KontaktSplitter

Drei Monate “Kontaktsemester”: Gedanken, Gefühle, Geschichten

Diesen Aufruf habe ich heute gehört: “Das Unendliche anschauen im Endlichen!” Vielleicht ist das eine Aufgabe für diesen oder den nächsten (oder jeden) Tag: Aufmerksam sein, für das Hindurch-Scheinen des Unendlichen, das mir in den kleinen Dingen (oder in den Menschen) begegnet.

#Spritualität

“Zu verkaufen”, so steht an diesem Imbiss. Tische stehen schon keine mehr drin. Es wundert uns nicht. Vieles steht leer oder ist geschlossen in dieser kleinen Stadt an der Walisischen Küste, die wohl schon deutlich bessere Zeiten gesehen hat.

Aber während unsere Fisch & Chips in der Fritteuse braten, kommen wir mit der älteren Dame ins Gespräch. Sie muss so um die 75 sein. “Nein.”, sagt sie, “Das Geschäft läuft immer noch gut. Aber ich bin nun zu alt dafür. Ich habe es sehr lange gemacht.”

Ich stelle mir vor, wie sie seit Jahrzehnten Fisch & Chips verkauft, Tag für Tag. Wahrscheinlich kennt sie die halbe Einwohnerschaft beim Namen. Für jede und jeden ein freundliches Wort. So wie heute auch für uns. Und nun soll Schluss sein?

Haven Fish Café

#Menschen #Foto

Ich lese die Kolumne “Was mein Leben reicher macht” in der ZEIT. Lauter kleine Beiträge, die ich seit Jahren liebe, aber schon sehr lange nicht mehr gelesen habe. Diesmal haben alle sieben Beiträge mit Reisen zu tun.

Zunächst spricht mich das an. Ich bin doch selbst gerade auf Reisen. Und ich habe Reisen als kleines Abenteuer immer geliebt.

Und doch macht es mich skeptisch, wenn Lebens-Reichtum so eng mit Reisen verbunden wird. Ob ich den Reichtum meines Lebens sehen und schätzen kann, bewährt sich wohl eher im Alltag daheim als unterwegs.

Ich habe ja selbst eine Weile gebraucht, um nicht sofort auf meine Vorurteile reinzufallen (und tue es natürlich auch heute noch immer wieder). Aber wie wundervoll ist es doch, dass #Menschen so unterschiedlich sind, auch in ihrem Geschmack.

Klar, manchmal denke ich: 'Wie kann der*die so rumlaufen? Sollte doch merken, dass er oder sie komisch aussieht.' Aber am Ende ist es doch nur ungewöhnlich. Oder verbunden mit Erfahrungen, die ich gemacht habe, die aber mit der konkreten Person nichts zu tun haben. Oder mit meinem Geschmack, der wahrlich nicht die objektive Wahrheit ist.

Deshalb: Lasst sie uns schätzen – die Dicken, die Dünnen, die Normalen, die Adretten, die Schrägen, die Bunten, die Grauen, die Tätowierten, die Schnellen, die Langsamen, die Schrillen, die Ungewohnten ....

Gott, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; heile mich, Gott, denn meine Gebeine sind erschrocken und meine Seele ist sehr erschrocken. Ach du, Gott, wie lange! (Psalm 6,3f)

Ich sitze beim gemütlichen Tee und lese den Bibelvers für heute aus dem Herrnhuter Losungsbuch. Zwei Gefühle sind sofort da: Freude und Dankbarkeit für das, was ich habe. Und Mitgefühl für #Menschen, die dieses Gebet sprechen. Gleich habe ich welche vor Augen.

Und ich habe Respekt davor, wie zerbrechlich alles ist.

#Bibel

Babylon, Iran, Japan, Sudan... Zum Beispiel im British Museum in London gibt es tonnenweise unermessliche Schätze aus aller Welt. Ich bin fasziniert. Eine kleine Figur aus Boetien ( 5. Jahrhundert v. Chr.) hat es mir besonders angetan: Mutter und Baby. Welche Schönheit!

Und ich stelle mir vor: Wie viel Krieg, Kolonialismus, Räuberei stehen dahinter, dass diese Schätze jetzt in Europa zu sehen sind? Provenienzforschung steht erst am Anfang. Führt sie dazu, dass die großen Museen sich leeren und die Schätze vor Ort zu sehen sein werden?

Mutter mit Baby, 450-440 v. Chr.)

#Geschichte #Foto

Ich verlasse die Europäische Union und reise nach Großbritannien. Bevor ich in Brüssel in den Zug einsteigen darf, verbringe ich anderthalb Stunden mit Warten und Kontrollen. (Diesmal wusste ich vorher, dass ich mein Küchen-Messer zu Hause lassen muss.) Alles wird durchleuchtet und kontrolliert.

Eine Frau, die aus Gewohnheit nur den Personalausweis eingepackt hat, muss zurück nach Deutschland, um ihren Pass zu holen. Immerhin hat sie einen. Aber zwei Tage Urlaub und viel Geld gehen verloren.

In meinen Gefühlen werden viele Erlebnisse an den Grenzen zu Osteuropa wach: von meinen Reisen vor 1989, aber auch danach noch. Die wiederholte Unsicherheit, ob ich wirklich an alles gedacht habe. Ob nicht plötzlich ein Dokument zusätzlich gefordert wird, von dem ich nichts wusste. Ob es nicht plötzlich einen Vorwand gibt, mich abzuweisen. Die Erinnerung an mehrere Stunden in einem kahlen Abschieberaum im Bahnhof Brest, bevor wir in den Zug zurück nach Polen gesetzt wurden, weil man uns in der Sowjetunion nicht wollte...

Und ich träume von einer Welt ohne Grenzkontrollen und ohne Angst. Und ich weiß, was wir an der EU haben.

#Gesellschaft

Die Schreie der Hunde steigen Sie bleiben stehen Mit starren Hälsen Aber ihre Schreie steigen.

#Entdeckungen #Poesie

Den Kopf oben, ein Lächeln im Gesicht – so gehe ich durch die Stadt. Was mir begegnet: #Menschen, die manchmal erstaunt schauen. Aber dann kommt es doch. Sie lächeln zurück. Beglückt gehe ich nach nur 15 Minuten wieder heim.

Heute habe ich Leute getroffen, die soziale Arbeit machen: Therapie, Begleitung und Beratung für Menschen mit Fluchterfahrung, für Opfer von Gewalt, für Personen, die Traumata erlebt haben.

Wie so oft bin ich beeindruckt davon, wie engagiert, diese (oft ziemlich jungen) Menschen sich für andere einsetzen, mit welchem Einfühlungsvermögen und welchem Ethos sie diese Arbeit tun. Es sind so gute Schwingungen für unser Land, die von dieser Tätigkeit immer wieder ausgehen, oft ohne, dass es die Gesellschaft wirklich merkt und anerkennt. Toll! 

#Menschen #Gesellschaft