Papier und Digital effizient verbinden (5): Meine Medium-Mobile-Methode

Papier mit Digital verknüpfen

Wie ich in den letzten drei Beiträgen dieser Serie gezeigt habe, gibt es gute wissenschaftliche Belege dafür, dass unser Gehirn mit Stift und Papier „besser denkt“. Aber all unsere Gedanken, Ideen und Notizen digital speichern zu können, hat eine Reihe von Vorteilen, die Papier alt aussehen lassen. Die Medium-Methode, die im ersten Beitrag vorgestellt wurde, versucht beide Welten – die Stärken von Stift und Papier und die digitale Speicherung – miteinander zu verbinden. Für mich hat die Medium-Methode allerdings einen kleinen, aber entscheidenden Nachteil: Sie geht davon aus, dass man den Grossteil des Arbeitstages am Schreibtisch verbringt. Ich bin aber viel unterwegs oder stehe vor Leuten und unterrichte. Ich verbringe also relativ wenig Zeit am Schreibtisch. In diesem vorerst letzten Teil der Serie möchte ich daher meinen eigenen Workflow vorstellen, der auf der Medium-Methode basiert. Auch ich benutze Notizbücher in Kombination mit Software, achte aber darauf, möglichst mobil zu sein. Ich nenne das der Einfachheit halber die Medium-Mobile-Methode.

Was wird benötigt?

Um meine Variante, die Medium-Mobile-Methode, anzuwenden, benötigt man folgende Hilfsmittel:

Bei der Software setze ich so weit wie möglich auf #OpenSource Software. Für Notizen und mein Personal Knowledge Management (PKM) verwende ich Joplin und für die Verwaltung meiner Aufgaben setze ich auf das Format todo.txt, das komplexe Aufgabenlisten als Textdateien speichert, die mit jedem Texteditor bearbeitet werden können. Auf dem Handy verwende ich dafür todo.txt for Android, auf dem Desktop sleek, wobei meine Aufgabenliste über die Dropbox synchronisiert wird. Meine Termine verwalte ich aber nach wie vor mit Google Kalender.

Das Praktische an der Medium-Methode und an meiner Variante davon ist aber, dass sie unabhängig von einer bestimmten Software funktionieren. YMMV.

Das Kollektaneenbuch

Auch bei mir steht ein Notizbuch im Zentrum, allerdings im handlichen Format A6. In diesem Kollektaneenbuch sammle ich Wissens- und Informationshappen sowie Ideen, die irgendwann vielleicht von Nutzen sein könnten und die später meist auch digital abgelegt werden. Im Notizbuch selber habe ich keine Struktur, ausser dass ich die Notizen grob in eine Handvoll Rubriken aufteile und das Inhaltsverzeichnis des Notizbuchs nutze. Ansonsten lebt mein Kollektaneenbuch von der Zufälligkeit der Einträge.

Erfahrungsgemäss fülle ich etwa vier solcher A6-Notizbücher in einem Jahr, also eines pro Quartal. In diesen Notizbüchern sammle ich alles, was sich unterwegs und abseits des Computers am Schreibtisch im Homeoffice an interessanten Fundstücken ansammelt: Podcasts, E-Books, Zeitungen, Zeitschriften, Radiosendungen etc. Wenn ich am Computer sitze, wandern solche Fundstücke natürlich direkt in meine Notizen-App.

Notizbuch A6

Mein Kollektaneenbuch erfüllt noch einen weiteren Zweck: Es ist mein Mittel gegen das allgegenwärtige Doomscrolling. Ich habe mir nämlich vorgenommen, jedes Mal, wenn ich das Bedürfnis verspüre, mein Handy zur Hand zu nehmen, stattdessen zu meinem Notizbuch zu greifen und darin zu lesen. Das funktioniert nicht immer, aber immer öfter. Dadurch, dass ich meine Notizen immer wieder zur Hand nehme, kann ich bereits in diesem Stadium Verknüpfungen zwischen den einzelnen Einträgen herstellen und neue Einsichten hinzufügen. Im Grunde genommen führe ich also alle Schritte des CODE-Systems von Tiago Forte (Capture, Organize, Distill und Express), das ich für mein #PKM verwende, bereits auf Papier durch, bevor ich die Notizen digitalisiere.

Der Reporterblock

Auch beim Reporterblock setze ich auf das Format A6. Im Gegensatz zum Kollektaneenbuch finden sich hier nur „Wegwerfnotizen“, in erster Linie meine tägliche To-do-Liste und sonstige Notizen ohne bleibenden Wert. Der Reporterblock erfüllt für mich also auch die Funktion der Haftnotizen in der Medium-Methode.

Ein typischer Tag in meinem Reporterblock ist selten länger als eine A6-Seite und beginnt mit Tag und Datum. Darunter folgen dann die To-dos des Tages und gegebenenfalls weitere kurze Notizen. Als Key verwende ich eine vereinfachte Variante aus dem Bullet Journal nach Ryder Carroll:

Symbol Bedeutung
• Task Task
• Task Task erledigt
> Task Task auf anderes Datum verschoben
– Notiz Notiz
△ Wichtig Wichtig, muss verschoben werden

Die Aufgaben des Tages erfasse ich jeden Morgen in meinem kurzen Daily Planning (s. unten). Ich setze auf eine To-do-Liste auf Papier, weil es einfach ist und durch keinen Feature-Bloat behindert wird. Digitale Aufgabenlisten tendieren dazu, alles aufzusaugen wie ein Schwamm und in der Folge werden wir erdrückt vom überwältigenden Pendenzenberg. Darum braucht es eine Priorisierung und einen Filter. Diese Aufgabe übernimmt bei mir das kleine Papierformat, mehr als die empfohlenen fünf bis acht Tasks am Tag haben gar keinen Platz. Das kräftige Durchstreichen eines erledigten Tasks mit einem Stift auf Papier befriedigt zudem deutlich mehr als ein Kästchen in einer Software wegzuklicken. Es wird einfach mehr des „Glücksbotenstoffs“ Dopamin ausgeschüttet.

Der Reporterblock ermöglicht es auch, einzelne Seiten einfach herauszureissen, wenn ich sie woanders verwenden möchte. Und ist der Block voll, landet er im Recycling.

Das morgendliche Daily Planning

Ich mache eigentlich keine wöchentlichen oder gar täglichen Planungsrunden. Dafür bin ich zu undiszipliniert und es liegt mir auch nicht. Ausserdem gibt es wissenschaftliche Hinweise darauf, dass zu viel Planung kontraproduktiv sein kann. Dennoch habe ich es mir angewöhnt, jeden Morgen ein paar Minuten damit zu verbringen, meine Taskverwaltung zu öffnen und die Tasks des Tages in meinen Reporterblock zu übertragen sowie die erledigten Aufgaben des Vortags in der Software ebenfalls abzuhaken. Dieser zweite, wenn auch deutlich kleinere „Dopamin-Kick“ zu Beginn des Tages ist sicher hilfreich.

Langfristige digitale Speicherung

Zu erledigende Aufgaben sind alle in meiner Aufgabenverwaltung erfasst. Für Tasks ist dies meine Inbox, die von Anfang an digital ist. Bei meinen Notizen im Kollektaneenbuch ist es anders. Hier geschieht die Digitalisierung in mehreren Stufen:

  1. Entsteht aus den Notizen ein Projekt (z. B. ein Blogbeitrag), dann erfasse ich alles damit zusammenhängende so schnell wie möglich auch in meiner Notizen-App, um dort weiterarbeiten zu können.
  2. Ist ein Notizbuch voll, dann schaue ich es abschliessend noch einmal durch und erstelle parallel dazu in meiner Notizen-App in einer Notiz ein Inhaltsverzeichnis aller Einträge.
  3. Einträge im Notizbuch, die ich für nützlich oder interessant halte, werden zusätzlich gescannt und erhalten eine eigene Notiz in meiner Notizen-App. Die Scans erstelle ich mit meinem Flachbettscanner in 600 dpi und bearbeite sie nach. Die gescannten Seiten werden anschliessend mit den wichtigsten Kernaussagen ergänzt.
  4. Einträge, die mich nicht mehr ansprechen, werden nicht gescannt, bleiben aber über das Inhaltsverzeichnis in der Notizen-App digital referenziert.

Mit diesem Vorgehen habe ich bislang gute Erfahrungen gemacht, feile aber noch weiter an der Nachbearbeitung der Scans. Einige gute Tipps dazu gibt z. B. dieses Youtube-Video.

Der optionale Collegeblock

Ein Problem, das ich auch immer wieder bei mir beobachte, ist, dass ich, sobald ich am Computer mit der Tastatur Notizen mache, sofort anfange, Tippfehler zu korrigieren und am Satzbau zu feilen. Ich empfinde das als hinderlich für kreatives Denken. Auf Papier mache ich das nicht. Vielleicht streiche ich ab und zu mal ein Wort durch, aber wenn ich meine Gedanken auf Papier schreibe, dann fliessen sie einfach und es ist egal, ob da Fehler drin sind oder nicht. Zudem habe ich auf Papier mehr Freiheiten bei der Visualisierung meiner Ideen.

Collegeblock

Ich nutze daher an meinem Schreibtisch einen Collegeblock mit Spiralbindung im Format A4 mit heraustrennbaren Seiten. Jedes Projekt im weitesten Sinne beginnt auf diesen Seiten mit Notizen, Skizzen etc. Auch dieser Blogeintrag hat auf einer solchen Seite begonnen. Wenn ich alles geordnet und strukturiert habe, werden die Seiten eingescannt und wandern in meine Notizen-App, wo die Ergebnisse finalisiert werden.

Fazit

Die Medium-Mobile-Methode, die ich in diesem Blogbeitrag vorgestellt habe, bietet meines Erachtens einen praktikablen Ansatz, um die Vorteile handschriftlicher Notizen mit den Effizienzsteigerungen digitaler Werkzeuge zu verbinden. Diese Methode zeigt, dass Flexibilität und Mobilität im Arbeitsalltag nicht auf Kosten von Organisation oder Produktivität gehen müssen. Durch die bewusste Kombination traditioneller und moderner Werkzeuge entsteht ein System, das sowohl die tiefere Verarbeitung von Informationen durch handschriftliche Notizen ermöglicht als auch die Zugänglichkeit und Verwaltbarkeit durch digitale Technologien sicherstellt.

Dieser Beitrag ist Teil einer lockeren Serie:
1. Papier und Digital effizient verbinden (1): Die Medium-Methode
2. Papier und Digital effizient verbinden (2): Wie das Schreiben von Hand das Lernen und die Gedächtnisleistung fördert
3. Papier und Digital effizient verbinden (3): Und was ist mit Stift auf Display?
4. Papier und Digital effizient verbinden (4): aktuelle Studienergebnisse als Nachtrag
5. Papier und Digital effizient verbinden (5): Meine Medium-Mobile-Methode

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet.

Bildquellen 1. pexels.com 2. und 3. pxhere.com, CC0 (Public Domain)

Topic #Erwachsenenbildung


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