Heute ist der letzte Tag im #Advent. Für mich war es heuer eine besondere Zeit. Ich habe Jacob Böhme gelesen und Meister Eckhart und Gedichte aus der Sammlung “Das leuchtende Buch”.
Jeden Tag mit geistlichen Gedanken. Oft war es ein Wandern in einer anderen Welt als den Rest des Tages. Oft war es mehr ein Ahnen als ein Verstehen. Und doch hat es hineingestrahlt, nicht selten bis zum Abend. Dafür bin ich dankbar.
Ich gehe durch die Stadt und höre Sätze wie “Schade, dass Weihnachten schon vorbei ist.” oder “In diesem Jahr war die Weihnachtszeit...”
Ich genieße den Ausklang einer ruhigen und geistlich gefüllten Advents-Zeit und bin froh, dass Weihnachten erst beginnen wird. Wie gut war das Fasten, das Morgengebet, die Lektüre, dieser Blog... Zeit der Bereitung.
Und dann, 25.12., Fest der Geburt Christi
Ich liebe sie, die gebundene Sprache. Die Poesie, die Bilder malt in die Seele. Nicht zu verstehen mit dem Verstand, eher gefühlt mit dem Geist und manchmal mit dem ganzen Körper. Flirrend in der Vielfalt der Möglichkeiten. Ganz anders als der Alltag oft: In wenigen Worten oder im Überschwange der Bilder hebt sich Wahrheit auf den zweiten Blick, oder den Dritten... Wahrheit, die tief liegt und hoch fliegt.
Nötig aber arm ist die Welt der Fakten und der Eindeutigkeiten. Es braucht das Vielsinnige, das zum Leben ruft und mich aufnimmt in seine Welt. Damit ich fliegen kann und nicht festklebe...
“Sankt Johannes sprach: »Im Anfang war das Wort« (Joh. I, 1), und er deutet damit an, dass man bei diesem Worte ein »Beiwort« sein solle.” (#MeisterEckhart)
In der Grammatik gibt es ein Adverb (Beiwort) nie ohne das Verb oder Adjektiv, zu dem es gehört. So gibt es den Menschen nicht, ohne, dass er nah bei Gott steht, ob er es weiß oder nicht. Der Mensch ist an Gott gebunden.
Das Adverb gehört zum Verb, also zu einem Tätigkeitswort. Das Bild, Gott sei ein Tätigkeitswort, gefällt mir gut. Es beschreibt nicht das Statische und Feste in Gott, sondern seine Wirkkraft. Auf die es kommt es an. Und das Adverb beschreibt, wie es wirkt. Ich gehe schnell oder langsam. Ich wirke kräftig oder belanglos...
Wie wirkt Gott in dieser, seiner Welt, wenn ich sein Adverb bin?
Susanne Glietsch sieht uns in in der Kirche in einer tiefen geistlichen Krise. Sie macht dafür die übliche Vorstellung Gott als einem “einzelnen Seienden neben anderem Seienden” verantwortlich. “Der 'Alpha-Gott triumphaler Macht und metaphysischer Gewissheit' (Kearney) sind weder gedanklich noch existentiell länger überzeugend.” Einen solchen Gott gibt es wirklich nicht, war schon Karl Rahner vor vierzig Jahren klar.
Glietsch plädiert dafür, Gott stärker in der Beziehung und in göttlicher Gegenwart im Universum zu denken. #MeisterEckhart ist für sie ein Beispiel, Gott in der Wirklichkeit zu denken und zu erfahren.
Das Göttliche kommt in mir zur Welt. Es bestimmt meine Wesenheit oder es ist nicht.
Anmutige Konturen Der aus der Tiefe dämmernden Naturen, Die zwischen Licht und Nächten Des Himmels Abglanz sich erobern möchten Und die Gestirne überfunkeln, Mit ihren schönen Blumen, die verdunkeln, Eh´ sie noch kaum erglühten, Ein ird'scher Himmel schnell verwehter Blüten, Kampfplatz der Elemente, Ihr luft- und flutumspülten Berggelände, Wo durch der Lüfte Wellen Der Vögel Barken bunte Segel schwellen, Der Fische stumm´ Gewimmel Glückselig schwebt in meeresblauem Himmel, Wo zuckende Wetterstrahlen Mit Zornesfeuer ernste Warnung malen Und auf den waldumkränzten Bergeszinnen, Als Herrn des Reiches, Tier' und Menschen sinnen; Du rastlos Ungeheuer Aus Erde, Wasser, Luft und Feuer, In ew'gen Wandelungen Des Universums Werkstatt kühn entrungen, Ein Wunder, wie kein zweites noch die Himmel kennen Und um mit einem Worte dich zu nennen: Du, Welt! die, wie das Lied vom Phönix singet, Stets aus der eignen Asche sich verjünget!
(Pedro Calderón de la Marca)
Es ist eine gute Frage, welche Erkenntnis uns weiter bringt: die aus den Büchern und Experimenten oder die aus dem eigenen Geiste...
Der Geist kann nur spekulieren, ahnen und Schlüsse ziehen. Er berühert, was sich nicht anfassen lässt. Er stellt Fragen, die nicht schon vom Ziele eingeengt sind. Das Experiment hingegen hält sich zugute, dass es in der fassbaren Wirklichkeit gegründet ist und sie gründet für unsere Gedanken und unser Tun.
Manchmal macht das Experiment Dinge aussprechbar, fassbar, umsetzbar. Es bringt uns dem Ziel näher. Der Geist beschreibt nur eine mögliche Wirklichkeit. Dafür kann er über das Fassbare hinausgehen. Er bringt uns dem Grund näher.
#JacobBöhme ist schwer zu lesen, ehrlich. Aber hier, wo er von der himmlischen Liebe spricht, da wird es reine Poesie und Literatur. Da übernimmt das Herz, das jauchzt, und nicht der Verstand, der versucht zu verstehen:
“Und wenn dann die süße, lichte Liebe-Kraft zu ihnen kommt, dass sie davon kosten und ihr Leben kriegen, ach da ist ein freundlich Benevenieren und Triumphieren, ein freundlich Willkommen und große Liebe, gar ein freundlich und holdselig Küssen und Wohlschmecken.
Da küsset der Bräutigam die Braut: O Holdseligkeit und große Liebe, wie süße bist du, wie freundlich bist du, wie lieblich ist doch dein Geschmack, wie sanft reuchst du doch! Ach, edles Licht und Klarheit, wer kann deine Schönheit ermessen, wie zierlich ist deine Liebe, wie schön sind deine Farben! Ach und ewiglich, wer kann das aussprechen oder was schreibe ich doch, der ich doch nur stammele wie ein Kind, das da lernt reden.“
“O du blinder Mensch, wie spottet der Teufel deiner! Ach, warum betrübst du den Himmel? Meinest du, du wirst nicht genug haben in dieser Welt? O blinder Mensch, ist doch Himmel und Erde dein, dazu Gott selber. Was bringest du in diese Welt oder was nimmst du mit? Ein Engelskleid bringest du in diese Welt und machest in deinem bösen Leben eine Teufelslarve daraus.“ #JacobBöhme
Das Herbe, das Bittere, das Süße, die Hitze in mir. Der scharfe Verstand, das wallende Gefühl, die Stille und Ruhe, die Bewegung. Verständnis und Widerspruch. Altes aufnehmen und Neues schaffen. Jubeln und klagen. Hoffen und bangen. Geben und nehmen.
Der #Mensch lebt nur in der Balance gut. Nun ist es aber so, dass ich nicht jederzeit ausgeglichen sein kann und will. Manchmal soll der Widerstand die Vormacht haben, manchmal die Dankbarkeit und Zustimmung. Mal die Meditation, mal die Ausgelassenheit. Heute die Ruhe, morgen die Bewegung. Jetzt das Geplante und Wohlüberlegte, nachher das Spontane.
In der Themenzentrieten Interaktion (#TZI) gibt es das Konzept der Dynamischen Balance. Das heißt, dass die Ausgeglichenheit nicht zu jedem Zeitpunkt da sein kann und soll. Wohl aber tut es gut, immer wieder zu schauen, welche Seite ich stark machen muss und will, damit keine Übermacht im Ganzen gibt, die mich zerstört.
Leben in dynamischer Balance – das könnte ein Konzept glücklichen Lebens sein.