Drei evidenzbasierte Schritte, die Dein Lernen messbar verbessern
Manchmal genügt ein einziger Satz, um alles wieder zu vergessen: „Dies ist nicht prüfungsrelevant.“ Was vorher konzentriert gelesen oder sogar verstanden wurde, ist plötzlich wie weggeblasen. Wissen, das keine Anwendung findet, verflüchtigt sich erstaunlich schnell. Umgekehrt ist es gar nicht so schwer, neue Informationen länger im Gedächtnis zu behalten, sofern Du weisst, wie. Drei kurze Schritte reichen oft aus. Alle basieren auf neurowissenschaftlichen Studien und lassen sich in weniger als fünf Minuten umsetzen. Ergänzt Du sie noch mit einem guten Schlaf, so wird daraus ein erstaunlich wirksames #Lernen.
Die drei Lernschritte im Detail: Mentales Replay, Vorhersage, Mini-Pause
Wer sich eine neue Information merken will, ein Konzept oder eine Definition, durchläuft am besten folgende drei Schritte:
Mentales Replay (40 Sekunden): Die Information wird im Kopf nochmals durchgegangen. Idealerweise als kleine mentale Szene: Was war der Ablauf? Wie lautete der zentrale Begriff? Was habe ich genau gelesen oder gehört?
Vorhersage: Nun folgt eine kurze Frage an Dich selbst: Werde ich mich daran erinnern? Allein dieser Akt des Reflektierens stärkt die Gedächtnisspur.
Mini-Pause (wenige Minuten): Anschliessend gilt: nichts tun. Augen schliessen, nicht ablenken, nicht weiterlesen, einfach kurz „offline“ sein. Dieser Moment der Ruhe wirkt wie ein „Versiegeln“ der Erinnerung.
Diese drei Schritte kosten wenig Zeit, erfordern keine Technik und verbessern nachweislich die Gedächtnisleistung.
Zwischenfazit: Warum diese Schritte funktionieren
Der Dreischritt nutzt drei verschiedene Mechanismen Deines Gehirns: Das bewusste Wiederholen festigt erste Gedächtnisspuren, die Selbsteinschätzung aktiviert metakognitive Prozesse, und die Ruhepause ermöglicht die ungestörte Konsolidierung. Zusammen bilden sie eine kraftvolle Kombination für besseres Lernen.
Noch wirkungsvoller werden diese Schritte, wenn eine vierte Komponente hinzukommt: guter Schlaf. Doch dazu später mehr.
Die wissenschaftlichen Grundlagen
1. Mentales Replay: Der erste Speicherimpuls
Das gezielte mentale Wiederholen, sei es einer Aussage, eines Ablaufs oder eines Lerninhalts, unterstützt die sogenannte Gedächtniskonsolidierung. Gemeint ist damit der Übergang von flüchtigen Kurzzeiterinnerungen in stabilere Langzeitspuren. Eine Studie aus dem Journal of Neuroscience zeigt: Bereits 40 Sekunden inneres Wiederholen reichen aus, um die Behaltenswahrscheinlichkeit markant zu erhöhen [1].
Die Forschenden schreiben:
“A brief period of rehearsal has a huge effect on our ability to remember complex, lifelike events over periods of one to two weeks.” (Eine kurze Wiederholungsphase hat einen enormen Einfluss auf unsere Fähigkeit, komplexe, realitätsnahe Ereignisse über ein bis zwei Wochen hinweg zu erinnern.)
Neurologisch lässt sich dieser Effekt mit Aktivitäten im posterioren cingulären Cortex in Verbindung bringen, einer Hirnregion, die beim Konsolidieren von Erlebnissen eine wichtige Rolle spielt.
2. Vorhersage: Erinnerung durch Selbsttest
Wer sich selbst fragt, ob er sich erinnern wird, tut seinem Gehirn etwas Gutes. Eine Studie im Canadian Journal of Experimental Psychology zeigt, dass diese metakognitive Einschätzung die Behaltenswahrscheinlichkeit deutlich erhöht [2]. Besonders ausgeprägt ist der Effekt bei sogenannten prospektiven Erinnerungen, also bei Informationen, die Du zu einem späteren Zeitpunkt abrufen willst, etwa: Ich muss morgen an den Anhang denken.
Warum funktioniert das? Möglicherweise, weil diese Art der Vorhersage einem Mini-Selbsttest gleichkommt. Studien zeigen seit langem, dass Selbsttests das Lernen verbessern. Entscheidend ist nicht, ob Du die Vorhersage richtig triffst, sondern dass Du sie triffst. Die Forschenden halten fest:
“The act of predicting helps your hippocampus better form and index those episodic memories for later access.” (Der Akt der Vorhersage hilft dem Hippocampus, episodische Erinnerungen besser zu bilden und zu indexieren, um sie später abrufen zu können.)
3. Mini-Pause: Offline sein, um zu speichern
Der dritte Schritt ist der einfachste und gleichzeitig der am meisten unterschätzte. Kurze Phasen der Inaktivität unmittelbar nach dem Lernen unterstützen die Konsolidierung von Erinnerungen erheblich. Was im Schlaf über Stunden geschieht, kann sich auch im Kleinen, direkt nach dem Lernen, andeuten. Forschende sprechen von offline waking rest, also einem wachen, aber reizarmen Zustand. Eine Studie in Nature Reviews Psychology [3] schreibt:
“Even a few minutes of rest with your eyes closed can improve memory, perhaps to the same degree as a full night of sleep.” (Schon wenige Minuten Ruhe mit geschlossenen Augen können das Gedächtnis verbessern, vielleicht in ähnlichem Ausmass wie eine ganze Nacht Schlaf.)
Die Erklärung: Wenn die Sinne nicht weiter beansprucht werden, hat das Gehirn Zeit, neu Gelerntes nochmals zu aktivieren und dadurch zu stabilisieren.
“Periods of reduced attention to the external world […] permit the reactivation of recently formed memory traces.” (Phasen verminderter Aufmerksamkeit für die Aussenwelt […] ermöglichen die Reaktivierung kürzlich gebildeter Gedächtnisspuren.)
Schlaf als wichtige vierte Komponente
Der vierte Schritt findet nicht unmittelbar nach dem Lernen statt, ist aber mindestens so wichtig wie die anderen. Guter Schlaf, vor allem zwischen zwei Lerneinheiten, verstärkt die Konsolidierung erheblich.
In einer Studie, die in Psychological Science erschienen ist, zeigte sich: Wer abends lernt, schläft und am Morgen eine kurze Wiederholung macht, behält den Stoff nicht nur besser, sondern benötigt dafür auch weniger Lernzeit [4].
“Sleeping after learning is definitely a good strategy, but sleeping between two learning sessions is a better strategy.” (Nach dem Lernen zu schlafen ist auf jeden Fall eine gute Strategie, aber zwischen zwei Lerneinheiten zu schlafen, ist eine bessere.)
Die dahinterliegende Theorie nennt sich sleep-dependent memory consolidation: Während des Schlafs werden Inhalte neu sortiert, gefestigt und für den späteren Abruf verfügbar gemacht. Wer also nicht nur lernt, sondern auch klug pausiert, tagsüber mit Mini-Ruhe, nachts mit Schlaf, fördert sein Gedächtnis deutlich.
Fazit
Der Dreischritt „Mentales Replay – Vorhersage – Mini-Pause“ ist kein Wundermittel. Aber er ist ein einfacher, gut belegter Weg, um Wissen im Gedächtnis zu verankern. In einer Welt, in der Informationen schnell verfügbar, aber ebenso schnell vergessen sind, kann dieser Prozess helfen, Wichtiges zu behalten und weniger Zeit mit Wiederholen zu verbringen.
Wenn Du also das nächste Mal etwas Wichtiges liest oder hörst: Denk kurz daran zurück. Frag Dich, ob Du es Dir merken wirst. Mach eine kleine Pause. Und schlaf eine Nacht darüber.
Dieser Beitrag ist Teil einer lockeren Serie: |
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1. Effektiv und nachhaltig lernen: 4 wissenschaftlich fundierte Strategien |
2. Effektiv und nachhaltig lernen (2): weitere wissenschaftlich fundierte Strategien |
3. Die 2-7-30-Regel: Eine einfache Methode, Spaced Repetition umzusetzen |
4. Schlaf: Die unterschätzte Ressource für besseres Lernen |
5. Drei evidenzbasierte Schritte, die Dein Lernen messbar verbessern |
Fussnoten [1] C. Bird et al., „Consolidation of complex events via brief rehearsal: Evidence from posterior cingulate cortex activation“, The Journal of Neuroscience, vol. 35, no. 43, 14426–14434, 2015, https://doi.org/10.1523/JNEUROSCI.1774-15.2015. [2] B. Meier et al., „Performance predictions improve prospective memory and influence retrieval experience“, Canadian journal of experimental psychology = Revue canadienne de psychologie experimentale, 65(1), 12–18, 2011, https://doi.org/10.1037/a0022784. [3] E. J. Wamsley, „Offline memory consolidation during waking rest“, Nature Reviews Psychology, 1, 441–453, 2022, https://doi.org/10.1038/s44159-022-00072-w. [4] S. Mazza et al., (2016). „Relearn Faster and Retain Longer“, Psychological Science, 27(10), 1321–1330, 2016, https://doi.org/10.1177/0956797616659930.
Bildquelle Marie Petiet (1854–1893): Liseuse endormie, Musée des Beaux-Arts, Carcassonne, CC BY-SA Didier Descouens via Wikimedia Commons.
Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.
Topic #Erwachsenenbildung