, drüber nachzudenken.

Macht Steppen fruchtbar. Befehlt. Legt Gleise. Organisiert den Umbau der Welt! Ach, gäbe es nur ein Dutzend Weise mit sehr viel Geld…

Ihr seid nicht klug. Ihr wollt noch warten. Uns tut es leid. Ihr werdet’s bereuen. Schickt aus dem Himmel paar Ansichtskarten! Es wird uns freuen.

Der Mensch, der seinen Geist nicht über sich erhebt, Der ist nicht wert, dass er im Menschenstande lebt.

(Angelus Silesius)

Es gehört wohl zum Menschsein, über sich hinaus zu denken und zu fühlen. Das Streben nach Transzendenz ist Teil unseres Wesens. Es ist eine Form der Armut, wenn ich die Wirklichheit auf das Messbare reduziere.

Wenn ich auf mein Leben schaue, ist es vor allem sehr viel Bewegung. Zwei Berufe, mehrere Wohn- und Arbeitsorte, die Kinder, immer wieder neue Projekte... Eigentlich bin ich stets in Bewegung. Und meistens genieße ich das.

Aber manchmal brauche ich auch das: einfach still sitzen. Nichts hören, den Blick unkonzentriert, kein besonderes Thema zum Denken. Die Gedanken kommen von allein. Sie kommen und gehen, kreiseln und wirbeln. Und wenn es gut geht, geben auch sie irgendwann Ruhe.

Sitzen und ruhen. Kein Ziel, kein Zweck. Einfach nur da sein.