Der Emil

Notizblock

Ja, es hatte mich heute morgen ein kleines Tief erwischt. (Es war ein Drop, um den Fachbegriff zu erwähnen.) Ich brauchte einige Zeit, aber nicht zu lange, mich wieder zu sortieren. Und ich hatte großartige Hilfe dabei (vielen Dank dafür).

Ich bin also raus aus dieser tiefen Traurigkeit, hatte in ihr sogar in ein Kissen geweint und damit die letzten Moleküle Deines Duftes aus ihm herausgespült. Ich wurde aufgemuntert, mit einem Versprechen für die Ewigkeit. (Nein, das wird sich nicht erst nach einer Ewigkeit erfüllen, aber mindestens bis in diese dauern.) Ach ja, das Leben kann auch schön sein und voller Hoffnung.

Jahreszeitlich passend

Schwalbengeschwatze Unter der Scheunentraufe Abflugsrücksprachen

Herbstanfang in Stadt und Land Zugvögel versammeln sich

Es sind nicht immer gewaltige, beeindruckende Situationen, in denen sich das Leben verändert, verändern muß, verändern kann. Vom Dramatischen wird dennoch zumeist lebensverändernder Einfluß erwartet. Wer sich selbst und sein Leben einigermaßen aufmerksam beobachtet (und das machen doch schließlich alle, nicht wahr), hat mit Sicherheit schon festgestellt, daß es viel öfter die kleinen, leisen, unspektakulären Momente waren und sind, die zu einem anderen Weiterleben führten und führen.

„Darf ich auch mehr von Deinem Alltag erfahren?” Das „Ja” als Antwort auf diese Frage ist ein solches lebensveränderndes Ereignis, auch nach 20 Jahren noch.

Die Katze hat sichtbar eine lange Zeit in ihrer Familie zugebracht. Das schwarzweißrote Fell ist dünn geworden an mancher Stelle; eine Naht ist mit groben, recht ungeschickten Stichen zusammengezogen. Eines der grünen Glasaugen hängt an schwarzem Faden aus dem Plüschtiergesicht.

Das Tier scheint reichlich abgeliebt. Sagt man das so? Aber es wird noch immer im Arm gehalten, gestreichelt. Noch immer ist die Plüschkatze Begleiterin, Trösterin und Beschützerin.

Wenn sie ihr Plüschtier ansieht, erstrahlt ein kindlich verschmitztes, glückliches Lächeln auf dem Gesicht der Frau im Rollstuhl.

Erstveröffentlichung 2012 in meinem Hauptblog

Und in einem sehr sonderbaren Moment trat eine Bewußtseinshelle ein, ganz so, als hätten sich die deutlich spürbaren und alle anderen Grenzen meiner und der mich umgebenden Wirklichkeit unsichtbar und beinahe unbemerkt über die Dinge meines Lebens hinausgeschoben.

„Aber Du mußt doch das Große und Ganze sehen!?”

Nein. Muß ich nicht. Kann ich nicht. Will ich nicht? Ich bin viel zu detailverliebt und verliere mich gern in der Betrachtung von Kleinigkeiten, bedeutsamen, oft unbeachteten und unbedachten Kleinigkeiten, ohne die es das Große und Ganze nicht geben kann.

(Aus meinem #Denkicht.)

Ich liebe Christa Wolf, ihre Texte und Bücher. Begonnen hat diese Liebe mit dem Buch, das mir eine meiner Deutschlehrerinnen zum Geburtstag schenkte, 1979 oder wahrscheinlicher 1980: Kein Ort. Nirgends.

Eines ihrer Bücher habe ich noch nie gelesen, noch nie in einer Bibliothek gesehen, sogar noch nie vermißt. Aber ich fand es im Oktober 2023 in einem Öffentlichen Bücherschrank, legte es zuhause auf die Stapel und Haufen ungelesener Bücher und vergaß es. Heute habe ich angefangen, genau dieses Buch zu lesen. Das Sommerstück. (Nein, den verlinkten Wikipedia-Artikel las ich nicht. ich möchte das Buch genießen.)

Da ist sie wieder: Die Faszination ihrer Worte. Ihre bildhafte, hineinziehende Sprache. Ich weiß nach knapp 20 Seiten schon, daß ich das „Sommerstück” ebenso lieben werde wie „Kein Ort. Nirgends” – und ich Buchfrevler habe, seit ich dessen Erstausgabe (1. Auflage 1979, Aufbau Verlag) besitze, wild darin hin und her unterstrichen. Das werde ich mit dem Sommerstück (ebenso Erstausgabe, 1. Auflage 1989 im Aufbau Verlag) nicht machen, garantiert nicht. Auch, wenn dieses Buch mit Sicherheit irgendwann einen deutlich erkennbaren Wasser-/Feuchtigkeitsschaden erlitt.

Morgen starte ich die Schnelleserunde neu. Und wenn ich das Buch durchgelesen habe, dann lege ich es mir auf meinen Schreibplatz und werde es genüßlich langsam und gründlich nocheinmal lesen. Und später ganz gewiß wieder und wieder und wieder. So wie das andere, das ich mindestens in jedem zweiten Jahr einmal las in den vergangenen 44 Jahren. Ich freu mich auf jede neue Seite, jeden weiteren gelesenen Satz.

#Lesevergnügen

Es mag stimmen, daß ich nicht schuld bin. Es mag stimmen, daß manches Zufall und/oder Schicksal ist. Es mag sein, daß das so sein muß. Aber dann, dann lade ich die »zweite Schuld« auf mich: Vieles verdrängen aus irgendwelchen Gründen, das ist die zweite – meine – Schuld.

Ein mittlerweile fast überall zu beobachtendes Phänomen, dieses Mißtrauen. Selbst gesicherte Erkenntnisse werden angezweifelt, auch Gesetzestexte werden mißtrauisch gelesen. Denn: „Das kann ja nicht so sein, das kann ja niemand nachgeprüft haben, da steckt doch eine unlautere Absicht dahinter.” Und natürlich ist der mißtrauische Mensch der, zu dessen Nachteil die Erkenntnisse und Gesetze gereichen. Das alles geht gegen ihn ganz persönlich, hilfsweise gegen die Gruppe, der er angehört, dieser Mensch, oder auch ganz einfach gegen das (eventuell spezifizierte) Volk.

Und dann wird im Internet nach allem gesucht, was gegen die Erkenntnisse oder gegen die Gesetze spricht, sprechen kann, sprechen könnte – und nachher wird immer mehr davon gefunden, nur noch das gefunden, wonach gesucht wurde. Und wer anderer Meinung ist, ist ein systemhöriges Schlafschaf der woken Gutmenschen-Sorte, der dem Mißtauischen schaden will.

Und wehe! Wehe, irgendjemand mißtraut diesem mißtrauischen Menschen und hält dessen Meinung für genau das, was sie ist …

Ohne all das unherzeigbare, das sich auf vielen Zetteln und in meinen Kladden ansammelte, wäre bei mir nichts Herzeigbares entstanden, keine Miniatur, kein Tanka, kein Märchen, kein unvollendeter Anfang, kein Doreacht – nichts und gar nichts hätte ich vozuweisen.