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from Michael Gisiger

Joachim Beuckelaer: Marktplein, met op de achtergrond de geseling, Ecce homo en de kruisdraging

Wir hören es immer wieder: Erfolgreiche CEOs sagen, dass das Geheimnis ihres Erfolgs darin liegt, „Nein“ zu sagen. Influencer raten uns, dieses oder jenes Produkt zu kaufen, weil sie es angeblich selbst lieben. Doch was für sie funktioniert, muss nicht automatisch für dich passen. Pauschale Ratschläge ohne Berücksichtigung deines eigenen Kontextes können sogar gefährlich sein. Dieser Beitrag wirft einen kritischen Blick darauf, warum es so wichtig ist, Ratschläge zu hinterfragen – egal ob sie von einer erfolgreichen CEO oder einem beliebten Influencer kommen.

Die Verführung der Autorität

Es liegt in unserer Natur, Autoritätspersonen zu vertrauen (Authority Bias). Ob es CEOs sind, die ihre Erfolgsgeheimnisse preisgeben, oder Influencer, die Produkte anpreisen – wir neigen oft dazu, ihren Ratschlägen Glauben zu schenken. Doch hier liegt das Problem: Dieser Glaube beruht oft auf der Annahme, dass Autorität und Erfolg gleichbedeutend mit allgemeiner Kompetenz sind. Nur weil ein CEO erfolgreich ist, bedeutet das nicht, dass seine Ratschläge universell anwendbar sind.

Ein Beispiel: Viele CEOs betonen die Wichtigkeit, „Nein“ zu sagen. Diese Strategie mag in der Unternehmensführung sinnvoll sein, aber für den Grossteil der Arbeitnehmer könnte sie kontraproduktiv sein. Ein junger Mitarbeiter, der jede Gelegenheit ablehnt, riskiert, Chancen und Lernmöglichkeiten zu verpassen. Was für den CEO im spezifischen Kontext seiner Führungsposition funktioniert, ist ein typischer Fall von nicht-kontextbezogenem Ratschlag – ein Rat, der ohne Berücksichtigung individueller Umstände erteilt wird und daher leicht fehlgeleitet sein kann.

Ähnlich verhält es sich bei Influencern. Sie nutzen ihre Popularität, um Produkte zu bewerben, und ihre Empfehlungen basieren oft auf einem idealisierten Bild ihres eigenen Lebens. Ihre FollowerInnen vertrauen diesen Ratschlägen, da die Influencer eine emotionale Nähe aufbauen – sie wirken fast wie Freunde, denen man vertraut (parasoziale Interaktion). Doch auch hier wird häufig übersehen, dass diese Ratschläge nicht immer auf die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände der Follower passen. Es ist die Autorität, sei sie nun durch Status oder durch emotionale Bindung geschaffen, die uns verführen, ohne dass wir den Kontext hinterfragen.

Dein Leben, deine Regeln

Der grösste Fehler, den man machen kann, ist anzunehmen, dass es eine universelle Erfolgsformel gibt, die für alle funktioniert. Die Realität sieht anders aus: Jede Situation, jedes Leben und jede Karriere sind einzigartig. Pauschale, nicht-kontextbezogene Ratschläge ignorieren diese Tatsache und bergen das Risiko, dass sie uns auf einen Weg führen, der gar nicht zu unseren Zielen, Werten oder Lebensumständen passt.

Wenn du beispielsweise immer wieder hörst, wie wichtig es ist, „Nein“ zu sagen, solltest du dir bewusst machen, dass diese Strategie möglicherweise nicht zu deiner aktuellen Lebens- oder Karrieresituation passt. Für einen CEO mag das Fokussieren und Ablehnen unwichtiger Aufgaben entscheidend sein, aber als aufstrebender Arbeitnehmer oder Selbstständiger könnte es viel sinnvoller sein, „Ja“ zu neuen Herausforderungen zu sagen. Die Vorstellung, dass ein Ratschlag, der in einem bestimmten Kontext funktioniert, auch in deinem Leben ohne Anpassung wirksam ist, ist schlichtweg irreführend.

Dasselbe gilt für die Produkte, die dir Influencer ans Herz legen. Sie präsentieren dir oft eine idealisierte Version ihres Lebens – und natürlich sollen die von ihnen beworbenen Produkte dieses Leben vervollkommnen. Doch frag dich: Passt das wirklich zu deinen Bedürfnissen? Ist das, was du siehst, auch das, was du brauchst? Hier ist #Selbstreflexion gefragt. Was sind deine persönlichen Ziele und Werte? Welche Entscheidungen dienen tatsächlich deinem Wohlbefinden, und welche sind nur das Ergebnis eines Vergleichs mit dem Leben anderer?

Letztlich musst du deine eigenen Regeln aufstellen. Du allein kennst die Besonderheiten deines Lebens. Und nur, wenn du deine Entscheidungen auf dieser Grundlage triffst, kannst du sicher sein, dass sie dir wirklich nützen und nicht nur auf einem allgemeinen Ratschlag basieren, der in deinem Fall vielleicht nicht sinnvoll ist.

Die Mechanismen der Manipulation

Es wäre naiv zu glauben, dass wir uns der psychologischen Techniken, die hinter dem Einfluss von Influencern und CEOs stecken, immer bewusst sind. Gerade in den sozialen Medien werden gezielt Methoden eingesetzt, die uns unbewusst in unseren Entscheidungen beeinflussen. Diese Mechanismen basieren auf psychologischen Prinzipien, die tief in unserem menschlichen Verhalten verankert sind – und genau hier liegt ihre Stärke.

Influencer setzen beispielsweise gezielt auf Reziprozität. Sie geben uns Inhalte, Tipps oder Empfehlungen und wecken in uns das Gefühl, etwas zurückgeben zu müssen – sei es durch Likes, Follows oder sogar den Kauf eines empfohlenen Produkts. Dieses Prinzip der Reziprozität, das Robert Cialdini in seinem Buch Pre-suasion beschreibt, ist eines der stärksten Mittel, um Menschen subtil in eine bestimmte Richtung zu lenken. Zusätzlich spielt der Social Proof („sozialer Beweis“) eine grosse Rolle: Wenn viele Menschen ein bestimmtes Produkt kaufen oder einem Trend folgen, neigen wir dazu, zu glauben, dass dies die richtige Entscheidung sein muss. Dieser Mechanismus gehört zu den psychologischen Prinzipien, die Cialdini als besonders wirkungsvoll beschreibt.

Auch das Prinzip der Verknappung (Scarcity) wird oft geschickt eingesetzt. Wir kennen alle die typischen Aussagen wie „Nur noch wenige Exemplare verfügbar“ oder „Limitierte Auflage“. Dieses Gefühl, etwas zu verpassen, veranlasst uns oft zu schnellen Entscheidungen, die wir später vielleicht bereuen. Doch auch CEOs oder andere erfolgreiche Persönlichkeiten nutzen diese Techniken – bewusst oder unbewusst. Sie etablieren eine Autorität, auf die wir vertrauen, und präsentieren ihre Ratschläge als unfehlbare Erfolgsrezepte.

Was all diese Manipulationstechniken gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie oft unbemerkt bleiben. Sie nutzen unsere unbewussten Entscheidungsprozesse, um uns zu beeinflussen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass du dir dieser Mechanismen bewusst wirst und kritisch hinterfragst, was dir präsentiert wird. Frage dich stets: Welche Motive stecken hinter den Empfehlungen? Wird hier vielleicht ein bestimmtes Ziel verfolgt, das nicht mit deinen eigenen Interessen übereinstimmt?

Denke selbst!

Letztlich läuft alles auf einen entscheidenden Punkt hinaus: Du musst selbst denken. Wir werden im Alltag von Ratschlägen und Meinungen geradezu überschwemmt, daher ist kritisches Denken eine unerlässliche Fähigkeit. Ob es sich um einen CEO handelt, der seinen Erfolg auf eine bestimmte Strategie zurückführt, oder um eine Influencerin, die dir das neueste „Must-have“ anpreist – du solltest dir immer die Frage stellen, ob dieser Rat oder diese Empfehlung wirklich auf deine Situation zutrifft.

Wie bereits Robert Cialdini in Pre-suasion zeigt, werden wir oft schon in den Momenten vor der eigentlichen Botschaft beeinflusst. Das bedeutet, dass bereits die Art und Weise, wie uns eine Empfehlung präsentiert wird, unsere Entscheidung formen kann, lange bevor wir uns mit dem eigentlichen Inhalt auseinandersetzen. Genau deshalb ist es so wichtig, jede Information, die du erhältst, mit deiner eigenen Situation abzugleichen. Was sind deine Ziele, deine Werte, deine Lebensumstände? Passt der Rat oder die Empfehlung in diesen Kontext? Und vor allem: Macht es für dich persönlich Sinn, diesem Rat zu folgen?

Ein zentraler Aspekt des kritischen Denkens ist es, auch die Quelle des Ratschlags zu hinterfragen. Warum gibt diese Person diesen Rat? Was ist ihre Motivation? Bei Influencern etwa solltest du dir bewusst machen, dass sie oft gesponserte Inhalte veröffentlichen, deren Hauptzweck es ist, Produkte zu verkaufen. Bei CEOs und anderen erfolgreichen Führungspersönlichkeiten könnte die Motivation darin liegen, ihre eigene Arbeitsweise zu rechtfertigen oder ihre Position zu stärken.

Sich selbst zu vertrauen und die Kontrolle über die eigenen Entscheidungen zu übernehmen, ist der Schlüssel. Anstatt blind den Ratschlägen anderer zu folgen, solltest du dich auf dein eigenes Urteilsvermögen verlassen. Recherchiere, stelle Fragen und sammle verschiedene Perspektiven, bevor du entscheidest, was für dich funktioniert. Nur so kannst du sicherstellen, dass deine Entscheidungen wirklich zu dir und deinen Zielen passen.

Fazit

Nicht-kontextbezogene Ratschläge sind allgegenwärtig, sei es von CEOs, die ihre Erfolgsstrategien preisgeben, oder von Influencern, die ihre Produkte anpreisen. Doch wie Robert Cialdini betont, sind wir oft schon vor der eigentlichen Botschaft subtil beeinflusst. Was für diese Personen funktioniert, muss nicht automatisch auch für dich passen. Jede Lebens- und Karrieresituation ist einzigartig, und nur du selbst kennst die Umstände, die für dich von Bedeutung sind. Deshalb ist es unerlässlich, Ratschläge immer kritisch zu hinterfragen und auf den eigenen Kontext anzuwenden.

Wenn du dir bewusst bist, wie psychologische Mechanismen – sei es durch Autorität, Verknappung oder Reziprozität – auf dich wirken, kannst du besser informierte Entscheidungen treffen. Letztlich liegt es an dir, nicht blind den Erfolgsformeln anderer zu folgen, sondern deinen eigenen Weg zu finden. Kritisches Denken, die eigene Recherche und das Vertrauen in deine persönlichen Ziele und Werte sind der Schlüssel, um Manipulationen zu durchschauen und Entscheidungen zu treffen, die wirklich zu dir passen.

Zusammenfassung und Tipps

  1. Frage dich, ob der Rat in deinen Kontext passt: Nicht jede Strategie, die für andere funktioniert, ist auch für dich geeignet. Hinterfrage Ratschläge immer im Hinblick auf deine eigene Situation.

  2. Sei dir der psychologischen Techniken bewusst: Ob Reziprozität, Verknappung oder Social Proof – erkenne, welche Mechanismen dich beeinflussen könnten, und treffe deine Entscheidungen bewusst.

  3. Vertraue auf dein eigenes Urteilsvermögen: Recherchiere selbst, stelle Fragen und informiere dich umfassend, bevor du einer Empfehlung folgst.

  4. Hinterfrage die Motivation des Ratgebers: Überlege dir, welche Interessen CEOs, Influencerinnen oder andere Personen verfolgen könnten, wenn sie dir Ratschläge geben.

  5. Triff Entscheidungen basierend auf deinen Werten und Zielen: Nur du kennst deine Bedürfnisse am besten. Verlass dich auf deine eigene Reflexion und nicht auf pauschale Erfolgsformeln.


Literatur Robert Cialdini (2017): Pre-suasion: Wie Sie bereits vor der Verhandlung gewinnen, Frankfurt: Campus.

Bildquelle Joachim Beuckelaer (um 1530–1573/74): Marktplein, met op de achtergrond de geseling, Ecce homo en de kruisdraging, Rijksmuseum, Amsterdam, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in meinen Notizen und Links wurde NotebookLM von Google verwendet.

Topic #Kommerz

 
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from Christians Blog

Da mein Leben nach über einer Dekade mit Smartphone mit diesem sowohl organisatorisch als auch technisch ziemlich verwoben war, bedarf die Trennung eine gewisse Vorbereitung.

Zunächst habe ich mir eine Liste angelegt, um die Bereiche zu sammeln, die davon betroffen sein könnten. Diese sieht ungefähr so aus:

  • Kommunikation
  • Navigation
  • Informationsbeschaffung (aka Googlen)
  • Notizen- / Aufgabenverwaltung
  • Kalender
  • Fotos
  • Unterhaltung (Musik, Podcasts)
  • Banking
  • ÖPNV
  • Social Media
  • 2FA Anmeldungen
  • Sonstige Apps (Smarthome etc.)

Schon jetzt eine lange Liste und vielleicht nicht mal komplett. Das wird sich dann im Laufe der Zeit zeigen.

Als nächstes habe ich mir bei jedem einzelnen Bereich Gedanken gemacht, welche Alternativen es ohne Smartphone gibt und welche Schwierigkeiten sich dadurch eventuell ergeben würden. Daraus habe ich dann eine Bewertung abgegeben, wie machbar der Umstieg für diesen Bereich wäre.

Ich gebe mal ein paar Beispiele aus Bereichen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgeraden:

Kommunikation

Kein Smartphone heißt auch: Kein Signal, Threema, WhatsApp, ... Das ist aus meiner Sicht zunächst mal einer der Beweggründe überhaupt das Smartphone aus meinem Leben zu verbannen. Auf der anderen Seite heißt das nunmal auch, dass meine bisher gewohnte Kommunikationsweise mit vielen Bekannten und Familie wegbricht.

Wir leben leider in keiner perfekten Welt, daher findet nunmal viel Austausch in Vereinen, Familie, Kita, etc. über WhatsApp-Gruppen statt. So traurig und bedenklich das auch ist. Davon habe ich mich jetzt über eine letzte Rundnachricht an Alle verabschiedet mit der Info, wie man mich künftig erreichen kann (Anruf, SMS, wahlweise Brieftaube). Die Zeit wird zeigen, wie gut das klappt. Ich denke mir: Wenn ich dem Kontakt wichtig genug bin, wird er oder sie mich auch auf diese Wege versuchen zu erreichen. Und wenn nicht, dann wird's wohl auch nicht so wichtig sein.

Ich würde sagen, dass das ein großer Bereich ist, dessen Einschränkung auf jeden Fall befreiend, aber auch mit einigen Komplikationen verbunden ist.

Social Media

Das ist auf jeden Fall ein Bereich, der hauptsächlich dafür verantwortlich ist, dass ich mich von meinem Smartphone gelöst habe. Auch wenn ich mich selbst nicht als Social-Media-Junkie bezeichnen würde, bin ich doch viel zu oft in letzter Zeit immer wieder auf diese Aufmerksamkeitsfalle getappt, die einem die großen Unternehmen aufstellen. Sei es Doomscrolling oder unrealistische Abbildungen der Wirklichkeit, die in einem so schlechte Gefühle wie Neid, Unvollkommenheit und Leere auslösen.

Die einzige Form von Social Media, an der ich nun noch teilnehme, ist das Fediverse, vorrangig Mastodon. Und das auch nur über meinen Laptop. So kann ich dort eben nicht so bequem wie auf dem Smartphone abtauchen, sondern habe nur ein paar Mal am Tag (wenn überhaupt) Zeit und Muße mich dort ran zu setzen.

Das ist auf jeden Fall ein Bereich, bei dem ich sehr froh bin, ihn nicht mehr ständig mit mir rumschleppen zu müssen.

ÖPNV / Banking / 2FA

Diese drei Bereiche nehme ich mal zusammen, als Beispiele für Dinge, für die ich mein Smartphone abseits von Kommunikation genutzt habe, bzw. nutzen musste.

Online-Banking funktioniert nur noch über bestimmte TAN-Verfahren. In meinem Fall bisher über eine eigene App meiner Bank dafür. Es ist ja grundsätzlich auch hilfreich und wünschenswert, die Sicherheit des Online-Bankings durch einen zweiten Faktor zu vergrößern. Blöd nur, dass ich ohne diese App erstmal keine Online-Überweisungen durchführen kann. Die Alternative ist aber relativ simpel: Meine Bank bietet das Verfahren auch über einen TAN-Generator an. Diesen habe ich mir besorgt und schaue mal, wie gut das in Zukunft klappt.

Dazu passend habe ich mittlerweile natürlich für alle möglichen Logins einen zweiten Faktor eingerichtet. Eigentlich überall dort, wo es auch möglich ist. Dieser zweite Faktor war aber bisher bei mir zu 99% eine 2FA App, die OTPs generiert. Dafür brauche ich nun also ebenfalls eine Alternative. Nun benötigt es hier allerdings etwas mehr Aufwand, da die Dienstanbieter, bei denen ich überall ein Benutzerkonto habe, das Thema 2FA alle unterschiedlich handhaben.

Manche bieten 2FA über SMS an, manche über einen Hardware-Token (z.B. YubiKey) oder über einen Passkey. Überall dort, wo das ging, habe ich es auch entsprechend umgestellt. Manche Dienste bieten allerdings keine Alternative zu einer Zwei-Faktor-Authentisierung über eine App an und so musste ich dort mit einem weinenden Auge, diese deaktivieren. In den Fällen lohnt es sich eventuell, den Betreiber über diesen Umstand zu informieren und ihn so vielleicht dazu bewegen, weitere Möglichkeiten der 2FA in Zukunft zu implementieren.

Der Endgegner ist allerdings bisher der ÖPNV.

Aktuelle Fahrpläne und deren Änderungen nicht mehr in der App einsehen zu können, ist die eine Sache. Ja, das ist erstmal unkomfortabel und bedarf hier und da etwas mehr Vorbereitung, aber damit kann ich leben.

Wo ich aktuell vor eine Wand laufe, ist mein Monatsticket. Ich bin in der glücklichen Lage das Deutschlandticket kostenlos über meinen Arbeitgeber zu erhalten. Bisher allerdings nur über die App des ÖPNV-Betreibers in meiner Region. Im Zuge meiner Vorbereitung das Smartphone abzulegen, habe ich auch erfahren, dass eben jener Betreiber auch eine physische Chipkarte für das Deutschlandticket bereitstellt. Wunderbar, dachte ich, beantrage ich gleich mal. Stellte sich leider heraus, dass es diese Chipkarte für sogenannte Jobtickets (noch) nicht gibt. Das heißt mir bleibt nichts anderes übrig, entweder ohne Ticket zu fahren, oder nur für diesen Zweck mein Smartphone mitzunehmen. Das bringt mich etwas auf die Palme und eine Mail an den Betreiber ist schon raus. Aber es ändert erst einmal nichts an der Situation.

Vermutlich werde ich es so handhaben müssen, das Smartphone (ohne SIM-Karte) soweit es geht von Apps zu bereinigen und eben nur die ÖPNV-App drauf zu lassen und es tief und ausgeschaltet im Rucksack zu packen, wenn ich mal mit den Öffis unterwegs bin.

Diese Beispiele zeigen, dass es einige Hürden bei der Umstellung gibt. Manche kleiner, manche größer, manche wirken erst einmal unüberwindbar. Aber das hält mich nicht von meinem Weg ab.

Anschaffungen

Darüber hinaus habe ich mir im Zuge der Vorbereitungen auch ein paar Dinge angeschafft bzw. anschaffen müssen:

  • Natürlich ein “Dumbphone”, mit dem ich zukünftig nur per Anruf und SMS erreichbar bin. Ich habe mich für die Neuauflage des Nokias 3210 entschieden. Das hat schön wenig Funktionen, war mit ca. 60€ recht kostengünstig und meine bisherige Nano-SIM-Karte passte da auch direkt rein.
    • Dabei konnte ich direkt mal meinen bisherigen Handytarif so weit es ging runterstufen und spare hier jeden Monat auch bares Geld! Denn auf irgendein Datenvolumen kann ich nun getrost verzichten.
  • MP3 Player für Musik unterwegs. (Freue mich schon den zu befüllen!)
    • Gibt es mittlerweile für wenige Euros mit ausreichend Gigabyte. (Ich weiß noch, dass ich für meinen ersten über 100€ für satte 512MB gezahlt habe und damit der King auf dem Schulhof war!)
  • Wie schon angesprochen einen TAN-Generator fürs Online Banking
  • Physischer Kalender / Notizbuch für unterwegs
  • Einen Digitalwecker
  • Und tatsächlich wieder ein Print-Abo einer Tageszeitung, um die Nachrichten nicht mehr sofort per Push-Nachricht bekommen, sondern einmal am Tag schön entschleunigt und ohne Kommentarspalte auf Papier.

Das waren alles überschaubare Kosten für den Umstieg und vieles davon hat man ohnehin schon irgendwie rumfliegen.

Was mir noch fehlt ist eine kleine kompakte Kamera für unterwegs. Denn tatsächlich habe ich die Kamera meines Smartphones sehr geschätzt und ständig meine fette Spiegelreflex mit den kiloschweren Objektiven mitzuschleppen, ist mir einfach zu umständlich. Aber aus Kostengründen kommt eine kleine Kamera erst einmal auf meine Wunschliste.

Damit war ich erst einmal bereit für den tatsächlichen Um- bzw. Ausstieg und werde in Kürze von meinen ersten Tagen ohne Smartphone berichten!

 
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from Christians Blog

Leben ohne Smartphone – Der Entschluss

Ich habe den Entschluss gefasst, künftig ein Leben ohne Smartphone zu führen. Ich habe es satt, dass mir dieses Ding ständig Zeit raubt und um meine Aufmerksamkeit lechzt, die ich eigentlich für viel wichtigere Dinge im Leben aufwenden möchte. Ganz besonders ist mir das in letzter Zeit im Familienleben aufgefallen: Selbst mein jüngstes Kind (1 Jahr alt), hat schon herausgefunden, dass dieser schwarze Klotz, auf den Mama und Papa ständig gucken, wohl was ganz spannendes und wichtiges sein muss. Und so richtet sich auch seine Aufmerksamkeit schon auf dieses Gerät, auch wenn es nur irgendwo ausgeschaltet auf dem Tisch liegt.

Und dabei würde ich mich selbst nicht einmal als “Smartphone-Junkie” bezeichnen. Aber dennoch ist die Versuchung immer riesengroß, dass Ding schnell mal zu zücken und zu prüfen, ob mir jemand geschrieben hat oder ob in der Welt doch noch was neues geschehen ist. Oder vielleicht ist mir gerade auch einfach nur langweilig: Zack, schon scrollt man sich durch irgendwelche unwichtigen Apps und vergisst dabei alles und jeden um sich herum. Selbst, wenn man in “noblen” Absichten das Smartphone zückt, um beispielsweise die Wetter-App zu prüfen, wie warm es denn heute wird und was man den Kindern anziehen sollte. Eine Benachrichtigung aus einer völlig anderen Ecke genügt, um wieder im digitalen Sumpf zu versinken bis man nach ein paar Minuten schon gar nicht mehr weiß, was man eigentlich nachschauen wollte.

Und da ich mich kenne, weiß ich, dass mir hier nur eine strikte Nulldiät hilft. Ich bin einfach nicht der Typ, bei dem nur ein Teilverzicht auf Dauer funktionieren würde, also zum Beispiel das Handy nur zu bestimmten Tageszeiten oder in bestimmten Räumen zu nutzen. Nach wenigen Tagen wäre ich ruckzuck wieder in meinen alten Mustern gelandet.

Daher will ich nun den Stecker ziehen und künftig mein Leben “Smartphone-frei” gestalten.

Nach etwas Nachdenken über meinen Entschluss, fiel mir doch auf, dass es nicht von der einen Sekunde auf die andere machbar ist und es doch etwas Vorbereitungen und Umstellungen bedarf.

Zum einen organisatorisch (wie bin ich für mein Umfeld zukünftig erreichbar?), zum anderen aus technischer Sicht (wofür habe ich mein Smartphone bisher genutzt und welche Alternativen gibt es dazu?).

Um mich selbst auf diesem Weg weiterhin zu motivieren und auch über die Erlebnisse zu reflektieren (was lief gut, was lief schlecht), schreibe ich diesen Blog. Mit meinen weiteren Überlegungen und Vorbereitungen bevor ich tatsächlich mein Smartphone wegsperre, möchte ich in meinem nächsten Blogeintrag fortführen.

Und wenn die eine oder der andere das interessant findet und eventuell den gleichen Entschluss irgendwann fasst, würde ich mich über diesen Nebeneffekt ebenfalls freuen.

 
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from KontaktSplitter

In der Soziologie ist von Dritten Orten die Rede: Orte, die den Menschen einen Ausgleich zu Arbeit und Familie bieten. Orte, an denen alle willkommen sind, an denen sich Hierarchien nivellieren, Menschen miteinander ins Gespräch kommen und eine spielerische Atmosphäre herrscht. Menschen brauchen solche Dritten Orte.

Ich frage mich, wo es Dritte Orte in Erfurt gibt. Die Bibliothek? Die Wiese vor der Predigerkirche am Gustav Adolf Brunnen? Ein Kriterium für einen guten Dritten Ort könnte sein, ob du wirklich schnell mit anderen ins Gespräch kommst. Und: ob Menschen in ihrer Vielfalt dort selbstverständlich aufkreuzen: Arme, Reiche, Bildungsferne, Gebildete, Queere, Migrant*innen, Menschen verschiedener Generationen, du und ich...

So gesehen braucht es solche Orte wohl eher noch in unserer Stadt.

Hier ist übrigens noch ein Lese-Tipp zu theologischen Implikationen: Street Theology, in der die Eckkneipe zum theologischen Lernort wird.

#Gesellschaft

 
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from KontaktSplitter

Es ist doch wohltuend, zwischendurch einmal zu fühlen, dass man in Gottes Hand ist, und nicht immer und ewig sich durch die Winkel einer wohlbekannten Stadt zu schleichen, wo man immer einen Ausweg weiß.

(Sören Kierkegaard)

#Loslassen #Spiritualität

 
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from Michael Gisiger

Domenico Fetti: Archimedes Pensativo

Erinnerst Du Dich daran, wie oft Du in der Schule oder im Studium Dinge gelernt hast, die erst Jahre später an Bedeutung gewannen? Vielleicht war es ein Roman, den Du damals nicht ganz verstanden hast, oder ein Konzept, das Dir unnötig erschien – bis das Leben Dich plötzlich daran erinnerte. Diese Fähigkeit, Wissen aufzunehmen und es irgendwann flexibel anzuwenden, beschreibt Leslie Valiant in seinem neuen Buch The Importance of Being Educable: A New Theory of Human Uniqueness als „Bildungsfähigkeit“ (educability).

Valiant, einer der führenden Computerwissenschaftler unserer Zeit, stellt in seinem Buch eine provokative Frage: Reicht Intelligenz allein aus, um die Komplexität der Welt zu begreifen? Seine Antwort lautet nein. Dazu benötigen wir eine andere Fähigkeit – die Bildungsfähigkeit. Sie ermöglicht es uns, Wissen nicht nur kurzfristig anzuwenden, sondern es über Jahre hinweg zu speichern und in unvorhergesehenen Situationen zu nutzen. Valiants Konzept geht dabei über die klassische Intelligenz hinaus und eröffnet eine neue Perspektive auf das, was es wirklich bedeutet, zu lernen.

Warum Bildungsfähigkeit mehr zählt als Intelligenz

Leslie Valiant definiert Bildungsfähigkeit als die menschliche Fähigkeit, Wissen über lange Zeiträume hinweg zu sammeln und in neuen, unvorhersehbaren Situationen anzuwenden. Dabei unterscheidet sich dieses Konzept deutlich von der herkömmlichen Vorstellung von Intelligenz. Während Intelligenz oft als eine sofortige Auffassungsgabe oder die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, angesehen wird, betont Valiant, dass Bildungsfähigkeit weit darüber hinausgeht.

Die Bildungsfähigkeit umfasst verschiedene Aspekte, die zusammen ein umfassendes Bild des lebenslangen Lernens ergeben:

  1. Schnelles Lernen und flexible Anwendung: Eine zentrale Komponente der Bildungsfähigkeit ist die Fähigkeit, neue Informationen schnell aufzunehmen und diese Einsichten in unvorhergesehenen Situationen anzuwenden. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn jemand ein neues Computerprogramm schnell erlernt und diese Kenntnisse dann kreativ in einem völlig anderen Kontext einsetzt.

  2. „Street Smarts“ und gesunder Menschenverstand: Bildungsfähigkeit beinhaltet auch die praktische Intelligenz, die oft als „Street Smarts“ bezeichnet wird. Es geht darum, Situationen richtig einzuschätzen, soziale Dynamiken zu verstehen und in verschiedenen Umgebungen erfolgreich zu navigieren.

  3. Nutzung formeller und informeller Bildungschancen: Bildungsfähige Menschen erkennen und nutzen Lernmöglichkeiten in allen Lebensbereichen. Sie sehen nicht nur in formalen Bildungseinrichtungen, sondern auch in Alltagserfahrungen, Gesprächen oder Hobbys Chancen zur Weiterentwicklung.

  4. Interdisziplinäres Denken: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Fähigkeit, Wissen aus verschiedenen Bereichen zu verknüpfen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dies könnte sich darin zeigen, dass jemand Konzepte aus der Biologie auf wirtschaftliche Probleme anwendet oder künstlerische Prinzipien in der Softwareentwicklung einsetzt.

  5. Kritische Bewertung von Informationen: In einer Zeit der Informationsüberflutung ist die Fähigkeit, Informationen kritisch zu bewerten und sich vor Manipulation zu schützen, von entscheidender Bedeutung. Bildungsfähige Menschen können Quellen hinterfragen, Argumente auf ihre Stichhaltigkeit prüfen und Fakten von Meinungen unterscheiden.

“Our educability has been our main asset in developing our civilization, and it enables the rapid spread of useful knowledge. However, it becomes a liability if information that is questionable but not detected as such is added to the mix.” (“Unsere Bildungsfähigkeit war unser Hauptvorteil bei der Entwicklung unserer Zivilisation und ermöglicht die schnelle Verbreitung von nützlichem Wissen. Sie wird jedoch zu einer Schwäche, wenn fragwürdige Informationen hinzukommen, die nicht als solche erkannt werden.”) – Leslie Valiant (Quelle)

Diese Aspekte der Bildungsfähigkeit bilden ein flexibles und vernetztes System des Wissensmanagements. Im Gegensatz zur künstlichen Intelligenz, die in einem festgelegten Rahmen trainiert wird, kann sich der menschliche Geist kontinuierlich weiterentwickeln und sein Wissen in immer neuen Kontexten anwenden.

Valiant kritisiert den Begriff „Intelligenz“, da er seiner Meinung nach zu unscharf definiert und oft missverstanden wird. Intelligenztests und ähnliche Messungen erfassen nur einen Teil dessen, was wirklich wichtig ist, um die Welt in ihrer Komplexität zu verstehen. Bildungsfähigkeit hingegen beschreibt eine breitere Kompetenz: Sie beinhaltet nicht nur das #Lernen aus direkten Erfahrungen, sondern auch das Lernen aus Büchern, Gesprächen oder den Erfahrungen anderer Menschen.

Dieser ganzheitliche Ansatz des Lernens und der Wissensanwendung macht die Bildungsfähigkeit zu einem zentralen Konzept für das Verständnis menschlicher Kognition und für die Gestaltung von Bildungssystemen in einer sich schnell wandelnden Welt.

Leslie Valiant: Pionier der künstlichen Intelligenz

Leslie Valiant ist ein renommierter Informatiker und Mathematiker, der an der Harvard University lehrt. Er hat bedeutende Beiträge zur Entwicklung von maschinellem Lernen und verteilten Rechensystemen geleistet. Für seine Arbeit wurde er unter anderem 2010 mit dem Turing Award ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung in der Informatik. Seine Perspektive auf Bildungsfähigkeit ist besonders relevant im Kontext seiner Forschung zu künstlicher Intelligenz (#KI), da er die Grenzen der Lernfähigkeit von Maschinen im Vergleich zum menschlichen Lernen aufzeigt.

“We need a broader theory of our cognition, beyond currently implemented machine learning. Some existing concepts are not so helpful. There is general appreciation within the psychology community that the concept of 'intelligence' is not one that is well-defined.” (“Wir brauchen eine breitere Theorie unserer Kognition, die über die derzeit implementierte maschinelle Lernfähigkeit hinausgeht. Einige bestehende Konzepte sind nicht sehr hilfreich. In der Psychologie ist man sich weitgehend einig, dass der Begriff der 'Intelligenz' nicht klar definiert ist.”) – Leslie Valiant (Quelle)

Fazit

Valiants Konzept der Bildungsfähigkeit bietet wertvolle Einsichten für das Bildungswesen und die Gesellschaft im Allgemeinen. Im Bildungsbereich wird deutlich, dass es nicht nur darum gehen kann, kurzfristig Wissen zu vermitteln. Vielmehr sollten Schulen und Universitäten darauf abzielen, die Fähigkeit der Lernenden zu fördern, Wissen langfristig zu speichern und es flexibel auf neue Situationen anzuwenden. Kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und lebenslanges Lernen müssen im Zentrum moderner Bildung stehen, anstatt nur auf das Auswendiglernen von Fakten zu setzen.

Auch für die Gesellschaft bietet Valiants Konzept wichtige Ansätze. In einer Zeit, in der Desinformation und gezielte Manipulation immer mehr zunehmen, betont Valiant die Notwendigkeit, Menschen zu befähigen, Informationen kritisch zu hinterfragen. #Bildung sollte dazu beitragen, die Bevölkerung gegen gezielte Desinformation zu „härten“, indem sie lehrt, wie man Informationen bewertet und sich gegen Propaganda schützt.

Für mich persönlich zeigt Valiants Konzept, wie wichtig es ist, sich stetig weiterzubilden und offen für neue Erfahrungen zu bleiben. Als Dozent und Coach habe ich erfahren, wie wertvoll es ist, Wissen aus verschiedenen Bereichen zu verknüpfen und über den Moment hinaus zu denken. Durch die bewusste Suche nach neuen Perspektiven und die Reflexion über das, was ich bereits gelernt habe, kann ich meine eigene Bildungsfähigkeit weiter ausbauen – und genau das versuche ich auch meinen Studierenden zu vermitteln.


Bildquelle Domenico Fetti (1588/89–1623): Archimedes Pensativo, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in meinen Notizen und Links wurde NotebookLM von Google verwendet.

Topic #Erwachsenenbildung

 
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from Late Night Blog

Unfortunate to see but also the expected outcome.

The Internet Archive’s Press Release

Recap:

  • The Internet Archive had a long running program which lent out scanned copies of books.

They lent the scanned copies out to only one user at a time. Though this was likely infringement it was always let be by publishers.

  • In 2020 they created the national emergency library, which removed restrictions on borrowing.

Anybody could download a copy of any book. Even if hundreds of other people had check out a book you could still do so too.

  • Publishers got angy

I do not understand who thought full blow piracy was a good idea. That nor who thought covid invalidated copyright law.


Here’s to hoping they can recover from this lawsuit and future potential ones.

#internetarchive #ia #archive.org #technology

 
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from Marc's Blog

Ich erzähl das jetzt als Warnung für andere.

Ich war eben auf dem Supermarktparkplatz und gerade dabei, einen Einkaufswagen zu holen, als jemand mit einem Klemmbrett und Stift auf mich zukam. Er sagte nichts, sondern brummte nur unverständlich vor sich hin und zeigte mit dem Stift auf den Zettel am Klemmbrett. Eine zweite Person stand 10 Meter weiter mit einem zweiten Klemmbrett und sprach ebenfalls Leute an. Auf dem Zettel stand in etwa, dass es um eine Unterschriftensammlung ging zum Aufbau oder zur Unterstützung eines Versorgungszentrums für taubstumme Menschen. Schön offiziell gestaltet mit Farben der Deutschlandflagge im Zettelkopf und so. Gut, das erklärte dann auch das unverständliche Brummen der Person gegenüber. Auf der Liste standen schon ca. 15 Einträge und ich dachte mir, kein Problem, dafür geb ich doch gerne eine Unterschrift. Der Mensch gegenüber freute sich, als ich das Klemmbrett nahm und gab mir direkt einen Fistbump zur Anerkennung.

Hier hatte ich den ersten verwunderten Gedanken, warum auf dem Klemmbrett nur ein einzelner Zettel klemmte. Wenn ich Unterschriften sammel, möchte ich doch möglichst viele Zettel vollkriegen? Aber diesen Gedanken überging ich. Vermutlich Datenschutz...

In das erste Feld des Zettels sollte die Unterschrift. Das zweite und dritte Feld waren Postleitzahl und Stadt. In das vierte Feld sollte etwas unerwartet ein Spendenbetrag eingetragen werden.

Der zweite verwunderte Gedanke: Von einer Spendensammlung stand im Erklärungstext nichts, da ging es nur um die Unterschriften. Ich fragte nach, was es damit auf sich hat, bekam aber nur unverständliches Gesäusel zu hören. Ahja, klar, taubstumm...

Aber man konnte in der Liste sehen, dass vorher auch schon einige Menschen Beträge zwischen 20€ und 50€ gespendet haben. Folgegedanke: Wenn andere schon so viel gespendet haben, wird das schon passen... Mir kam das trotzdem an dem Punkt so komisch vor, dass ich “nur” 10€ gegeben habe. Einen kompletten Rückzieher wollte ich jetzt auch nicht machen. Ich hab die 10€ eingetragen, ausgehändigt, habe einen zweiten Fistbump bekommen und bin dann in den Supermarkt gegangen.

Als später der Groschen fiel, waren die beiden Betrüger natürlich schon über alle Berge.

Und warum bin ich mir so 100% sicher, dass die beiden Betrüger waren? Folgende Gründe:

  • Mein Bauchgefühl hatte schon frühzeitig Alarm gegeben. Ich habe nur leider nicht drauf gehört. Und das hat sich noch nie getäuscht.
  • Es ist schon länger her, dass ich mit taubstummen Menschen zu tun hatte. Und die artikulieren sich anders. Die beiden haben sehr gut geschauspielert, aber taubstumm waren sie definitiv nicht. Wer das nicht kennt, fällt der Schauspielerei auf den Leim. Im Supermarkt selber habe ich sogar ein Gespräch zweier Kunden aufgeschnappt, die meinten “Wenn wir Gebärdensprache könnten, dann hätten wir uns ja mit denen unterhalten können.” So glaubhaft waren die.
  • Wie oben erwähnt, es war nur ein Zettel auf dem Klemmbrett. Wenn es um eine Unterschriftensammlung ging, hätten es mehr sein müssen.
  • Ich bin mir im Nachhinein relativ sicher, dass die ersten Einträge auf der Liste die gleiche Handschrift hatten. Hier haben sie durch entsprechende Einträge von 20€-50€ in das Spendenfeld einen hohen psychologischen Anker gesetzt, der dazu verleitet, selber entsprechend viel zu geben. Das ganze nennt sich Ankereffekt, und man merkt es nur sehr schwer bis gar nicht, wenn man diesem Effekt unterliegt. Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Ankereffekt
  • Die Reihenfolge der Einträge auf dem Zettel war auf eine bestimmte Wirkung hin ausgelegt. Normalerweise steht die Unterschrift ja immer am Ende der Zeile, hier stand als letztes der Spendenbetrag und die Unterschrift als erstes. Man war ja eh schon am Ausfüllen und dann an dem letzten Punkt aufhören ist mental echt nicht einfach. Hinzu kommt dann noch ein entsprechender Überraschungseffekt, wenn man vorher nicht genau schaut, was alles eingetragen werden soll.
  • Die Idee von Taubstummen ermöglicht natürlich, dass kritische Rückfragen unbeantwortet bleiben können. Wenn man nach weiteren Informationen fragen will, um die Situation zu bestätigen, läuft man ins Leere. Hat erstaunlicherweise aber sogar Verständnis dafür...

Fazit: 10€ Lehrgeld ausgegeben.

Was hätte ich anders tun können? Ich hätte mir zum Beispiel den Behindertenausweis zeigen lassen können. Klar, hätten sie so tun können, als hätten sie den nicht dabei. Oder mir irgendein gefälschtes Dokument zeigen können. Die meisten wissen wahrscheinlich gar nicht, wie ein Behindertenausweis aussieht.

Ich möchte auch nicht den ganzen Tag misstrauisch durchs Leben gehen. Aber aufs eigene Bauchgefühl und die eigene Intuition vertrauen, ist in solchen Situationen wahrscheinlich das beste Mittel.

Update 05.09.: Ich habe noch zwei Hinweise erhalten.

Zum einen eine Informationsseite von Handicap International zu dieser Betrugsmasche: https://www.handicap-international.de/de/neuigkeiten/warnung-vor-betrugerischen-spendensammlern Dort sieht man auch ein Foto eines Zettels, der dem von gestern sehr ähnlich sah. Bei mir stand allerdings nicht Handicap International drauf, der war allgemeiner gehalten, aber die Aufmachung war die gleiche. Danke an Flominator für den Hinweis.

Zum andern ist taubstumm keine adäquate Bezeichnung für Gehörlose, sondern eher eine Beleidigung. Die Tatsache, dass diese Bezeichnung auf dem Zettel stand, deutet daraufhin, dass diese Personen nicht wirklich gehörlos waren. Hierzu sei auf folgenden Artikel verwiesen: https://nicht-stumm.de/taubstumm-sagt-man-nicht Danke an Aurora für den Link.

Die Diskussion zu diesem Artikel findet übrigens in diesem Thread im Fediverse statt: https://social.tchncs.de/@marcr/113080665066384755

 
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from KontaktSplitter

Natürlich habe auch ich ärgerliche Erfahrungen mit der maroden Bahn in Deutschland. Und doch finde ich es fantastisch, wenn ich von Erfurt in ein kleines dänisches Städtchen fahre und die Zeit, die auf dem Fahrplan steht, am Ende auf die Minute stimmt. Rund 700 km, bequem gefahren, zwei Umstiege, im Gespräch mit 20 anderen aus der Gruppe, 10,5 Stunden – zu einem durchaus vernünftigen Preis. Ich weiß schon, warum ich gern Zug fahre.

 
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from Late Night Blog

bluesky gains 2 mil users in a week

News about Bluesky's growth is spreading fast. With Brazil 🇧🇷 banning X it gained 2 million users in a week. Like any authoritarian action the government is being hypocritical. But normal people are trying different protocols.

PT Brazil, Lula's party, continues to use X while fining others for doing so.

This means it has much more than two million monthly active users. This makes it larger than all other social media protocols combined. It may or may not stay this way but I think it has a shot of doing so.

This is a very good development. First because everything is interconnected. Fedi does have a habit of blocking bridges but they are still there. I'm unsure if the bridges will still get the same treatment though. It's easy to be picky if you're the biggest. Less so if everybody is elsewhere and people want to participate.

It's also time for other protocols to get time in the sun. During the X exodus Bluesky and Nostr were in development but Mastodon seems to have squandered its opportunity. “Petty Fiefs” I've heard it called with so much defederation and cross-instance bickering while the development lags behind the other protocols.

Remember when the official Mastodon account said they may look into quote tweets and everybody on other software quote tweeted that post? That was funny.

Well I've never developed anything so maybe I shouldn't judge too much.

And how many times has Mastodon.social closed registrations even though there's 800k monthly active users across all of fedi while Bluesky can take on 2 million additional accounts in just a week with only a little lag. Tells me things are a lot lighter on the Bluesky side. Or they have more server power, but they're a non-profit so no venture capitalists bankrolling anything.

Not that I want Mastodon to die. But some competition might nudge them in the right direction. And it also might help them take an honest look at the toxic side of the fediverse.

In the meantime, I'll dust off my test Bluesky account.

@latenightblog.bsky.social if you want to follow me.

 
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from zunft

Fünfte Szene

Die Nacht zieht sich endlos hin, das leise Ticken der Uhr wird zum einzigen Begleiter seiner Gedanken. Er hat sich auf das Sofa zurückgezogen, aber der Schlaf will nicht kommen. Immer wieder wandern seine Gedanken zurück zu der Nachricht, die er abgeschickt hat. Wie wird die Antwort aussehen? Wird sie überhaupt kommen?

In der Stille seiner Wohnung hören sich selbst die kleinsten Geräusche wie bedrohliche Zeichen an. Ein leises Knarren der Dielen, das entfernte Brummen eines vorbeifahrenden Autos – alles könnte ein Vorbote von etwas Größerem sein. Aber es passiert nichts. Nur die Minuten schleichen weiter.

Als er schließlich die Augen schließt, ist es nicht der Schlaf, der ihn überkommt, sondern eine unruhige, beinahe fiebrige Dämmerung. Bilder von Schornsteinfegern und anonymen Gestalten in schwarzen Anzügen flackern durch seinen Kopf. Er sieht sich selbst in einem endlosen Labyrinth aus Gängen, Türen und verschlossenen Fenstern, hinter denen immer wieder Schatten auftauchen, nur um im nächsten Moment wieder zu verschwinden.

Mit einem Ruck fährt er hoch, der Traum – oder was auch immer es war – noch frisch in seinem Geist. Die Dämmerung hat sich längst in den frühen Morgen verwandelt, und das erste fahle Licht des Tages sickert durch die Vorhänge. Sein Kopf fühlt sich schwer an, als ob der Alkohol in der Nacht die Last seiner Gedanken nur verschlimmert hätte.

Er zieht das Handy aus der Tasche und starrt auf den Bildschirm. Keine neuen Benachrichtigungen. Natürlich nicht. Was hat er auch erwartet? Doch gerade als er das Handy wieder wegstecken will, vibriert es plötzlich in seiner Hand.

Eine Nachricht. Die E-Mail-Adresse der Kleinanzeigen-Seite leuchtet auf dem Display auf – darunter der Betreff: “Antwort von Verkäufer”.

Mit einem schnellen Blick auf die Uhr stellt er fest, dass es kaum fünf Uhr morgens ist. Die Person auf der anderen Seite scheint genauso unruhig zu sein wie er.

Die Nachricht ist kurz. Sehr kurz.

Vielleicht verstehen wir uns besser, als du denkst.

Das war alles. Kein Name, kein Gruß, keine weitere Erklärung. Er starrt auf die Worte, als könnten sie sich vor seinen Augen verändern, eine tiefere Bedeutung offenbaren. Aber die Nachricht bleibt so knapp und kalt, wie sie gekommen ist.

„Was soll das bedeuten?“, murmelt er vor sich hin. Die Worte hallen in seinem Kopf wider, drehen sich, bis sie kaum noch Sinn ergeben. Er liest sie erneut, diesmal langsamer, als könnte er dadurch eine verborgene Botschaft entschlüsseln. Doch da ist nichts, außer den Worten selbst.

Er beginnt zu spekulieren. War das eine Antwort auf seine Fragen, oder eine Art Test? Die Person, wer auch immer sie ist, scheint die Dinge absichtlich vage zu halten. Vielleicht, denkt er, will sie seine Reaktion testen, sehen, wie er auf solche Andeutungen reagiert.

Seine erste Vermutung ist, dass es sich um jemanden handelt, der in der Genossenschaft arbeitet. Jemand, der mehr über ihn weiß, als er bisher geglaubt hat. Die knappe und präzise Sprache könnte darauf hindeuten, dass diese Person es gewohnt ist, in formalen Kontexten zu kommunizieren – genau wie jemand, der in der Verwaltung arbeitet.

Aber warum sollte jemand in der Genossenschaft ihn kontaktieren? Und warum auf diese Weise? Es ergibt keinen Sinn. Doch je mehr er darüber nachdenkt, desto mehr verstrickt er sich in seine eigenen Zweifel und Ängste.

Er steht auf, geht zum Fenster und zieht die Vorhänge ein Stück beiseite. Der Tag bricht an, aber das vertraute Gefühl von Sicherheit will sich nicht einstellen. Stattdessen breitet sich die Unsicherheit wie ein dunkler Schatten über seinem Geist aus.

„Vielleicht verstehen wir uns besser, als du denkst.“ Die Worte brennen sich in sein Gedächtnis ein. Er weiß, dass er Antworten braucht, aber er ist sich nicht sicher, ob er bereit ist, den nächsten Schritt zu machen.

Seine Hände zittern leicht, als er das Handy wieder zur Seite legt. Für den Moment entscheidet er, nichts zu tun, abzuwarten und zu beobachten. Doch tief in seinem Inneren weiß er, dass dies nur der Anfang ist. Die Ungewissheit nagt an ihm, während er sich fragt, was die nächsten Tage bringen werden.

 
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from zunft

Vierte Szene

Er steht vor seinem Schreibtisch, das Glas mit dem klaren Schnaps in der Hand. Der Alkohol brennt in seiner Kehle, doch das ist genau das, was er jetzt braucht – einen letzten Stoß, um den Mut aufzubringen, den er seit Stunden in sich sucht. Der Bildschirm des Laptops leuchtet vor ihm, die Kleinanzeige ist immer noch geöffnet. Der Aufnäher scheint ihn fast anzustarren, als ob er eine Entscheidung von ihm verlangt.

Er nimmt einen tiefen Atemzug und setzt sich. Seine Finger schweben über der Tastatur, während in seinem Kopf tausend Gedanken kreisen. Er weiß, dass es verrückt ist, sich auf diese Ungewissheit einzulassen, aber irgendetwas in ihm – ein Funken Trotz vielleicht – drängt ihn dazu, es zu tun. Wenn es eine Falle ist, dann soll es so sein. Wenn dieser Verkäufer wirklich jemand ist, der ihn versteht, dann muss er es herausfinden.

Er beginnt zu tippen, erst langsam, dann schneller, als der Alkohol seine Nervosität in einen seltsamen Mut verwandelt:

Hallo,

ich habe Ihren Aufnäher gesehen und kann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Ist das, was ich denke, wirklich das, was Sie darstellen wollten? Ich frage mich, ob Sie vielleicht denselben Kampf kämpfen wie ich ... gegen die, die uns aufzwingen, wie wir zu leben haben. Vielleicht irre ich mich, aber wenn nicht, würde ich gerne mehr wissen. Wer sind Sie? Und warum dieser Aufnäher?

Er liest die Nachricht zweimal durch. Einfach Furchtbar; Sie klingt vage, unsicher, aber durch einen Geistesblitz, oder womöglich nur ein kurzes Schwindelgefühl, denkt er plötzlich: das muss so sein! Zu viel Offenheit könnte ihn verraten, aber zu wenig könnte die Chance verpassen, Kontakt zu jemandem herzustellen, der ihn versteht.

Mit einem letzten Schluck leert er das Glas und klickt auf „Senden“. Ein kurzer Moment der Panik überkommt ihn, als er die Nachricht abgeschickt sieht. Was hat er getan? Aber es gibt kein Zurück mehr. Die Entscheidung ist gefallen.

Jetzt gibt es nur noch das Warten. Die Minuten dehnen sich, die Stille in der Wohnung wird drückender. Er denkt an die Schornsteinfeger, an ihre nächsten Schritte, und an den Verkäufer, der irgendwo da draußen sitzt und vielleicht gerade seine Nachricht liest.

„Was, wenn ich einen Fehler gemacht habe?“, fragt er sich, doch tief in seinem Inneren weiß er, dass er diesen Schritt gehen musste. Es war unvermeidlich, wie ein letzter Ausweg aus einem Labyrinth, das immer enger wurde.

Er lehnt sich zurück und schließt die Augen, versucht, die aufkommende Paranoia niederzukämpfen. Der Alkohol macht ihn müde, aber er weiß, dass er in dieser Nacht kaum schlafen wird. Zu viele Fragen, zu viele Möglichkeiten.

Doch trotz aller Zweifel spürt er auch eine leise Hoffnung, dass vielleicht – nur vielleicht – er nicht mehr allein in seinem Kampf ist.

 
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from zunft

Dritte Szene

Es sind sechs Monate vergangen, und die Gedanken an die Schornsteinfeger haben sich tief in seinen Alltag eingefressen. Die Tage vergehen, aber die Erinnerung an den letzten Besuch bleibt lebendig. Er fühlt sich beobachtet, als ob unsichtbare Augen ihn ständig verfolgen. Die Realität beginnt sich zu verzerren, und das Gefühl der Isolation wächst in ihm.

Er hat angefangen, sich im Internet umzusehen, vielleicht aus einer unbewussten Sehnsucht nach Gleichgesinnten, vielleicht einfach nur, um sich abzulenken. Heute ist er auf Kleinanzeigen gestoßen, wie er es gelegentlich tut, wenn die Leere zu groß wird. Er scrollt durch die Angebote, ohne echtes Interesse, bis ihm ein Aufnäher ins Auge springt. Er hält inne, klickt auf das Bild, um es zu vergrößern. Es ist schwer zu erkennen, was genau darauf zu sehen ist, aber die Form wirkt vertraut – fast wie eine Figur, die er nicht mehr aus seinem Kopf bekommt.

Ein durchgestrichener Schornsteinfeger? Er kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber der Gedanke lässt sein Herz schneller schlagen. Die Idee, dass jemand anders denselben Widerstand hegt, dass es da draußen vielleicht doch noch jemanden gibt, der wie er die Zünfte verachtet, bringt ein seltsames Gefühl von Hoffnung mit sich – und zugleich eine tiefe Unruhe.

Er überprüft das Profil des Verkäufers. Keine anderen Artikel, keine Hinweise auf Identität oder Standort. Nur dieser eine Aufnäher, anonym und einsam im Netz. Sein Kopf beginnt zu rasen. Was, wenn dieser Verkäufer genauso denkt wie er? Was, wenn es da draußen tatsächlich andere gibt, die den gleichen Kampf führen, die sich gegen die unsichtbaren Fäden der Tradition auflehnen? Oder ist es eine Falle, eine weitere Täuschung von denen, die ihn schon seit Monaten verfolgen?

Er starrt auf den Bildschirm, hin- und hergerissen zwischen Neugier und Angst. Sollte er Kontakt aufnehmen? Oder würde er damit nur seine Verfolger auf sich aufmerksam machen? Die Paranoia in ihm wächst, doch gleichzeitig fühlt er sich zu diesem mysteriösen Verkäufer hingezogen. Es ist, als ob dieser Aufnäher ein geheimer Code wäre, den nur Eingeweihte verstehen.

Er schließt die Seite, doch die Gedanken lassen ihn nicht los. In sechs Monaten werden die Schornsteinfeger wieder kommen, das weiß er. Er beginnt zu zweifeln, ob er noch einmal die Kraft haben wird, ihnen zu widerstehen. Der Aufnäher bleibt in seinem Kopf haften, wie ein stiller Vorwurf. Vielleicht, denkt er, gibt es doch noch eine Möglichkeit, nicht allein zu sein. Aber was, wenn dieser Verkäufer tatsächlich so ist wie er? Wäre das die Rettung – oder nur der Beginn einer noch tieferen Abwärtsspirale?

 
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from zunft

Zweite Szene

Er steht am Fenster, die Vorhänge nur einen Spalt breit geöffnet. Draußen hat der Regen aufgehört, und die Luft ist frisch und kühl. Er atmet tief durch, genießt die Freiheit, die er spürt, während er das vertraute Geräusch der sich nähernden Schritte hört. Wieder einmal kommen sie – die Schornsteinfeger.

Diesmal hat er die Fenster absichtlich offen gelassen, als ob er ihnen eine Einladung anbieten würde, die er nie ausspricht. Aber natürlich wird er die Tür nicht öffnen, das bleibt fest. Stattdessen bleibt er in seinem Versteck, versteckt hinter dem dünnen Stoff, beobachtet sie heimlich, wie sie durch den Innenhof marschieren, die Leiter an die Fassade lehnen und schließlich aufs Dach klettern.

Er spürt ein eigenartiges Kribbeln, als einer der Schornsteinfeger kurz innehält und in seine Richtung schaut. Haben sie ihn gesehen? Der Gedanke, dass sie ihn vielleicht erkannt haben, setzt sich in seinem Kopf fest. Es ist, als ob dieser eine Blick mehr verraten hätte, als er bereit war zuzugeben. Plötzlich fragt er sich, ob sie wissen, wer er ist – ob sie sein Gesicht kennen.

Er zieht sich ein Stück zurück, weg vom Fenster, aber nicht weit genug, um die Schornsteinfeger aus den Augen zu verlieren. Da ist ein Gedanke, der ihn nicht loslässt: Was wäre, wenn er ihnen im Supermarkt begegnen würde? Würden sie ihn erkennen? Und würde er sie erkennen?

Er kann sich nicht erinnern, jemals auf einen von ihnen außerhalb dieser jährlichen Besuche getroffen zu sein. Doch jetzt, wo der Gedanke in seinem Kopf herumspukt, erscheint ihm die Vorstellung fast zwangsläufig. Vielleicht sind sie ihm schon oft begegnet, anonym, unauffällig, als Teil der Masse. Wie würde es sein, einem von ihnen in die Augen zu sehen, in der normalen Welt, wo keine Zunft, keine Regeln existieren?

Und vor allem: Ist er wirklich der Einzige, der sich gegen diese alte Tradition auflehnt? Sind die anderen Mieter einfach nur angepasst oder gibt es noch andere wie ihn, die im Stillen rebellieren? Der Gedanke, dass er Teil einer kleinen, stillen Bewegung sein könnte, lässt ihn kurz lächeln. Aber die Wahrheit ist, dass er es nicht weiß. Und vielleicht wird er es nie wissen.

Er zieht die Vorhänge wieder zu und tritt vom Fenster zurück. Er kann ihre Stimmen gedämpft hören, das Geräusch der Bürsten, die über den Schornstein kratzen. Doch seine Gedanken schweifen bereits ab, zu den unbeantworteten Fragen, die nun in seinem Kopf schwirren. Ein kurzer Blick, eine flüchtige Begegnung – und plötzlich ist er sich seiner selbst nicht mehr so sicher.

Er beschließt, beim nächsten Einkauf besonders aufmerksam zu sein. Man weiß ja nie.

 
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from zunft

Erster Akt

Erste Szene

Er steht in der kleinen Küche seiner Altbauwohnung und starrt auf den leeren Küchentisch, als er das vertraute, doppelte Klingeln hört. Es ist das Signal, das er inzwischen fast so gut kennt wie das Ticken der Uhr über der Spüle. Die Schornsteinfeger sind wieder da, so wie jedes Jahr.

Er ballt die Fäuste, als er durch die Gardine einen Blick auf den Eingangsbereich wirft. Schwarze Arbeitskleidung, die typischen Kappen – sie sind immer die gleichen. Irgendwo auf dem Dach fegen sie schon seit einer Viertelstunde den Schornstein, doch die letzte Amtshandlung bleibt immer ihm überlassen.

Doch nicht heute. Wieder nicht.

Er dreht sich vom Fenster weg, weigert sich, den inneren Drang zu verspüren, nachzugeben. Das ist eine Sache des Prinzips, der Ideologie. Er hasst die Zünfte, die alten Strukturen, die immer noch in jedem Winkel der Gesellschaft ihre Finger drin haben. Alte Männer, die bestimmen, was man darf und was nicht, nur weil es immer so gewesen ist. Er lässt sich von niemandem vorschreiben, wen er in seine Wohnung zu lassen hat. Schon gar nicht von einem Schornsteinfeger, nur weil es eine lächerliche Vorschrift verlangt.

Das Klingeln wird dringender, fast fordernd. Er weiß, dass sie irgendwann aufgeben werden, so wie jedes Jahr. Schließlich wird er wieder einen dieser Briefe bekommen, die von der Genossenschaft kommen, in höflicher, aber bestimmter Sprache verfasst. Sie fordern ihn auf, den Zugang zu gewähren, drohen mit Konsequenzen. Aber auch diesen Brief wird er ignorieren, so wie er es immer tut.

Er bleibt still, lauscht, bis das Klingeln aufhört. Er wartet noch eine Weile, bis er sicher ist, dass sie weitergezogen sind, dann atmet er tief durch. Wieder einmal hat er durchgehalten, gegen das System, gegen die Tradition. Sein Haus, seine Regeln.

Er lächelt schwach. Wenigstens für heute hat er gewonnen.

 
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