Wie Du erfolgreich Deep Reading als Habit etablieren kannst
Vor einigen Wochen habe ich in einem Beitrag die kognitiven Vorteile des Lesens beschrieben und davon erzählt, wie ich es geschafft habe, mir einen täglichen Lese-Habit aufzubauen: mindestens 30 Minuten pro Tag, seit Anfang 2023. Seither habe ich über 60 Bücher gelesen. Mich erreichen seither immer wieder Fragen: Wie gelingt es, diese Art des intensiven Lesens im Alltag zu verankern? Wie kann man fokussierter, tiefer lesen, statt Texte nur zu überfliegen?
In diesem Beitrag möchte ich Dir eine Antwort geben. Ich nenne diesen Ansatz „Deep Reading“ – ein Zustand des vertieften, konzentrierten Lesens, der weit über das schnelle Erfassen von Informationen hinausgeht. Deep Reading ist ein Habit, den man wie alle #Habits trainieren kann. Drei konkrete Strategien haben mir geholfen, diesen Zustand regelmässig zu erreichen.
Was ist Deep Reading?
Deep Reading beschreibt einen Zustand intensiver Konzentration beim Lesen. In diesem Modus vernetzt unser Gehirn neue Informationen mit bereits vorhandenen Konzepten, analysiert Zusammenhänge und löst Probleme. Es handelt sich um einen kognitiv aktiven Prozess, der nicht nur Wissen aufnimmt, sondern auch integriert.
Digitale Lesemuster stehen diesem Prozess oft entgegen. Studien haben gezeigt, dass Menschen beim Lesen auf Bildschirmen typischerweise einem sogenannten F-Muster folgen: Sie lesen die erste Zeile, springen zur Mitte, erfassen das Seitenende und überfliegen den Rest. Dieses Verhalten, das unter anderem von der Nielsen Norman Group dokumentiert wurde, führt dazu, dass Inhalte oberflächlich erfasst, aber kaum tief verarbeitet werden.
Aus diesem Grund habe ich mich bewusst für einen E-Ink-Reader entschieden. Im Gegensatz zu Tablets oder Smartphones ermöglicht er ablenkungsfreies Lesen ohne Push-Benachrichtigungen oder geöffnete Apps. Gleichzeitig bietet er die Vorteile digitaler Technologien: Ich kann mehrere Bücher gleichzeitig mitnehmen, meine gesamte Bibliothek verwalten und die Inhalte mit meiner Calibre-Bibliothek synchronisieren. Für mich verbindet der E-Reader das Beste aus beiden Welten – digitale Flexibilität und papierähnliche Ruhe.
Damit ein solcher Zustand regelmässig erreicht werden kann, braucht es jedoch mehr als nur das richtige Gerät. Deep Reading verlangt nach bestimmten Voraussetzungen: Konzentration, Kontext und Stille – im Aussen wie im Innern.
1. Thematisches Lesen (Cluster Reading)
Eine der effektivsten Strategien für Deep Reading ist das sogenannte Cluster Reading: Mehrere Bücher zu einem bestimmten Thema, Genre oder einer historischen Epoche zu lesen. Durch diese thematische Bündelung entsteht ein grösserer Kontext, der das Verständnis fördert und die Lektüre neuer, anspruchsvollerer Texte erleichtert. Wer beispielsweise mehrere Werke zur Aufklärung oder zur modernen Verhaltenspsychologie liest, erkennt wiederkehrende Argumentationsmuster und Denkstile – und vertieft so sein Verständnis der Materie.
Die Wirksamkeit dieses Ansatzes ist auch empirisch belegt: Eine Studie (Seban et al., 2024) zeigt, dass das Lesen mehrerer Texte zu einem Thema die Behaltensleistung verbessert, während Wiederholungslesen einzelner Texte zu geringeren Lernerfolgen führt. Auch in der Bildungsforschung wird die Nutzung von sogenannten Multiple Texts empfohlen, um kritisches Denken und Analysefähigkeit zu fördern (ASCD, 2022).
2. Lesen als mentales Training
Lesen ist nicht nur #Bildung, sondern auch Training. Wer den Zustand des Deep Reading regelmässig erreichen will, muss die Lektüre wie eine sportliche Übung betrachten: Es braucht Planung, Wiederholung und Zielsetzung. Anfangs ist es ungewohnt, vielleicht sogar anstrengend. Doch wie beim Muskeltraining zeigt sich der Effekt mit der Zeit: Konzentration, Gedächtnis und kognitive Ausdauer verbessern sich messbar.
Studien belegen diese Wirkung. So zeigt eine Untersuchung der Max-Planck-Gesellschaft, dass gute Leser ein besseres Kurzzeitgedächtnis besitzen und Informationen schneller verarbeiten. Eine weitere Studie (Stine-Morrow et al., 2022) konnte nachweisen, dass regelmässiges Lesen die Konnektivität zwischen Sprach- und Exekutivnetzwerken im Gehirn erhöht.
In meiner Praxis hat es sich bewährt, feste Zeitfenster einzuplanen: etwa 20 bis 30 Minuten am Morgen oder Abend. Ich verzichte bewusst auf Ziele wie „ein Kapitel pro Tag“ oder „50 Seiten pro Woche“, weil solche Zahlen nur dazu verleiten, zu einfachen Texten zu greifen. Stattdessen zählt allein die Qualität der Konzentration.
3. Ablenkungen aktiv ausschalten
Deep Reading braucht keine absolute Stille, aber einen geschützten Raum ohne ablenkende Reize. Die grösste Störquelle ist heute das Smartphone. Studien (Skowronek et al., 2023) zeigen, dass bereits die blosse physische Nähe eines Handys die kognitive Leistung messbar verringert. In einer Untersuchung der University of Chicago (Ward et al., 2017) schnitten Testpersonen signifikant schlechter ab, wenn das Handy auf dem Tisch lag – selbst ausgeschaltet. Die besten Resultate erzielten jene, deren Smartphone in einem anderen Raum war. Dieser Effekt ist auch bekannt als „Brain Drain“.
Auch Musik ist beim Lesen kein Tabu – sofern sie keine Interaktion erfordert. Ich empfehle Playlists, die Du bereits kennst, ohne Bildschirmkontakt über Kopfhörer. Damit reduzierst Du die Gefahr, abzuschweifen.
Schaffe Dir also ein bewusstes Umfeld: Lege das Telefon in einen anderen Raum, schalte Benachrichtigungen ab, wähle einen gleichbleibenden Ort für Deine Lektüre. Rituale dieser Art unterstützen die Konzentration und signalisieren dem Gehirn: Jetzt beginnt eine andere Form des Denkens.
Fazit: Lesen mit Tiefe als Gegenentwurf zur Reizüberflutung
Deep Reading ist keine romantische Idee aus lange vergangenen Zeiten, sondern eine konkrete Praxis, die unsere geistige Leistungsfähigkeit in einer Welt der Ablenkung erhöht. Sie erfordert bewusste Entscheidungen: für thematische Tiefe, für regelmässiges Training und für einen geschützten Denkraum.
Wer diese drei Strategien umsetzt, wird merken, wie sich nicht nur das Verständnis komplexer Texte verbessert, sondern auch die eigene Denkweise klarer und strukturierter wird. Deep Reading ist eine Fähigkeit, die uns unabhängiger macht von der Logik flacher Informationsaufnahme. Sie kann – und das ist meine Überzeugung nach zwei Jahren Übung – das Denken verändern.
Bildquelle Pierre-Auguste Renoir (1841–1919): Portrait des Edmond Maître (Der Leser), Privat-Sammlung, Public Domain.
Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.
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