Papier und Digital effizient verbinden (3): Und was ist mit Stift auf Display?
Im zweiten Teil dieser Serie habe ich kurz zusammengefasst, warum das Schreiben von Hand für das Lernen besser ist und einen Überblick über die aktuellen Forschungsergebnisse zu dem Thema gegeben. Nach der Veröffentlichung hatte ich auf Mastodon einen regen Austausch zu dem Thema. Dabei kam auch die Frage auf, ob es einen Unterschied macht, ob man mit einem Stift auf Papier oder mit einem Stift auf einem Display schreibt. Ich liess mich von dieser Diskussion gerne ablenken und beleuchte im Folgenden das Thema des Schreibens mit Stiften auf Touchscreens.
Trift also zu, dass Touchscreens und Stylus-Pens uns zur Handschrift zurückbringen, wie Edward Gentaz, Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Genf, vor rund zehn Jahren hoffnungsvoll verkündete?
Wie alles begann: The Pen Is Mightier Than the Keyboard (2014)
Die Studie „The Pen Is Mightier Than the Keyboard: Advantages of Longhand Over Laptop Note Taking“ [1] von Pam A. Mueller und Daniel M. Oppenheimer aus dem Jahr 2014 untersucht die Effektivität von handschriftlichen Notizen im Vergleich zur Verwendung von Laptops in Bildungsumgebungen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Studierende, die traditionell per Hand mitschreiben, sich nicht nur mehr Informationen merken, sondern auch ein tieferes Verständnis des Lernstoffs entwickeln. Diese Erkenntnisse stellen die weit verbreitete Annahme infrage, dass der Einsatz von Laptops im Unterricht automatisch zu besseren akademischen Leistungen führt.
Die Studie zeigt, dass handschriftliche Notizen dazu zwingen, den Lernstoff aktiver zu verarbeiten und kritisch über das Gehörte nachzudenken, was zu einer besseren Behaltensleistung führt. Im Gegensatz dazu schreiben Lernende, die Laptops verwenden, Vorlesungsinhalte eher wörtlich mit, ohne diese geistig zu durchdringen. Mueller und Oppenheimer betonen die Bedeutung einer bewussten Auseinandersetzung mit Lerninhalten und fordern ein Überdenken der Rolle digitaler Geräte im Bildungskontext.
Papier oder doch Touchscreen?
In der Studie „Literacy training of kindergarten children with pencil, keyboard or tablet stylus: The influence of the writing tool on reading and writing performance at the letter and word level“ [2] untersuchten der Psychologe Markus Kiefer, die Biologin Petra Arndt und ihr Team 2020, wie sich der Einfluss verschiedener Schreibwerkzeuge auf den Lernprozess von Schülerinnen und Schülern auswirkt. Die Studie untersucht den Einfluss von traditionellen Schreibwerkzeugen wie Papier und Bleistift im Vergleich zum Schreiben auf digitalen Geräten wie Tablets auf das Lesen- und Schreibenlernen. Die Ergebnisse bieten wertvolle Einblicke in die didaktischen Implikationen der Wahl des Schreibmediums, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung in Schulen.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Schreiben mit Papier und Stift bestimmte kognitive Prozesse besser unterstützt, hauptsächlich, wenn es um das Erinnern und Verstehen von Informationen geht. Die Autoren argumentieren wie andere vor ihnen, dass die physische Bewegung des Schreibens mit der Hand eine tiefere Verarbeitung der Informationen fördert, was zu einem besseren Verständnis und einer höheren Behaltensleistung führt. Im Gegensatz dazu kann das Schreiben auf einem Tablet zwar schneller sein, aber es kann möglicherweise zu einer oberflächlicheren Informationsverarbeitung führen.
Ausgewogener Einsatz der Technologie
Die Studie betont die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes in der Bildungstechnologie. Dabei sollten die Vorteile digitaler und traditioneller Schreibwerkzeuge gleichermassen berücksichtigt werden. Die Autoren plädieren für eine Integration von Tablets und Computern in den Unterricht, die jedoch das handschriftliche Schreiben nicht vollständig ersetzt. Stattdessen sollte eine Kombination beider Methoden angestrebt werden, um die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler zu optimieren. Die Autoren betonen aber auch, dass weitere Forschungsbemühungen notwendig sind.
Die Haptik spielt eine Rolle
In der Studie wurde festgestellt, dass die Vergleichsgruppe, welche mit einem Stift auf Tablets gearbeitet hatte, insbesondere bei der Buchstabenerkennung und bei der Entwicklung visuell-räumlicher Fähigkeiten am schlechtesten abschnitt – sogar noch schlechter als jene, die mit Tastaturen geschrieben hatten. Das erstaunte mich. Markus Kiefer äusserte sich in der Medienmitteilung der Universität Ulm [3] dazu wie folgt: Er vermutet, dass die rutschige Bildschirmoberfläche zu viel Aufmerksamkeit von den Kindern erfordere und somit den Lernerfolg beeinträchtige. Kiefer ist der Ansicht, dass sich die Auswirkungen von analogem und digitalem Schreiben annähern werden, sobald Touchscreens eine ähnliche Haptik wie Papier bieten.
Hier möchte ich anmerken, dass in der Studie Tablets und keine E-Ink-Geräte getestet wurden. Es ist jedoch zu beachten, dass sich diese Geräteklasse in den letzten ein bis zwei Jahren stark weiterentwickelt hat, weg vom einfachen E-Reader hin zum digitalen Notizbuch (z.B. reMarkable, Kindle Scribe und andere). Aus eigener Erfahrung – ich nutze ein Gerät von Boox – kann ich bestätigen, dass das Schreiberlebnis auf diesen E-Ink-Screens demjenigen von Papier doch schon sehr nahekommt. Ausserdem gibt es für iPads sogenannte Paper-Like-Displayfolien, die einen ähnlichen Effekt haben sollen. Erfahrungswerte habe ich damit jedoch nicht.
Wenn Du gerne von Hand schreiben und trotzdem digital unterwegs sein möchtest, solltest Du unbedingt eines dieser neuen E-Ink-Tablets ausprobieren. Ich nutze meines für begleitende Notizen in Büchern, bleibe aber ansonsten bei Papier und Notizbüchern. Ich schreibe zu gerne mit Füllfederhaltern, und dieses Gefühl kann kein smarter Stift liefern.
Fazit
- Das Schreiben mit Papier und Stift unterstützt kognitive Prozesse wie das Erinnern und Verstehen besser als das Tippen auf digitalen Geräten.
- Die physische Bewegung des Handschreibens fördert eine tiefere Verarbeitung der Informationen, was zu einem verbesserten Lernergebnis führt.
- Eine ausgewogene Integration von digitalen und traditionellen Schreibwerkzeugen in den Unterricht kann die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler optimieren.
- Bei geeigneter Haptik nähern sich die Effekte analoger und digitaler Handschrift auf Bildschirmen an.
Dieser Beitrag ist Teil einer lockeren Serie: |
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1. Papier und Digital effizient verbinden (1): Die Medium-Methode |
2. Papier und Digital effizient verbinden (2): Wie das Schreiben von Hand das Lernen und die Gedächtnisleistung fördert |
3. Papier und Digital effizient verbinden (3): Und was ist mit Stift auf Display? |
4. Papier und Digital effizient verbinden (4): aktuelle Studienergebnisse als Nachtrag |
5. Papier und Digital effizient verbinden (5): Meine Medium-Mobile-Methode |
Fussnoten [1] https://doi.org/10.1177/0956797614524581 [2] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2019.03054/full [3] https://www.uni-ulm.de/med/fakultaet/med-detailseiten/news-detail/article/papier-und-bleistift-gegen-tablet-computer-wie-wirken-sich-schreibwerkzeuge-beim-lesen-und-schreiben-lernen-aus/
Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet.
Bildquellen 1. und 2. pexels.com 3. reMarkable, via coywolf.reviews.
Topic #Erwachsenenbildung