Papier und Digital effizient verbinden (2): Wie das Schreiben von Hand das Lernen und die Gedächtnisleistung fördert

Papier mit Digital verknüpfen

In unserer digitalen Welt könnte man meinen, dass das Schreiben von Hand überholt sei. Einige Leserinnen und Leser haben diese Meinung auch in Reaktion auf den ersten Teil dieser Serie geäussert, in dem ich mit der Medium-Methode einen Workflow vorstellte, den ich für meine Bedürfnisse angepasst habe. Eigentlich wollte ich diese Woche meine Version der Medium-Methode vorstellen. Nachdem ich mich jedoch eingehender mit der Forschung zum Thema handschriftliche Notizen beschäftigt habe, möchte ich zunächst die wichtigsten Erkenntnisse vorstellen. Verschiedene Studienergebnisse betonen immer wieder die Bedeutung des Schreibens mit Stift und Papier – und bis zu einem gewissen Grad auch mit Stylus und Tablet. Eine Studie, veröffentlicht in Frontiers in Psychology von Audrey van der Meer und Ruud van der Weel [1], zeigt, dass das Schreiben von Hand zu einer höheren Aktivität in jenen Gehirnregionen führt, die für Bewegung, Sehen, sensorische Verarbeitung und Gedächtnis verantwortlich sind.

Unterschiede in der Gehirnaktivität

Die vorliegende Studie baut auf früheren Erkenntnissen [2] auf und zeigt, dass das handschriftliche Notieren im Vergleich zum Tippen am Computer zu einem höheren Grad an Nachdenken anregt. Beim handschriftlichen Notieren müssen die eingehenden Informationen aktiv verarbeitet werden. Sie müssen priorisiert, konsolidiert und mit bereits Gelerntem in Verbindung gebracht werden. Diese bewusste Aktion des Aufbauens auf existierendem Wissen kann das Engagement erhöhen und das Verständnis neuer Konzepte erleichtern [3]. Dieser Prozess fördert also das Gedächtnis und das #Lernen.

Weitere Studien, unter anderem von Sophia Vinci-Booher an der Vanderbilt University, unterstützen diese Ergebnisse. Es wurde gezeigt, dass das Schreiben von Hand die motorischen und sensorischen Systeme auf eine Weise verbindet, die das Lernen verstärkt. Yadurshana Sivashankar, ein Doktorand für kognitive Neurowissenschaften an der Universität von Waterloo, erklärt, dass das Handschreiben mehr motorische Programme des Gehirns beansprucht als das Tippen. Dadurch wird die Verbindung zwischen der Handlung und den damit verbundenen Bildern oder Wörtern verstärkt [4].

Die Bedeutung von Schreibunterricht für Kinder

Studien belegen auch, dass Kinder besser lernen, wenn sie Buchstaben oder Bilder mit ihren Fingern und Händen schreiben [5]. Die Forschung von Vinci-Booher zeigt zudem [6], dass das Handschreiben unterschiedliche Gehirnregionen anders aktiviert als das reine Lesen oder Beobachten und dass diese Art des Lernens dauerhaftere Effekte zeitigt.

Besonders Kinder profitieren vom Schreiben mit der Hand

Buchtipp – „Writing to Learn“ von William Zinsser

William Zinsser war ein bekannter Journalist und Schreib-Coach seiner Zeit. Sein „Writing to Learn“ von 1988 (!) ist ein Buch für alle, die ihre Lernprozesse durch Schreiben verbessern möchten. Zinsser war bei der „New York Herald Tribune“, dem „New Yorker“ und als Redakteur des Yale-Magazins tätig. Er erlangte vor allem als Urheber eines sehr beliebten Kurses zum Verfassen von Büchern an der Yale University Anerkennung. Seine Überzeugung, dass Schreiben nicht nur für angehende Autoren, sondern für das Erlernen sämtlicher Disziplinen, einschliesslich Mathematik und Physik, von unschätzbarem Wert ist, bildet das Fundament des Werks.

Zinsser betont, dass gutes Schreiben nicht nur zu klarerem Denken führt, sondern auch Lücken im Wissen aufdeckt und das Verständnis erweitert. Es entsteht durch wiederholtes Überarbeiten. Diese Einsicht in die Nützlichkeit des Schreibens für den Lernprozess basiert auf zwei Schreibformen: dem erklärenden Schreiben, das das eigene Wissen offenlegt, und dem explorativen Schreiben, das einen freieren Ansatz verfolgt und persönliche Bezüge sowie Verständnisfragen zu einem Thema erlaubt.

Diese Schreibformen korrelieren erstaunlich gut mit wissenschaftlich fundierten Lerntechniken wie dem Testungseffekt (Retrieval Practice), dem verteilten Lernen (Spaced Practice), Elaborationsstrategien (Elaborative Interrogation) und verschachteltem Lernen (Interleaved Practice), die ich hier bereits vorgestellt habe. Die Techniken fördern das Lernen durch aktive Auseinandersetzung mit dem Stoff und durch die Förderung tiefergehender Verarbeitungsprozesse.

Mein Fazit

Tatsächlich kann ich diese Effekte an mir selbst beobachten. Seit über einem Jahr führe ich ein sogenanntes Kollektaneenbuch (Commonplace Notebook; mehr dazu im nächsten Teil). Dort notiere ich handschriftlich Exzerpte, Konzepte, Ideen und Ähnliches, die mich bei der Lektüre von Büchern, Artikeln und anderen Medien wie Podcasts ansprechen oder überraschen. Gelegentlich greife ich auf diese Notizen zurück, überarbeite, sortiere und kombiniere sie, bevor ich sie in einen digitalen Wissensspeicher übertrage. Manchmal generiere ich daraus auch neue Inhalte, wie diesen Beitrag. Auf diese Weise kann ich mir neues Wissen besser merken und die einzelnen „Wissenshappen“ besser in einen gemeinsamen Kontext einordnen.

Dieser Beitrag ist Teil einer lockeren Serie:
1. Papier und Digital effizient verbinden (1): Die Medium-Methode
2. Papier und Digital effizient verbinden (2): Wie das Schreiben von Hand das Lernen und die Gedächtnisleistung fördert
3. Papier und Digital effizient verbinden (3): Und was ist mit Stift auf Display?
4. Papier und Digital effizient verbinden (4): aktuelle Studienergebnisse als Nachtrag
5. Papier und Digital effizient verbinden (5): Meine Medium-Mobile-Methode

Fussnoten [1] https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2023.1219945/full [2] https://www.scientificamerican.com/article/a-learning-secret-don-t-take-notes-with-a-laptop/ [3] https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2020.591203/full [4] https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09658211.2021.1995877 [5] https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09500782.2012.704047#.UzeeNRaNtUQ [6] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8639586/

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet.

Bildquellen 1. und 2. pexels.com

Topic #Erwachsenenbildung


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