Wie der Fokus auf Zahlen uns vom Wesentlichen ablenkt

Adolph von Menzel: Menzels Schwester Emilie im Schlaf

In unserer digitalisierten Welt werden wir zunehmend von Metriken begleitet. Egal ob es die Anzahl gelesener Seiten, die Schritte auf dem Fitness-Tracker oder die Schlafstatistik sind – Zahlen und Daten sind allgegenwärtig. Metriken können uns helfen, Fortschritte zu sehen und Orientierung zu schaffen. Doch sie bergen auch Risiken, die häufig übersehen werden. Sobald eine Kennzahl selbst zum Ziel wird, entfaltet sie oft nicht mehr die ursprünglich beabsichtigte Wirkung.

Diese Problematik wird durch das sogenannte Goodharts Gesetz treffend beschrieben: „Wenn eine Messgrösse zum Ziel wird, ist sie keine gute Messgrösse mehr.“ Dieser Gedanke des britischen Ökonomen Charles Goodhart stammt ursprünglich aus der Wirtschaft, zeigt jedoch auch im Bereich des Selbstmanagements seine Gültigkeit. In diesem Beitrag möchte ich beleuchten, wie sich eine übertriebene Fixierung auf Metriken im Alltag auswirken kann und wie wir uns stattdessen auf das Wesentliche konzentrieren können.

Metriken und das eigentliche Ziel

Zu Beginn ist es wichtig festzuhalten, dass Metriken an sich nichts Negatives sind. Sie können uns motivieren, Schritte nachzuverfolgen, Fortschritte sichtbar zu machen, Erfolge und damit die erfolgreiche Etablierung von #Habits zu dokumentieren. So weit, so gut – die Tücken beginnen, wenn wir uns so sehr auf diese Zahlen fokussieren, dass wir das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren. Ein Beispiel hierfür ist das Schlaftracking. Viele von uns tragen inzwischen Fitnesstracker oder Smartwatches, die unsere Schlafqualität überwachen. Die Idee dahinter klingt vernünftig: Ein gesunder Schlaf ist wichtig für unsere Leistungsfähigkeit und unser Wohlbefinden. Doch was passiert, wenn wir beginnen, unseren Schlaf nur noch an den Daten zu messen?

Ich selbst habe erlebt, wie sich dieser Ansatz in eine Art „Schlafoptimierungswahn“ verwandeln kann. Das tägliche Überprüfen der Schlafstatistik erzeugte irgendwann den Druck, die perfekte Schlafbewertung zu erreichen. Diese Fixierung führte jedoch keineswegs zu besserem Schlaf – im Gegenteil. Die Sorge um die perfekte Schlafqualität sorgte für Unruhe und hinderte mich daran, entspannt einzuschlafen. Letztlich wird der Schlaf, der uns eigentlich Ruhe und Erholung bringen sollte, durch den Fokus auf die Kennzahlen gestört. In der Psychologie gibt es dafür sogar einen Namen: Orthosomnie – eine Form der Schlafstörung, die durch das übermässige Tracking und die daraus resultierenden Ängste hervorgerufen wird.

Das Beispiel verdeutlicht, wie schnell der Wunsch nach Selbstoptimierung in Überforderung umschlagen kann, wenn Zahlen wichtiger werden als unser Wohlbefinden. Wir beginnen, unser Leben nach einem Raster zu organisieren, das uns am Ende mehr stresst als bereichert.

Weitere Tücken des Metrik-Denkens

Ein weiteres Beispiel findet sich im Bereich des Lesens. Wer seine Leseliste zu einem festen Ziel umwandelt – etwa eine bestimmte Anzahl von Büchern pro Jahr zu lesen – läuft Gefahr, sich auf die reine Quantität statt auf die Qualität des Gelesenen zu fokussieren. Die Motivation, „x Bücher pro Jahr“ zu lesen, kann dazu führen, dass wir Bücher oberflächlich und gehetzt konsumieren, um das Ziel zu erreichen. Doch was bleibt am Ende davon? Statt uns mit Inhalten auseinanderzusetzen und das Gelesene zu verinnerlichen, hetzen wir durch die Seiten und verlieren den eigentlichen Zweck aus den Augen: den Wunsch, unser Wissen zu erweitern und unsere Perspektive zu bereichern.

In solchen Fällen wird aus einer sinnvollen Metrik – hier die Anzahl gelesener Bücher – eine leere Zielmarke, die uns oberflächlich weiterbringt, ohne uns wirklich zu bereichern.

Prinzipien statt Metriken: Ein Perspektivwechsel

Wie lässt sich diese Falle umgehen? Der Schlüssel liegt darin, Metriken als Orientierung zu nutzen, ohne ihnen die volle Kontrolle über unsere Ziele zu überlassen. Statt uns von Zahlen dominieren zu lassen, können wir uns auf Prinzipien und Werte stützen, die das #Selbstmanagement wirklich fördern. Damit meine ich, dass wir uns fragen, was uns wirklich wichtig ist und wie unsere Handlungen diesem Zweck dienlich sein können.

Hier sind einige Ansätze, die Dir dabei helfen können:

  1. Beim Schlafen loslassen: Nutze Deinen Fitnesstracker als Orientierungshilfe. Es geht nicht darum, jede Nacht eine perfekte Punktzahl zu erreichen, sondern grundsätzlich auf ausreichenden und erholsamen Schlaf zu achten. Wenn Du ab und zu eine schlechtere Nacht hast, ist das kein Grund zur Sorge. Ziel ist ein langfristig guter Schlafrhythmus, der Dir Energie und Erholung bringt.

  2. Fokus auf die Tiefe beim Lesen: Statt eine hohe Anzahl von Büchern pro Jahr anzustreben, konzentriere Dich auf Bücher, die Dich wirklich interessieren und von denen Du Dir neue Einsichten versprichst. Selbst wenn Du am Ende des Jahres „nur“ fünf Bücher gelesen hast, aber diese intensiv durchgearbeitet und reflektiert hast, wirst Du mehr davon haben als von einer endlosen Liste.

  3. Reflexion statt starrer Ziele: Überlege Dir in verschiedenen Bereichen Deines Lebens, ob Du Dich von einer Metrik leiten lässt, die Dir gar nicht wirklich weiterhilft. Frage Dich, welche Werte oder Prinzipien Dir eigentlich wichtig sind – zum Beispiel Gesundheit statt Fitnessscore oder Wissen statt Seitenzahlen. So schaffst Du Dir eine Orientierung, die Dir mehr Flexibilität und Zufriedenheit ermöglicht.

Ein bewusstes Verhältnis zu Zahlen und Zielen

Zahlen und Metriken können wertvolle Helfer sein – wenn wir sie als Wegweiser nutzen und nicht als Zielmarken. Wer sich dessen bewusst ist, kann Daten zur Orientierung heranziehen und gleichzeitig Raum für Flexibilität und Selbstfürsorge schaffen. Wir müssen nicht jede Kennzahl in unserem Leben optimieren, um Zufriedenheit oder Erfolg zu erreichen. Gerade im Selbstmanagement gilt: Weniger ist oft mehr.

Goodharts Gesetz erinnert uns daran, dass wir das eigentliche Ziel stets im Blick behalten sollten. Denn wenn die Metrik zur Zielvorgabe wird, verliert sie ihren Wert. Letztlich geht es darum, eine Balance zu finden, die uns auf sinnvolle Weise weiterbringt, ohne dass wir uns in Zahlen verlieren.


Bildquelle Adolph von Menzel (1815–1905): Menzels Schwester Emilie im Schlaf, Hamburger Kunsthalle, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.

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