Vier Worte und ein Notizbuch – für einen besseren Schlaf

Füssli: Nachtmahr

Wer kennt das nicht: Es ist drei Uhr morgens, draussen ist alles still – nur im eigenen Kopf herrscht Hochbetrieb. Gedanken kreisen, Aufgabenlisten wachsen, verpasste Chancen und ungeklärte Fragen drängen sich auf. An Schlaf ist kaum noch zu denken. Solche Nächte sind keine Seltenheit – sie gehören für viele Menschen zum Alltag. Doch muss man diesem inneren Film wirklich tatenlos zusehen?

Psychologische Erkenntnisse legen nahe, dass es beim Wiedereinschlafen weniger um Kontrolle geht – sondern darum, den Gedankenfluss gezielt umzulenken. Zwei Methoden, die besonders in der Nacht ihre Wirkung entfalten können, stehen dabei im Zentrum: eine kurze Formel aus vier Worten und eine gezielte Auseinandersetzung mit dem, was den Schlaf raubt – aber zur richtigen Zeit. Beide sind wissenschaftlich fundiert und leicht umzusetzen.

Was nachts wach hält

Ein wachsender Anteil der Bevölkerung kennt das Phänomen des nächtlichen Aufwachens oder der Schwierigkeiten beim Einschlafen. Die Ursachen sind vielfältig. Neben äusseren Faktoren wie Lärm oder Licht sind es häufig innere Spannungen, die den Schlaf unterbrechen oder verhindern. In der Fachliteratur wird dies als „kognitive Reaktivität“ [1] beschrieben: das automatische, oft schwer steuerbare Anspringen des Denkens in einem Moment, der eigentlich der Regeneration dienen sollte.

Besonders häufig ist dabei das sogenannte Zukunftsgrübeln. Der Psychologe Dr. Michael Gradisar, Leiter der Schlafforschung bei Sleep Cycle, weist darauf hin, dass viele Menschen beim Einschlafen vor allem über die Anforderungen des nächsten Tages nachdenken. Das Gehirn gerät in eine Art Alarmmodus – ein Zustand, der mit Entspannung unvereinbar ist.

Die Vier-Wort-Formel: „Dieser Gedanke kann warten“

Der US-amerikanische Psychologe Jeffrey Bernstein hat über Jahre hinweg mit Menschen gearbeitet, die unter nächtlichem Grübeln leiden. Seine Empfehlung ist ebenso schlicht wie wirksam: „This Thought Can Wait“„Dieser Gedanke kann warten“. Diese vier Worte helfen dabei, den mentalen Druck zu entschärfen, ohne Gedanken zu verdrängen oder aktiv zu bekämpfen.

Die Wirksamkeit der Methode beruht auf mehreren psychologischen Mechanismen:

Bernstein empfiehlt, die Formel mit dem Atem zu verknüpfen: beim Einatmen still denken „Dieser Gedanke …“, beim Ausatmen „… kann warten“. So wird ein beruhigender Rhythmus geschaffen, der gleichzeitig körperlich wie kognitiv wirkt. Ergänzend kann eine Visualisierung helfen: Man stellt sich ein gedankliches Glas vor, in das man Sorgen legt – mit der Absicht, sie am Morgen wieder herauszunehmen, wenn es sinnvoll ist.

Wichtig ist, die Formel nicht als sofortiges Allheilmittel zu betrachten. Sie wirkt nicht durch einmalige Anwendung, sondern durch Wiederholung – ähnlich wie bei Achtsamkeitsübungen geht es um Training, nicht um Kontrolle.

Die Constructive-Worry-Methode: Sorgen bewusst auslagern

Während die Vier-Wort-Formel direkt in der Nacht angewendet wird, setzt die sogenannte Constructive Worry-Methode früher an – idealerweise am frühen Abend. Entwickelt wurde sie von der kanadischen Psychologin Dr. Coleen Carney, die an der Ryerson University zum Zusammenhang von Schlaf und Depression forscht. Ihr Ansatz zielt darauf ab, die gedankliche Aktivität vom Bett weg und in den Tagesverlauf hinein zu verlagern.

Die Methode umfasst drei Schritte:

  1. Zeit schaffen: Rund 15 Minuten werden am frühen Abend reserviert – mindestens zwei Stunden vor dem Zubettgehen.
  2. Sorgen benennen: Es werden drei aktuelle Sorgen schriftlich festgehalten – handschriftlich, nicht digital, um Bildschirmzeit zu vermeiden.
  3. Lösungsansätze formulieren: Zu jeder Sorge wird ein realistischer nächster Schritt notiert, auch wenn dieser nur heisst: Morgen weiter überlegen.

Diese Struktur erlaubt dem Gehirn, innere Spannungen ernst zu nehmen – aber eben zu einem geeigneten Zeitpunkt. Gradisar weist darauf hin, dass die Methode dann besonders effektiv ist, wenn sie über mehrere Wochen hinweg regelmässig praktiziert wird. Studien bestätigen diesen Effekt: In einer Untersuchung aus dem Jahr 2018 schliefen Personen, die eine To-do-Liste für den nächsten Tag verfassten, signifikant schneller ein als jene, die über ihren vergangenen Tag reflektierten.

Ergänzende Massnahmen: Raum für Schlaf schaffen

Auch wenn mentale Techniken zentrale Elemente eines besseren Umgangs mit Schlafproblemen sind, spielen äussere Faktoren eine unterstützende Rolle. Drei Massnahmen bieten sich besonders an:

Solche Massnahmen allein sind kein Garant für guten Schlaf, doch sie bilden ein unterstützendes Fundament für die eigentliche innere Arbeit. Damit können auch #Stress abgebaut und #Resilienz aufgebaut werden.

Was der Körper in der Nacht leistet

Trotz intensiver Forschung ist noch nicht vollständig geklärt, warum wir genau schlafen müssen. Was aber als gesichert gilt: Schlaf ist entscheidend für die körperliche und geistige Regeneration. Während der Nacht konsolidiert das Gehirn Erinnerungen, reguliert Emotionen und stärkt das Immunsystem. Körperlich erfolgen Prozesse wie Zellreparatur, Muskelaufbau und Hormonregulation.

Die optimale Schlafdauer variiert individuell. Die US-amerikanische „National Health Foundation“ (NFH) empfiehlt für Erwachsene zwischen 26 und 64 Jahren sieben bis neun Stunden pro Nacht. Entscheidend ist weniger die exakte Zahl, sondern das Gefühl der Erholung. Wer regelmässig mit bleierner Müdigkeit aufwacht, leidet möglicherweise unter einer sogenannten Schlafschuld [2] – also einem kumulierten Schlafdefizit über mehrere Tage hinweg. Dieses kann das Risiko für körperliche Erkrankungen wie Diabetes ebenso erhöhen wie für psychische Belastungen.

Fazit: Zwei Methoden und drei Tipps

Schlaf lässt sich nicht erzwingen – aber wir können Bedingungen schaffen, die ihm den Weg erleichtern. Statt das eigene Grübeln zu bekämpfen, hilft es, den Kopf in ruhige Bahnen zu lenken. Die beiden hier beschriebenen Methoden bieten dafür einen klaren und praktikablen Zugang:

Zwei evidenzbasierte Methoden:

Drei unterstützende Massnahmen:

Wer diese Schritte als Einladung versteht – nicht als Pflicht – wird entdecken, dass sich der Schlaf oft zurückmeldet, wenn er nicht mehr eingefordert wird. Vier Worte und ein Notizbuch neben dem Bett sind ein Anfang.


Anmerkungen

[1] „Kognitive Reaktivität“ (cognitive reactivity) bezeichnet die Tendenz, dass bestimmte Gedankeninhalte – etwa Sorgen oder selbstkritische Überzeugungen – unter Belastung oder Müdigkeit besonders schnell und automatisch aktiviert werden. In der Schlafpsychologie meint man damit, dass das Gehirn bei nächtlichem Erwachen oder beim Einschlafen sehr leicht in typische, oft problemzentrierte Denkmuster zurückfällt – etwa Grübeleien oder Zukunftssorgen. Dieser Mechanismus kann das Einschlafen oder Wiedereinschlafen erheblich erschweren. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Depressionsforschung und wurde später auch im Zusammenhang mit Schlafstörungen verwendet.

[2] Der Begriff „Schlafschuld“ (sleep debt) bezeichnet den Unterschied zwischen dem individuell benötigten Schlaf und dem tatsächlich erhaltenen Schlaf über einen bestimmten Zeitraum. Wer etwa regelmässig nur sechs Stunden schläft, obwohl der Körper acht Stunden zur Regeneration braucht, häuft täglich zwei Stunden Schlafschuld an. Über eine Woche entsteht so ein Defizit von 14 Stunden. Diese „Schuld“ lässt sich nicht vollständig durch längeres Schlafen am Wochenende ausgleichen. Anhaltende Schlafschuld kann sich negativ auf Konzentration, Stimmung, Immunfunktion und langfristig auf die körperliche Gesundheit auswirken – etwa durch ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen. Die Forschung zeigt: Der Körper braucht nicht nur ausreichend, sondern auch regelmässigen Schlaf, um sich vollständig zu erholen.

Bildquelle Johann Heinrich Füssli (1741–1825): Nachtmahr, Detroit Institute of Arts, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.

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