Dings
Oft glaube ich, dass mein Kopf voller Gedanken ist. Doch wann immer ich mich auf einen konzentrieren möchte, zerbröselt er oft wieder wie Sand zwischen meinen Fingern. Das bringt mich zu dem Gedanken: Vielleicht sind es gar keine echten Gedanken, vielleicht ist es vielmehr Gedankenmüll. Gedankenfetzen, grieseliges Gedankenrauschen im Hintergrund, mehr Störgeräusch als zielgerichtetes Denken.
Und was ist eigentlich mit Gefühlen? Gefühle jenseits des tauben, dumpfen, alles überlagendernden ... Dings. Was ist es? Eine Mischung aus dumpfer Angst und Traurigkeit? Das Dings hat meine innere Gefühlsleinwand durchtränkt, jeden Winkel. Es klebt an allen anderen Gefühlen. Freude wird zu einem klebrigen Gefühl der Freude. Es hängt Dings dran.
Teil von etwas Größerem
Menschen haben das natürliche Bedürfnis, Teil von etwas Größerem zu sein, Teil einer Gemeinschaft. Doch die Angebote im Supermarkt des Lebens aus der Kategorie „Größeres“ haben sich um Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts immer weiter ausgedünnt.
Religionen und (Groß)familien sind vielleicht die ältesten Formen dieser Gemeinschaften, doch seit über hundert Jahren befinden sie sich auf dem Rückzug.
Das 19. und 20. Jahrhundert boten uns Ideologien als große Ersatzfamilien und Ersatzreligionen an. Die Idee der Großfamilie Nation aus dem 19. Jahrhundert, der Patriotismus, wurde durch den Nationalsozialismus und andere nationalchauvinistische Bewegungen so pervertiert, dass sie stark an Attraktivität verlor. Die andere große Ersatz-Familie und -Religion, den Sozialismus, hat es durch den Stalinismus und die anderen Pervertierungen ebenso hart getroffen.
Blieb noch der sich ebenfalls im 19. und 20. Jahrhundert zur vollen Blüte entwickelte liberale Fortschrittsglaube: Der Menschheit zu technischem und gesellschaftlichem Fortschritt zu verhelfen durch mehr Wohlstand – höher, schneller, weiter. Auch diese Ideologie bekommt deutliche Kratzer, weil sie zu lange verfolgt wurde, ohne auf unsere planetaren Grenzen zu achten – von natürlichen Ressourcen über Biodiversität bis zu klimaerhitzenden Emissionen. Das einst erhabene Gefühl, im Überschallflugzeug oder dem schnellen Sportwagen zu sitzen, kann für fühlende und denkende Wesen heute nur noch von einem schlechten Gewissen getrübt werden.
Was bleibt? Das, was schon immer da war: Die anstrengendste und zugleich bereicherndste Form der Verbindung – die authentische von Mensch zu Mensch, über Wahrhaftigkeit im direkten Gespräch. Echte Gemeinschaft. Der Weg dahin ist simpel und zugleich schwer: sich zunächst mit sich selbst (wieder) zu verbinden, ehrlich und furchtlos, um sich dann mit anderen verbinden zu können. Mit Offenheit, Verletzlichkeit, dem ganzen Paket der condicio humana – dem ganzen Paket existentieller Ängste.
Geduld
Liegt es an den Gedanken, den Gefühlen, den Genen oder doch dem Nervensystem? Geduld ist der Schlüssel zu so vielem. Geduld es herauszufinden, auf die Reise ins innere Universum zu gehen. Und Geduld ist so knapp geworden in Zeiten der Dauer-Dopamin-Dusche.
Strömungen
Die Persönlichkeitsentwicklung ist niemals abgeschlossen. Wir entwickeln uns von der Wiege bis zur Bare. Vieles, was uns ausmacht, ist trotzdem früh angelegt, glaube ich. Im Erbgut und in den ersten sehr prägenden Jahren auf dieser Welt.
Vielleicht sind die ersten Lebensjahre und das Erbgut die Strömung des Flusses, in dem sich unsere innere Welt bewegt. Ein kleines Boot, ein kräftiger Fluss. In den ersten Jahren treiben wir hilflos mit der Strömung, geformt von unsichtbaren Kräften. Doch irgendwann, vielleicht mit dem ersten trotzigen „Nein“ bekommen wir ein Ruder in die Hand gedrückt. Fortan können wir lenken, können versuchen, unserem Schicksal eine Richtung zu geben.
Wir können navigieren – aber gegen die Strömung zu fahren ist sehr anstrengend, selbst als Erwachsener. Manche von uns allerdings schaffen es mit viel Geduld und beharrlicher Arbeit einen richtigen Kahn zu bauen, der dann sogar scheinbar mühelos gegen die Strömung ankommt.
Identitäten
Wenn ich so etwas wie eine Identität habe, dann vielleicht das: Leicht zynisch gewordener Großstadtmensch, ein wenig intellektuell, ein wenig links – aber immer realistisch. Atheistisch, auf jeden Fall. Rational, natürlich. Vernünftig, immer.
Identitäten haften fest. Sich von ihnen zu lösen ist schmerzhaft wie das Abziehen eines Pflasters – aber manchmal für den Heilungsprozess notwendig.
Universums-Maschinen
Dieses Universum ist faszinierend. Es hat Wesen hervorgebracht, die in der Lage sind, sich unendlich viele weitere Universen auszudenken. Mit künstlicher Intelligenz drehen wir das eine Iteration weiter: Wir erschaffen Maschinen, die wiederum in der Lage sind, die von uns zu Papier gebrachten Universen unendlich oft neu zu kombinieren – und wer weiß – vielleicht sogar wieder unendlich viele, neue Universen zu erschaffen.
Seneca und das Dopamin
Ich möchte etwas aufbauen – für mich und für andere. Dazu gehört auch wirtschaftlich erfolgreich sein, das darf ich mir zugestehen. Warum wird mir dann schlecht, wenn ich LinkedIn öffne und all die „Humbled und proud“-Texte lese? Ist es Neid, Ablehnung von Egoismus, Ablehnung von Unehrlichkeit?
Seneca hat wahrscheinlich schon recht, wenn er schreibt, dass das wahre Glück unabhängig von äußeren Umständen und Wohlstand im Innern zu finden ist. Dagegen Wohlstand und das Erreichte zu genießen, hatte er allerdings auch nichts.
Und Dopamin existiert nunmal. Trotzdem dürfen wir bei all dem auch daran denken: das Hamsterrad gefährdet nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unser Glück. Weniger Ablenkung, weniger schnelle Belohnung und mehr im Moment sein ist daher sicher ein ratsam. Mit anderen Worten: Wieder mehr Kind sein. Darin war ich als Kind schon nicht gut.
Ein Witz
Optimist zu einem Pessimisten: „Ich glaube, das hier ist die beste aller möglichen Welten.“
Pessimist: „Das befürchte ich auch.“
Schreiben und Leben
Vom Schreiben kann man einiges übers Leben lernen. Seiten können unendlich eng und klein beschrieben sein oder weit und hastig – so wie Minuten, so wie Tage. Das Beschreiben von Seiten kann uns klar machen, dass Tage die Leinwände unseres Lebens sind.
Vor allem aber: Wer schreibt weiß, dass jeder Satz eine völlig unerwartete Wendung nehmen kann. Jeder Satzanfang eröffnet eine neues, mögliches Universum. Wer sich auf den Prozess des Schreibens einlässt spürt, dass er oder sie dieses Gefühl in den Alltag mitnehmen kann.
Ups
Er bemerkte, wie er innerhalb weniger Jahre von jemanden, der sich fragte, welche Droge er als nächstes ausprobieren könnte zu jemanden wurde, der nach 20 Uhr nichts mehr essen wollte, um seine 16 Stunden Fastenzeit einzuhalten.