Filmbesprechung: Thomas Schütte – Ich bin nicht allein

Biografien über Schriftsteller und Schriftstellerinnen, Musiker und Musikerinnen, Fotografen und sehr selten Fotografinnen, bildende Künstler und selten Künstlerinnen sind ein beliebtes Genre. Da spielt vielleicht die Neugierde eine Rolle, wer denn der Mensch hinter einem Kunstwerk ist. Oft erklären uns diese Dokumentarfilme und Dokumentationen einfach auch die Werke, ganz kompakt, so dass der Mensch vor der Leinwand nicht allzuviel mit ins Kino bringen muss, außer etwas Neugierde und Interesse.

Thomas Schütte ist Bildender Künstler, Bilderhauer, Skulpteur, Zeichner und es gibt von ihm auch Architekturmodelle. Er arbeitet mit Ton, mit Bronze und mit Glas. Der Dokumentarfilm, der auch gerade erst auf dem Dok.Fest München gezeigt worden ist, trägt, wie so oft, den Namen im Titel. Doch das Konzept wurde variiert. Entscheidend ist hier der Zusatztitel “Ich bin nicht allein”. Die Regisseurin Corinna Belz zeigt den Künstler bei seiner Arbeit. Nicht die Biografie steht im Mittelpunkt, sondern das Entstehen eines Werkes, sowohl der kreative als auch der technische Prozess. Entscheidend ist, dass hier die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den spezialisierten Werkstätten, auf die der Künstler angewiesen ist, gleichberechtigt eingebunden wurden.

Die vertrauten Mithelfenden geben durchaus Impulse und es sind die Dialoge, die Momente des Austausches, die dem Publikum einen ganz neuen Blick auf den Schaffensprozess vermitteln. Da findet sich irgendwo in den Regalen einer Werkstatt ein älteres Stück Bronze, ein Nebenprodukt, das einst nicht weg geworfen wurde. Die Werkstatt, es handelt sich um die Gießerei Kayser, kontaktiert den Künstler, man habe da was beim Aufräumen gefunden. Das kleine Modell einer zurückgelehnten Figur steht nun Modell für etwas Neues, natürlich etwas Großes. Die kleine Figur wird zu Die Nixe. Corinna Belz begleitete Schütte über einen längeren Zeitraum und so wird die Nixe zu einem roten Faden.

Corinna Belz, ihr letzter Film machte einen Abstecher In die Uffizien, hat ein feines Gespür für das Künstlerische. Sie kommt von der Philosophie und Kunstgeschichte und hat darüber hinaus auch Germanistik und Medienwissenschaft studiert. Bereits 2007, in ihrem ersten Film hatte sie sich einem Werk, dem Kölner Domfenster, von Gerhard Richter gewidmet. Ihr Dokumentarfilm Gerhard Richter Painting (2011) gilt als der Film über Richter. Der Sprung von Richter zu Schütte ist so groß nicht. Immerhin war Schütte Meisterschüler von, unter anderem, Richter. Belz nimmt Schütte quasi auf einen Spaziergang durch sein Werk mit. Allerlei Anekdoten gibt es dabei als Dreingabe. Schütte, der doch als Alleingänger gilt, wirkt hier aufgeschlossen und humorvoll. Er lässt sich auch auf die neuen digitalen Hilfsmittel ein, und wenn mal etwas schief geht, nutzt er den Zufall als Chance.

Thomas Schütte – Ich bin nicht allein zeigt den Schaffensprozess aus neuen Blickwinkeln. Nicht alles wird erklärt, Belz ist für ihre Neugierde bekannte und weiß diese auch zu vermitteln. Sie zeigt Kunst und künstlerisches Wirken als etwas, und auch dafür hat Schütte eine Anekdote, zu dem wir alle Zugang finden können.

Eneh

Dokumentarfilm Originaltitel: Thomas Schütte – Ich bin nicht allein Regie: Corinna Belz Konzept: Corinna Belz Kamera: David Wesemann, Julia Katinka Cramer Montage: Rudi Heinen Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas Mitwirkende: Thomas Schütte, Peter Freeman, Lluïsa Sàrries Zgonc, Paulina Pobocha, Rolf Kayser, Robert Fischer, Rupert Huber, Niels Dietrich, Heide Jansen, Bernd Kastner, Pietro Sparta, Dieter Schwarz, Antonio Berengo, Nicola Causin, Andrea Salvagno, Sergej Natokin, Gazmend Lipa, Wilson Amer Mati, Sascha Ruf, Sergej Tichanow Deutschland 2022 94 Minuten Verleih: Real Fiction Kinostart: 29. Juni 2023 Festivals: Dok.Fest München 2023 TMDB

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