Es sind vorrangig Ford Transit und Mercedes Transporter. Immer schon ziemlich alt, meist vorher in Europa gefahren und dort aussortiert. 20 bis 24 Plätze.
Mit diesen Kleinbussen ist das ganze Land verbunden. Auf den Bus-Stationen der größeren Städte stehen immer viele davon. Manche haben ein Schild mit Fahrziel in der Windschutzscheibe. Meist muss man aber einfach nachfragen, wenn man sich nicht auskennt.
Früher standen sie, bis sie voll waren, und fuhren dann los. Heute gibt es schon Abfahrts-Zeiten, die man erfragen kann, wenn sie einen interessieren. Angeschrieben sind sie nirgends. Und es kommt vor, dass die Marschrutka dann doch nicht losfährt, weil nicht genug Menschen drin sitzen. Aber meistens sind sie voll.
Mir macht es nicht wirklich Spaß, darin zu fahren: eng, laut, rumpelig. Drei oder sechs Stunden Fahrzeit sind anstrengender als ein ganzer Arbeitstag. Aber immerhin ist es authentisch. Und ich komme, wohin ich will.
Das hat mir bislang gefehlt: Endlich auch mal Zugfahren. In Armenien gibt es nur wenige Zugstrecken und da hat es für mich nicht gepasst. So bin ich ausschließlich per Anhalter und mit Kleinbus unterwegs gewesen, zwei ganz kleine Strecken im Taxi.
Heute sitze ich in einem georgischen Zug von Tbilissi in Richtung Westen. Für diesen Zug habe ich gestern das letzte vorhandene Ticket bekommen: 1. Klasse (fahre ich sonst nie). Aber bei 11,20 € für 320 km ist das schon ok 😀. Tickets werden wie üblich pro Platz verkauft, Reservierung also inklusive. Ich werde auch erst reingelassen, wenn ich meinen Pass gezeigt habe und der Name stimmt.
Die Fahrzeit beträgt knapp sieben Stunden – langsam, aber pünktlich. Ich genieße den Blick aus dem Fenster bei (selten) maximal 100 km/h und die kurzen Gespräche mit der netten Familie auf den Nachbar-Plätzen. Und natürlich ist es sehr viel angenehmer als im Kleinbus. Mit dem fahre ich dann gleich anschließend vier Stunden in die Berge – eine Tortur.
Im Alter von 16 bis 26 habe ich rund 60.000 km per Anhalter zurückgelegt: vor allem auf dem Balkan, in Polen und in Ostdeutschland. Die vielen Wochen unterwegs – quasi in allen Ferien und oft an verlängerten Wochenenden – betrachte ich noch immer als meine nachhaltigste Bildungserfahrung.
Wenn ich jetzt in Armenien unterwegs bin – oft auf Strecken, auf denen es kaum Busverkehr gibt – und mich darauf verlasse, dass mich jemand mitnimmt, dann kommt all das sofort wieder. Die Überzeugung, dass die, die anhalten genau die richtigen sind, zum Beispiel. Mag es (wie heute) der blitzneue E-SUV von VW sein, der 42 Jahre alte Shiguli, der Uralt-Laster, bei dem ich auf der Ladefläche sitze, der Lada, der mit 120 über die Schlaglöcher brettert, oder der Kleinwagen, in dem schon vier sitzen und ich mit meinem Rucksack nur noch ziemlich gequetscht Platz habe.
Was sich auch sofort wieder einstellt: Die Freude an der Vielfalt der Menschen in den fremden Autos: Schweigsame, von denen ich kein Wort höre. Gesprächige, die mir ihre halbe Lebensgeschichte erzählen. Touristen, die für 2 Tage aus Moskau geflogen kommen und kaum älter als 25 sein können. Der alte Mann, der 120 km fährt, um nach seinen Bienen auf dem Bergpass zu schauen. Menschen, die viel über mich und mein Land wissen wollen. Und solche, die keine einzige Frage stellen.
Jedenfalls liebe ich es. Zumal ich hier zumindest bislang noch nicht länger als maximal 5 min warten musste (und das war eher eine Ausnahme).
Heute habe ich einen Ausflug in ein Kloster in den Bergen gemacht. Das Kloster ist ca. 35 km von der Stadt entfernt, die Straße dorthin eine echte Herausforderung...
Auf dem Hinweg habe ich den Linienbus genommen. Der fährt tagsüber alle 25 Minuten und kostet sagenhafte 1,15 € für die ganze Strecke. Und das, wo z. B. Lebensmittel hier durchaus nicht billiger sind als bei uns. (Eine Stadt-Fahrt mit Metro oder Bus kostet übrigens knapp 0,35 €.)
Auf dem Rückweg habe ich einmal kurz die Hand rausgehalten und bin sofort mitgenommen worden. Unterwegs – der Fahrer hatte gerade einen Kaffee, eine Zigarette, das Telefon und, ja auch ein bisschen das Lenkrad in der Hand – hat sich der Transporter im Kiesbett festgefahren, die Räder drehten durch. Er bewegte sich keinen Zentimeter vor oder zurück. Was bemerkenswert war: Es dauerte keine 15 Sekunden, da waren vier (!) Autos stehen geblieben und die Insassen boten Hilfe an. Schnell war ein Seil zur Hand, der Wagen aus der misslichen Situation herausgezogen und es ging für alle weiter.
Bis gerade war ich dabei, die letzten dienstlichen Aufgaben zu erledigen, die nicht bis Ende Juli warten können oder sollen. Nun habe ich noch meinen Rucksack gepackt und bin bereit.
Vor einiger Zeit habe ich intensiv recherchiert, ob ich mit Zug und Bus nach Armenien komme. Das Ergebnis: Ja, es könnte gehen. Aber es dauert vier Tage und das letzte Wegstück von Istanbul nach Jerevan schien mir recht unsicher. Also habe ich entschieden, doch ein Flugitcket zu lösen, obwohl ich es nicht mag.
In mir: ein Kribbeln, das langsam den Hamsterrad-Modus der letzten Tage ablöst. Ich freue mich auf das Neue, das auf mich zukommt. Ich freue mich auf die Wärme, die Berge, die Menschen. Ich freue mich darauf, mal wieder etwas russisch zu sprechen – jedenfalls das, was nach 14 Jahren ohne Praxis davon noch übrig ist. Ich freue mich auf die Ruhe, etwas Lektüre. Und auf die Freiheit, die das Reisen allein oft bringt.