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Gesellschaft

In der Soziologie ist von Dritten Orten die Rede: Orte, die den Menschen einen Ausgleich zu Arbeit und Familie bieten. Orte, an denen alle willkommen sind, an denen sich Hierarchien nivellieren, Menschen miteinander ins Gespräch kommen und eine spielerische Atmosphäre herrscht. Menschen brauchen solche Dritten Orte.

Ich frage mich, wo es Dritte Orte in Erfurt gibt. Die Bibliothek? Die Wiese vor der Predigerkirche am Gustav Adolf Brunnen? Ein Kriterium für einen guten Dritten Ort könnte sein, ob du wirklich schnell mit anderen ins Gespräch kommst. Und: ob Menschen in ihrer Vielfalt dort selbstverständlich aufkreuzen: Arme, Reiche, Bildungsferne, Gebildete, Queere, Migrant*innen, Menschen verschiedener Generationen, du und ich...

So gesehen braucht es solche Orte wohl eher noch in unserer Stadt.

Hier ist übrigens noch ein Lese-Tipp zu theologischen Implikationen: Street Theology, in der die Eckkneipe zum theologischen Lernort wird.

#Gesellschaft

Heute war ich in Weimar zu einem Demokratie-Fachtag. Es ging um das Thüringen-Projekt des Verfassungsblog. Dabei wurde recherchiert, welche Szenarien wahrscheinlich sind, wenn eine “autoritär populistische Partei” bei der Wahl am Sonntag mehr als 33% der Sitze erringen würde (oder gar 50%, was Gott sei Dank nicht wahrscheinlich ist). Länder wie Ungarn machen es uns ja vor.

Ja, es war total interessant. Das Buch von Maximilian Steinbeis hatte ich schon gelesen. Aber der Tag lässt mich auch ratlos zurück. Was soll man tun, wenn jede*r dritte Wähler*in in Thüringen sich genau so eine Unterwanderung der Demokratie wünscht und diese Partei wählt?

Ich erlaube mir einen kurzen Augenblick der Resignation. Aber dann: Lasst uns weiter einsetzen für eine starke Demokratie!

#Gesellschaft

Fragt man verschiedene Menschen, was das wichtigste für die Demokratie ist, bekommt man sicher verschiedene Antworten. Beispiele, die ich mir vorstellen kann, sind:

  • Dass es freie Wahlen gibt.
  • Dass “die da oben machen, was das Volk will” (und was dann konkret heißt: was ich richtig finde).
  • Dass immer im Sinne der Mehrheit entschieden wird.
  • Dass alle gleichberechtigt sind.
  • Dass die Menschen miteinander reden.
  • ...

Ich glaube: Das wichtigste ist, dass jede Person den Spielraum und die Freiheit, die sie hat, nutzt, um das zu erreichen, was sie gesellschaftlich wichtig findet. Und dass sie dabei in Betracht zieht, was das für die anderen Menschen und Gruppen bedeutet. Dazu kommt, dass jede*r die Personen in die Entscheidungsgremien wählt, von denen er oder sie sich dabei am besten unterstützt fühlt.

Aus diesem Gefühl dafür, dass ich selbst für meine Ziele (mit-)verantwortlich bin, entsteht dann die Zivilgesellschaft mit ihren Gruppen, Vereinen, Parteien, Initiativen. Diese Zivilgesellschaft war immer das, wofür ich Deutschland am meisten geliebt habe.

Im Übrigen bin ich überzeugt davon, dass dieses Konzept der tätigen Selbstverantwortung auch die Grundlage jeder Kirchengemeinde ist (sein sollte) – dort verbunden mit dem persönlichen Glauben der Menschen.

#Gesellschaft

»Bringen Sie mich auf der Stelle zurück zum Wasser und der Erde, die unsere Heimat sind!
Was ist denn dieses prächtige Europa anderes als reden Sie leise, gehen Sie langsam, stehen Sie auf, setzen Sie sich, ziehen Sie die Gardinen zu, verhalten Sie sich unauffällig, stellen Sie sich tot.
«
(Navid Kermani)

Blick auf eine #Gesellschaft, die manchmal die Balance zwischen Rücksicht und Lebendigkeit verliert...

Genau betrachtet, habe ich seit meiner Kindheit (implizit oder explizit) gelernt, dass Menschen besser sind, die

  • gut reden und klar denken können,
  • schnell und effektiv sind,
  • intelligent und gut ausgebildet sind,
  • sich auch in schwierigen Situationen unter Kontrolle haben,
  • gut und den Regeln gemäß gekleidet sind ...

Eine der wichtigsten Aufgaben traditioneller Schule zum Beispiel scheint zu sein, genau das zu vermitteln. Wer die Anforderungen erfüllt, ist gut. Wer immer nur eine 4 bekommt, ist schlecht. Nur sehr selten spielen andere Fähigkeiten eine Rolle.

Es ist ein langer Weg, das wieder zu verlernen, wenn man zu denen gehört, die immer als die “guten” gelesen wurden. Was das betrifft, bin ich sehr dankbar für meinen Glauben und für alles, was ich in der Themenzentrierten Interaktion und in der Mediationsausbildung gelernt habe. Und ich bin dankbar für viele Begegnungen mit #Menschen, die in ihrer großen Unterschiedlichkeit so wunderbar sind. Wie schwer es bleibt, merke ich beispielsweise, wenn ich einem abhängigen Wohnungslosen begegne oder in einer Gesprächsrunde auf Menschen treffe, die es schwer haben, sich klar auszudrücken.

#Gesellschaft

Gestern im Gottesdienst in West Bowling waren 58 Menschen (14 davon Kinder). Es wurde gefragt, wie “Hallo” in den jeweiligen Muttersprachen der Leute heißt. Und es kamen 12 Muttersprachen zusammen. So ist Bradford.

#Menschen #Gesellschaft

Vertreter*innen der Glaubensgemeinschaften im Stadtbezirk treffen sich hier regelmäßig zum Faith Forum. Mich spricht an, wie sie dabei überlegen, welche Rolle sie konkret miteinander spielen können, um die Probleme der Community in Angriff zu nehmen. Dabei geht es nicht um Fragen des Glaubens, sondern um eher profane Dinge: Vermüllung, Drugdealing, Raser auf den Straßen, Gewalt-Exzesse zur Bonfire Night. Konkrete Aktionen wurden verabredet oder weitergeführt.

Zu dem Forum gehören: die Gemeide der Church of England, verschiedene muslimische Communities, die Böhmische Kirche, die Sikhs, die Unitarier, die Hindus, eine italienische Mission (katholisch), die Quaker. Es wurde darüber gesprochen, wie man auch die Adventisten und die Serbisch-Orthodoxen mit ins Boot bekommt. Was für eine Vielfalt!

Jedes Treffen beginnt und endet mit einer gemeinsamen Zeit der Stille, die jede*r nach Wunsch natürlich fürs stille Gebet, zum Besinnen oder zur Reflexion nutzen kann.

#Gesellschaft #Spiritualität

Hier in Bradford scheint es keine Minderheiten zu geben, einfach nur verschiedene Gruppen: Muslim*innen mit pakistanischem Hintergrund, Hindus und Sikhs mit indischer Familiengeschichte, weiße englische Familien, Menschen mit familiären Wurzeln in Afrika, Irak, Iran, Syrien, Südamerika, Osteuropa... Ein Sprachengemisch aus Urdu, Arabisch, Polnisch, Swaheli, Russisch, Punjabi, Kurdisch, Hindi, Spanisch, Persisch... Und das alles zusammengeführt in einem Englisch von Hochsprache über Dialekt bis hin zu den gebrochenen Sätzen der Zugewanderten, die manchmal die Sprache nach zwei Jahren fließend sprechen und manchmal nach 15 Jahren noch kaum zu verstehen sind, wenn sie sich in Englisch versuchen.

Auch religiös gibt es eine Große Vielfalt. Längst sind Christ*innen nicht mehr die Mehrheit in der Stadt. Verschiedene Kirchen wechseln sich mit Moscheen und mit den Tempeln der Sikh und der Hindus ab. Als eine überregionale kulinarische Spezialität gilt nicht etwa ein traditionell englisches Gericht, sondern das berühmte Bradford Curry.

Ganz bestimmt geht das alles nicht ohne Schwierigkeiten.. Aber für einen Ostdeutschen wie mich ist es eine Welt der Vielfalt, die mehr Selbstverständlichkeit hat, als ich sie jemals erlebt habe. Vielleicht ist es die Zukunft der globalisierten Welt?

PS: Gerade sehe ich im Kino-Programm, dass dort selbstverständlich Filme in Englisch, Tamilisch, Hindi, Punjabi gezeigt werden.

#Gesellschaft

Bei einem Besuch im Sikh-Tempel habe ich auch am gemeinsamen Essen (Langar) teilgenommen. Jeden Tag wird in den Tempeln der Sikh von Ehrenamtlichen ein sehr einfaches spenden-finanziertes Essen vorbereitet. Jeder und jede kann kommen. In dem Raum hier können geschätzt 400 Leute gleichzeitig essen. So ist der Tempel von vornherein gebaut.

Eine Religion, in der eine tägliche gemeinsame Mahlzeit für alle unabhängig von Stand und Ansehen zum festen Ritual gehört, beeindruckt mich. Es spielt hier keine Rolle, ob du kommst, weil du arm bist und das Essen dir das Leben rettet, ob du Gemeinschaft suchst oder ob du einfach nur gerade unterwegs bist. Du bist willkommen.

#Spiritualität #Gesellschaft

Ich habe heute bei einer Art Tafel mitgemacht. Menschen mit zu wenig oder ohne Einkommen zahlten einen kleinen Betrag und bekamen dafür Lebensmittel, die im Supermarkt sehr viel mehr gekostet hätten. Dahinter stehen auch öffentliche Mittel, die es hier allerdings wohl nur noch bis September geben wird.

Ich frage mich immer wieder, was es für die Menschen bedeutet, von solchen Angeboten abhängig zu sein. Und was es für sie heißt, wenn Angebote entstehen, dann aber zurückgefahren werden, weil die Finanzierung befristet ist...

Angebotstisch der Tafel

#Foto #Gesellschaft