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from Cedaras Couch

Die Poesie von Mascha Kaléko

Und wieder einmal habe ich es der Buchmesse zu verdanken, dass ich Bücher von Autoren lese, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe.

Mascha Kaléko : Wir haben keine andre Zeit als diese. Gedichte über das Leben. Erschienen bei dtv 2021.

Das kleine 143 Seiten umfassende Buch enthält verschiedene Gedichte unter fünf thematischen Abschnitten:

  • Was geschehn soll, wird geschehn
  • Die Koffer voller Sehnsucht
  • Ich bin geschlagen aber nicht besiegt
  • Kein Wort vermag Unsagbares zu sagen
  • Merke: nichts ankert im Wasser, das fließt

Am Schluß findet sich etwas zur Autorin und ihrer Lebensgeschichte. Sie war in den 1930ern berühmt geworden, aber dann eine der vielen, die unter dem Naziregime emigrieren mussten. Sie, ihr Mann und ihr Sohn hatten das Glück, in New York Schutz finden zu können. Nach Kriegsende hatte sie ein literarisches Comeback, aber nur bis sie dann einen angesehenen Preis mit der Begründung ablehnte, dass eines der Jurymitglieder ein SS Mitglied gewesen sei.

Die Gedichte sind leicht verständlich und manche davon erklären sich gut mit ihrer Lebensgeschichte als Hintergrund.

Mir ist besonders dieses Gedicht im Buch aufgefallen:

„Es fragt uns keiner, ob es uns gefällt, ob wir das Leben lieben oder hassen. Wir kommen ungefragt in diese Welt und werden sie auch ungefragt verlassen.“

Vielleicht kaufe ich mir doch noch das Buch*, das Denis Scheck auf der Buchmesse vorgestellt hatte. Mal sehen.

 
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from Hannes

22.4.-24.4 2025 Ostern vorbei Viele Leute hatten sich auf Ostern vorbereitet. Nun die Andacht in der kath. Kirche hatten vielen Mitgliedern hatten Einiges zu Denken begeben. Die Kekse, die nicht vertilgt wurden, tat ich zu Hause in die Frischhalteboxen hinein und stellte sie in den Kühlschrank. Gestern machte ich eine Kleinigkeit in der Pfanne. Es gab ein halbes Schnitzel mit Bratkartoffeln. Danach guckte ich mir ein Stück im TV an und aß ein Schälchen Rhabarberkompott. Ich sah nochmal nach dem Katzenfutter, ob für die Nacht genug in ihren Näpfen war und ging zu Bett. ______________________________________________ Der 23.4. war draußen kein berauschendes Wetter, andauernd regnete es in Form von Schauern aus dunklen Wolken. Gegen Mittag kam die Sonne heraus. Auch Uschi kam und brachte Katzengras mit. Sie rauchte auf dem Balkon eine Zigarette. Anschließen fuhren wir zu Uschis Freundin nach Herne-Eickel. Wir wurden freundlich aufgenommen. So hatte ich die Gelegenheit, die Familie kennen zu lernen. Es gab Makaronieauflauf überbacken mit Gehacktem darin. Jeder trank etwas, was die Gäste mochten. Allmählich wurden die Schauer stärker, wir gingen in die Garage, um uns unterzustellen Helene hatte viel zu erzählen über verschiedene Themen. Ruck zuck war es 17 uhr 45 und wir verabschiedeten uns von Helene und dann ging es zurück nach Hause. ______________________________________________ Gestern regnete es den ganzen Tag, es fing schon morgens an. Trotzdem fuhr ich zum einkaufen, ich hatte kein Katzenfutter mehr und konnte die Katzen nicht verhungern lassen. Sie mautzten schon gegen morgen vor sich hin. Ich räumte die Wohnung auf, brachte den Müll hinaus. Ich aß nur eine Schnitte trocken. Als es 13 Uhr 45 war, ging ich mit dem Regenschirm zum AWO- Nachbarschaftstreff. Dazu nahm ich die Kecke mit, die von der Andacht übrig geblieben sind. Man langte häufig zu. Etwas später gab es Bratwurst mit Nudelsalat und noch etwas zum Nachtisch. Wir sangen einige Frühlingslieder und gingen auseinander. Draußen regnete es immer noch und beeilten uns nach Hause zu kommen.

 
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from Hannes

18.4. -22.4.2025 Feiertage Ja liebe Leser, Ostern ist nun vorbei. Hier die Einzelheiten: Am Karfreitag musste ich sehr darüber nachdenken, das ich Margret zum letzten Mal vor einem Jahr am 29.3 2024 lebend gesehen habe. Am diesem Tage kamen bei mir die zahlreichen Erinnerungen zu Tage, die ich mit Margret erlebte. Ich zündete im Wohnzimmer für sie die Batteriekerze an, wegen dem Katzenpärchen, das sie die richtige Kerze umschmeißen könnten und dabei Brandverletzungen erleiden. Ich saß lange auf dem Sofa und betrachtete die Bilder von ihr an der Wand an. Zu Mittag machte ich mir Röstkartoffeln mit Spiegeleier. Zwischendurch schälte ich den Rhabarber und kochte ihn zum Kompott ein. Am Abend löste ich die Borte von der Couch und holte mir die Rolle Klebeband und fing an, zu arbeiten. Bei dieser Klebeaktion kam bis zum Balkonfenster und machte Feierabend. ______________________________________________ Am 19.4.2025 verpflegte ich zuerst die Katzen, es war 8 Uhr 30, bis ich mit dem Frühstück fertig war. Im Bad musste ich viel säubern, wegen diesem Katzenstreu. Es ist auch gut so, das die Körner weiß sind, dann sieht man sie auch besser auf dem Teppich liegen. Ich kontrollierte nochmal, das Katzenfutter, ob genug für die Feiertage vorrätig ist und fuhr zum nächstgelegenen Supermarkt und besorgte mir etwas zum Essen. Das Katzenfutter stockte ich auch auf. Ich ging ins Bad und rasierte mich, weil Uschi in wenigen Minuten kam und mich zum Osterfeuer brachte. In Herten gingen wir zu den Urnengräbern von Margret und der Schwiegermutter, wir standen einige Minuten und dachten an sie. Danach fuhren zu Uschis nach Hause und stärkten uns etwas, es gab Kaffee und einige Plätzchen und dann ging es auf dem Balkon und ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Nach dem Aufenthalt fuhr uns Uschi, Mann und mir nach Herten-Scherlebeck zur Verwandschaft, um bei dem Osterfeuer dabei zu sein. Dort wurden wir freundlich begrüßt. Kurz darauf wurde das Feuer entfacht, als hätte man auf uns gewartet bis wir kamen. Das Feuer wurde mit einem Flammenwerfer aus einer Gasflasche angezündet. Man konnte Currywurst mit Brötchen essen und eine Flasche Bier trinken. Das Feuer erwärmte uns alle. Es war gut besucht und viele Landwirte aus den umliegenden Bauernhöfen waren mit dabei. Als es später wurde fuhr mich Uschi wieder zurück nach Hause. _____________________________________________
Am 20.4.2025 sah ich mir einen Gottesdienst im TV aus Salzburg an, er wurde festlich gestaltet. Mehre Chöre traten auf und ein kleines Synphonieorchester war zu hören. Ab und zu sah die große Orgel. Amsonsten war ich mit den Katzen allein. Nur meine Schwester in Lübeck rief ich an und wünschte ihr frohe Ostergrüße. Am Abend vervollständigte ich meine Klebeaktion am Fenster und ging nach hinten ins Büro. Andauernd kam Felix angerannt und setzte vor dem CP und wollte gestreichelt werden. Er hatte die Sttoffmaus im Maul und legte sie mir vor mir ab. Es dauerte ungefähr 7 Minuten, bis er wieder weg war. Zu allerletzt schrieb ich noch einige Emails an meine Verwandten und dann war Ostersonntag auch vorbei. ____________________________________________ Der 21.4.2025 war ein besonderer Tag, Ostermontag. Ich zog mich an und machte ich mich auf dem Weg zur Kirche, um am dem Gottesdienst teizunehmen. Sie war proppenvoll besetzt. Zwischen der Liturgie kam noch eine Kindstaufe in Betracht. Nach dem Besuch der Kirche fuhr ich nach Hause. Dort besserte ich den Fenstersims mit dem Klebeband aus. Nun kann ich sagen, das mein Werk gelungen ist. Um 13 Uhr 45 kam Uschi zu Besuch und wir fuhren abermals zur Kirche, auch Dorothee war anwesend und die Tür zum Pharrsaal stand offen. Während sich Uschi und Dorothee die Andacht vorbereiteten, blieb ich im Gemeindesaal und verteilte die Kekse auf mehreren Tellern. Als kurz vor 15 Uhr die Glocken läuteten, gingen zum Gotteshaus hinüber und hörten uns die Andacht an. Bevor wir die Andacht begann, war leise Musik im Hintergrund zu hören Nach dem Gebet trug Uschi ihre Andacht vor . Sie erklärte uns den Sinn von Ostern und erwähnte den Kreuzweg von Jesus. Sie zeigte uns auf den mitgebrachten Tüchern, die Geschichte von Jesus. Uschi hat es sehr gut hinbekommen, einige Fotos wurden von den anderen Andachtsmitgliedern gemacht und gingen freudestrahlend zum Pharrsaal hinüber und tranken unseren Kaffee. Man kann sagen, das es bei diesen anwesenden Mitgliedern ein schöner Ostermontagnachmittag war.

 
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from Impulse der Sonntagslesungen

Predigt zu Joh 20, 19-31: Liebe Mitchristen

Frieden ist das Schlüsselwort des heutigen Evangeliums. Frieden wünscht Jesus, der Auferstandene, seinen Jüngern. Als er zum ersten Mal in ihre Mitte kommt, wiederholt er diesen Segenswunsch sogar noch einmal ausdrücklich. Erst danach erteilt er ihnen den Sendungsauftrag: Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen. Da geht es wieder um Frieden: nämlich um jenen inneren Frieden, der aus der Versöhnung mit der eigenen Vergangenheit und mit Gott kommt. Die Jünger, also wir alle, sind berechtigt, den Menschen die Vergebung Gottes – und das heißt: den Frieden Jesu Christi – zuzusprechen.

Danach wird eine beispielhafte Begegnung geschildert zwischen Thomas und Jesus. Thomas war nicht bei den Jüngern, als Jesus sich ihnen zum ersten Mal zeigte. Er ist also ein Beispiel für Menschen, die der Glaubensgemeinschaft etwas ferner stehen. Auf einer Plattform der sozialen Medien, bei der ich aktiv bin, hatte zu dieser Erzählung jemand gefragt: Hat Thomas eigentlich den Heiligen Geist? Schließlich war er ja nicht dabei, als Jesus die Jünger anhauchte.

Was hätten Sie geantwortet?

Wie erleben Sie diese Weise Gottes, die in uns mit der Taufe Wohnung genommen hat, wie wir es als Glaubende versuchen auszudrücken?

Dem Thomas fällt es schwer, das Zeugnis der Jünger zu glauben. Er möchte begreifen können. Thomas ist hin- und hergerissen: Auf der einen Seite könnte er etwas verpasst haben, auf der anderen Seite scheint es doch so unwirklich, so ganz anders und unverständlich. Viele von uns können diese Zerrissenheit wahrscheinlich nachempfinden, haben schon Ähnliches erlebt. Da ist eine schwere Lebenssituation, vielleicht wie bei Thomas der Abschied von einem vertrauten und geliebten Menschen, oder auch eine andere dunkle Wegstrecke. Und viele Fragen in einem: Ist tot tot, vorbei vorbei, muss man sich damit eben abfinden? Gibt es doch noch Sinn darin, den ich entdecken kann? Kann mich überhaupt jemand verstehen?

Thomas erlebt, dass Jesus auf ihn zukommt. Zwar sagt er ihm: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben – aber erst, nachdem er Thomas deutlich gemacht hat, er versteht ihn, weiß um seine Fragen, seine Widerstände. So erfährt Thomas den Frieden, den die Jünger schon in der Woche zuvor spüren konnten, den Beistand, von dem Jesus bei seinen Abschiedsworten vor seinem Tod schon sprach. Thomas hat auf einen Schlag etwas erkannt, was alles Begreifen können übersteigt. In ihm ist ganz viel Ehrfurcht, Erschrecken von dem Geheimnis der Auferstehung. Thomas findet zu einem tiefen Bekenntnis des Glaubens: Mein Herr und Mein Gott

Dieses Evangelium möchte uns gerade heute, in einer Zeit, in der die Weitergabe des Glaubens nicht so rund läuft, zeigen, Jesus Christus kennt die persönliche Zerrissenheit eines jeden Menschen, auch die unsere. Er verurteilt deswegen keinen. Also sollen auch wir keinen verurteilen, der bislang nicht so zur Glaubensgemeinschaft gefunden hat.

Und wie ist das mit dem Heiligen Geist bei solchen Personen? Vermutlich ist diese Wirklichkeit Gottes viel öfter schon am Werk, als es uns bewusst ist. Schon wenn wir, wie die Jünger, von dem erzählen, was uns erfüllt, etwas von der eigenen Begeisterung mitteilen, können andere daran Anteil bekommen, kann etwas von der Begeisterung überspringen. Immer neu ist es deshalb wichtig, sich diesem Geist, der vom Auferstanden kommt, diesem Hauch, diesem Beistand bewusst zu öffnen.

Jesus Christus, so verstehe ich das heutige Evangelium, bindet die Jünger, die schon etwas von seiner österlichen Gegenwart erfahren haben, ein, damals und auch heute. Vielleicht haben manche von Ihnen schon mal etwas von einer Thomasmesse gehört, einer Gottesdienstform, die versucht, bewusst sich Personen zu öffnen, die sich selber getrennt von der Glaubensgemeinschaft erleben.

In solchen kreativen Gottesdiensten machen viele Gemeinden die Erfahrung, dass darin Menschen wie Thomas zur Erkenntnis zu kommen — Jesus Christus, du mein Herr und Gott. So gibt es beispielsweise in dem Dorf, wo ich gerade wohne, regelmäßig die Kirche Kunterbunt – als ein ähnliches kreatives Gottesdienstformat.

Jesus möchte uns seinen Geist schenken, ermächtigen zur Vergebung, zum Friedensstiften in unserem Alltag. Unsere oft herausfordernde Aufgabe dabei ist, sich Seinem Geschenk zu öffnen. Es ist wie ein Hauch, überraschend, tief in der persönlichen Lebensgeschichte verwoben, wie es Thomas erlebt. Und dann sind wir gesandt, so wie Er selbst vom Vater gesandt ist, diesen Geist mit anderen zu teilen, Menschen so auf einem Weg des Friedens zu sammeln. Diese Sammlungsbewegung ist dann begleitet durch diesen Beistand, in dem Jesus denen nahe ist, die mit besonderen Fragen zur Gemeinschaft der Glaubenden dazustoßen und dort Zugang zur Wahrheit finden, und so Gottes Herrlichkeit, also seine Gegenwart, erkennen.

 
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from Michael Gisiger

Linderum: Schreibstube im Kloster

Es ist ein Satz, der hängen bleibt: „Wir im Westen befinden uns in einem kollektiven Burnout. Da könnten gewisse Techniken aus dem Kloster helfen. Etwa die Rhythmisierung des Lebens, die Stille. Ohne Stille gibt es keine Visionen, und ohne Visionen können wir die Gesellschaft nicht voranbringen.“ So sagte es Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 19. April 2025. Vielleicht wirkt er so eindringlich, weil er einen wunden Punkt trifft. Kurz nach Ostern, in einer Phase, in der das Jahr seine erste Ermüdung offenbart und das Licht des Frühlings gegen die Schatten der Überlastung antritt, klingt der Gedanke nach Stille, Rhythmus und Vision wie ein leiser Protest gegen die Betriebsamkeit des Alltags.

Dass dieser Gedanke aus einem Benediktinerkloster stammt, mag auf den ersten Blick erstaunen. Doch wer sich mit der Regel des heiligen Benedikt befasst, erkennt rasch: Es handelt sich um ein jahrhundertealtes, bewährtes Modell der Lebensgestaltung, das in seiner Klarheit und Mässigung bemerkenswert anschlussfähig an die Fragen unserer Zeit ist.

Eine alte Regel – neu gelesen

Ich selbst bin nicht religiös. Aber ich habe einen Teil meiner Schulzeit an einem Internat verbracht, das von Benediktinern geführt wurde. Die Benediktsregel war dort nicht nur Unterrichtsstoff, sondern prägte bis zu einem gewissen Grad auch den Alltag. Manche Prinzipien davon – feste Zeiten, ritualisierte Abläufe, das Zusammenspiel von individueller Verantwortung und gemeinschaftlichem Rhythmus – begleiten mich bis heute als stille Referenz. Vielleicht liegt darin meine Sensibilität für die Relevanz dieser Regel auch jenseits klösterlicher Mauern.

Benedikt von Nursia, der im 6. Jahrhundert lebte, war kein Ideologe der Weltabkehr, sondern ein Suchender, der angesichts der Umbrüche seiner Zeit nach Ordnung und Orientierung verlangte. Die Regel, die er für seine Gemeinschaft in Montecassino verfasste, ist von einer pragmatischen Haltung durchdrungen: Sie gliedert den Tag in Zeiten der Arbeit, des Gebets und der Ruhe. Sie mahnt zur Mässigung, zur Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst und zur Anerkennung der eigenen Grenzen. In einer Epoche des Umbruchs, dem Übergang von der Antike zum Mittelalter, in der das Chaos nach Orientierung verlangte, bot sie eine Form – nicht als Korsett, sondern als Raum.

Diese Form ist es, auf die sich Abt Urban bezieht, wenn er von „Techniken aus dem Kloster“ spricht. Es sind keine geheimen Rituale, sondern Prinzipien, die sich auf das Leben ausserhalb der Klostermauern übertragen lassen: der Wechsel von Aktivität und Stille. Die bewusste Rhythmisierung des Tages. Die Entscheidung, Aufgaben nicht endlos fortzusetzen, sondern abzuschliessen, wenn die vorgesehene Zeit verstrichen ist. In all dem steckt eine tiefe Einsicht: Dass menschliches Leben nicht durch die Quantität der erfüllten Aufgaben gewinnt, sondern durch die Qualität der gelebten Zeit.

Zeit als Form, nicht als Ressource

In einem Gespräch mit dem Magazin Big Think beschreibt der Autor Oliver Burkeman die Benediktsregel als ein „Modell der Mässigung und des Rhythmus, das Zeit für Arbeit, Zeit für Gebet und Zeit für Ruhe vorsieht“. Er betont dabei insbesondere einen Gedanken, der dem modernen #Zeitmanagement diametral entgegensteht: dass Aufgaben nicht erst dann beendet werden, wenn sie abgeschlossen sind, sondern wenn die dafür vorgesehene Zeit vorüber ist. Es ist eine Haltung, die dem Druck der ständigen Selbstoptimierung eine Grenze setzt – eine Grenze, die heute oft schmerzlich fehlt.

Der klösterliche Umgang mit Zeit kennt kein Multitasking, keine Unterbrechungen, keine permanente Verfügbarkeit. Er kennt aber auch keinen Perfektionismus. Die Arbeit geschieht im Rahmen des Möglichen, nicht des Idealen. Der Klang der Glocke zum Gebet ist zugleich Signal zur Unterbrechung und Erinnerung daran, dass das Leben nicht auf Erledigung programmiert ist, sondern auf Gegenwärtigkeit. Was zählt, ist nicht der Output, sondern die Hingabe im Moment.

Abt Urbans Hinweis auf die Stille ist in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert. Stille wird heute oft als Abwesenheit von Geräusch verstanden – im besten Fall als Wellnessmoment, im schlimmsten Fall als Leerstelle. In der Regel des heiligen Benedikt jedoch ist die Stille ein aktiver Raum: ein Raum des Hörens, des Innehaltens, der Sammlung. Sie ist die Voraussetzung für jene Art von Vision, von der im Zitat die Rede ist. Nicht im Sinne grosser Zukunftsentwürfe, sondern als innere Ausrichtung, als Klarheit darüber, was im Leben wesentlich ist. In einer Zeit, in der sich viele Menschen getrieben fühlen – von Terminen, Nachrichten, Erwartungen – wirkt dieser Gedanke fast subversiv.

Vision, so verstanden, entsteht nicht aus der Überforderung, sondern aus der Distanz zur Daueraufmerksamkeit. Sie verlangt ein Ausgesetztsein – nicht im Sinne von Schwäche, sondern von Offenheit. Die Regel des heiligen Benedikt schafft solche Räume. Sie erkennt an, dass menschliches Mass nicht im ständigen Leisten liegt, sondern im klugen Wechsel von Tun und Lassen, von Sprechen und Schweigen, von Wirken und Ruhen.

An Ostern, einem Fest der Erneuerung, könnte diese Haltung kaum aktueller sein. Während in Wirtschaft und Gesellschaft vielerorts von #Resilienz die Rede ist, erinnert die Benediktsregel daran, dass Widerstandskraft nicht allein im Durchhalten liegt, sondern im Gestalten von Rhythmen, die das Leben tragen. Sie fragt nicht, wie man schneller wird – sondern wie man sinnvoll lebt.

Vielleicht ist es das, was Abt Urban meint, wenn er sagt, dass ohne Visionen die Gesellschaft nicht vorankommt. Ohne Stille – ohne Räume der Reflexion und ohne die Bereitschaft, sich als Mensch mit Grenzen zu begreifen – entstehen keine tragfähigen Zukunftsbilder. Und ohne diese Bilder bleiben wir in Bewegung, ohne wirklich unterwegs zu sein.

Die Regel des heiligen Benedikt ist kein Allheilmittel. Aber sie ist ein Spiegel. Sie zeigt, was wir im Ringen mit der Zeit vielleicht vergessen haben: dass Lebenskunst weniger mit Kontrolle zu tun hat als mit Hingabe – an einen Rhythmus, der nicht uns antreibt, sondern uns trägt.


Bildquelle Richard Linderum (1851–1926): Schreibstube im Kloster, Dorotheum, München, Public Domain.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet.

Topic #ProductivityPorn

 
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from Erdrandbewohner

Fußball, Neurodivergenz und Ton Steine Scherben

Irgendwann Ende der 70er Jahre am Erdrand:

“Hey, Erdrandbewohner, was ist überhaupt dein Lieblings-Fußballverein?!”

Ich war etwa 8 Jahre alt. Die Jungs aus meiner Siedlung oder aus der Schule waren besessen von Fußball, spielten jede freie Minute auf dem Bolzplatz und konnten sich stundenlang über Vereine unterhalten und irgendwelche Fußballspieler für irgendwelche Fußball-Heldentaten anhimmeln.

Mich hingegen interessierte Fußball überhaupt nicht. Sportbegeisterung war bei mir nie vorgesehen. Bei meinem Vater übrigens auch nicht. Die schönsten Vater-Sohn-Wanderungen unternahmen wir während der Fußball-Endspiele von Europa- und Weltmeisterschaften.

Aber zurück zu der Frage der anderen Jungs. Ich glaube, sie wurde mir gestellt, als wir auf den Schulbus warteten:

“Hey, Erdrandbewohner, was ist überhaupt dein Lieblings-Fußballverein?!”

Ich geriet sofort in Stress. Jetzt bloß nix Falsches sagen. Ich durchforstete mein Hirn nach Gesprächsfragmenten. Nach irgendetwas, was ich mal über Fußballvereine aufgeschnappt habe. HSV? Ist der cool? Darf man den gut finden? Ist der überhaupt in der Bundesliga? Oder wie heißt der Verein, der hier in der Region gemocht wird? Mainz? Kaiserslautern?

Gottseidank fiel mir ein, dass man Sepp Maier (ich habe ihn tatsächlich mal im Fernsehen gesehen!) super findet und dass er bei FC Bayern-München spielt. Also sagte ich vordergründig ganz lässig: “Mein Lieblingsverein ist der FC Bayern-München!”. Kaum hatte ich es ausgesprochen, bekam ich Schiss. War das jetzt eine richtige Antwort? Hoffentlich kommen keine Nachfragen. Als ich merkte, dass die Jungs meine Antwort akzeptierten, atmete ich auf. Aber natürlich gabs diesen einen Klugscheißer, der es nicht dabei belassen konnte, sondern auch noch wissen wollte, wer denn meine Lieblingsspieler beim FC Bayern-München seien. “Sepp Maier und Paul Breitner!”, sagte ich mit einem Brustton der Überzeugung. Tja, ein gefundenes Fressen für den Klugscheißer: “HÄ?! Paul Breitner ist doch gar nicht beim FC Bayern-München!”. Mir fiel mein Herz in die Hose. Nicht? Ohje. Scheiße... Da wurde ich von einem anderen Jungen gerettet. “Aber Breitner WAR lange bei Bayern!”. Dann passierte etwas anderes und das Thema war vergessen. Uff.

Warum ich das erzähle? Nun, weil das ein Beispiel dafür ist, wie wenig ich seit je her mit dem ganzen “typischen” Jungs-Kram anfangen konnte. Überhaupt hing ich verdächtig häufig und gerne mit Mädchen ab. Aber nicht mit irgendwelchen Mädchen, sondern mit denen, die wenig mit dem “typischen” Mädchenkram anfangen konnten. Bei ihnen fühlte ich mich wohl, ich musste nichts spielen, was ich nicht war und wir hatten oft verdammt interessante Themen. Zumindest galt das für ein paar Jahre, dann grätschte uns die Pubertät dazwischen und machte die Welt für uns alle sehr kompliziert und seltsam.

Doch versteht mich nicht falsch: Ich liebte manche Jungs-Dinge. Wie zum Beispiel die Dunkel-Prügeleien während der 5-Minuten-Pause in der Schule im Schulklo. Sobald es klingelte, rannten wir zum Klo. Diese Toilette hatte keine Fenster, wenn man das Licht ausschaltete, war es stockfinster darin. Sobald wir fünf oder mehr Jungs waren, wurde die Türe verrammelt, das Licht ausgeschaltet und wir fielen übereinander her, nahmen uns in den Schwitzkasten, zerrten an Armen, Beinen oder nicht identifizierbaren Körperteilen, bis wir zum Schluss alle schwitzend und lachend auf einem Haufen lagen. In dieser Zeit verzweifelten meine Eltern daran, dass ich ständig neue Brillengläser und neue Gestelle brauchte, weil sie mir beim “Schulsport” kaputtgegangen waren.

Eigentlich hat sich daran bis heute nichts geändert, also damit, dass ich mit den Zuschreibungen von Geschlechterrollen nichts anfangen kann, und wenn eine “männliche” markierte Eigenschaft auf mich zutrifft, dann ist das purer Zufall. Mit meinem männlichen Körper bin ich sehr fein. Doch wenn mir jemand sagen möchte, was männlich oder weiblich ist, dann irritiert mich das – und wenn damit ich gemeint werde, dann macht mich das sauer.

Mir passiert es häufiger, dass ich einige dieser “richtigen Männers” verwirre, einfach in dem ich so bin wie ich bin. Mit mir kann man nicht über Autos reden. Das Erstaunen ist grenzenlos, wenn sie erfahren, dass ich noch nicht einmal einen Autoführerschein gemacht habe. Wenn ich erzähle, dass ich einen Motorradführerschein habe, wollen sie mit mir über Motorräder reden und verzweifeln, weil ich ihnen nur einen Vortrag über MZs halten kann, also die DDR-Motorradmarke, die ich jahrelang fuhr. Diese Motorräder sind wirklich fernab von RÖÖÖÖööööhrrrrr und 250 km/h auf der Autobahn. Fußball? Ein anderer Fernseh-Sport? Fehlanzeige. Bier trinken? Bäh! Frauen? Ich rede nicht über Frauen als solche, nur über Personen. Statussymbol Job? Haha, ich mache das, was man als Care-Job bezeichnet. Sehr, sehr uncool für gewisse Herren.

Und genau diese Typen sind es dann auch, die ich so sehr verwirre, dass sie mir gegenüber passiv-aggressiv werden. Weil sie mich nicht einordnen können. Ich bin ein groß gewachsener Mann mit Bart, mit einer Frau verheiratet, also eigentlich ein CIS-Mann. Aber ich spreche nicht ihre Männer-Sprache, nutze ihre Codes nicht (sofern ich sie kenne) und habe kein Interesse an irgendwelchen Dominanzspielchen.

Und dann gibt es noch die anderen Typen, die nach außen hin das ganze Männlichkeits-Kasperletheater mitspielen, aber sobald sie mit mir alleine sind, komplett in einen unmaskierten Modus switchen. Kurz vorher haben sie sich von einem Kumpel mit einer “Höhöhö, jo Bro!”-Rückenklopfer-Halbumarmung verabschiedet und erzählen mir Minuten später ernsthaft von ihren Beziehungsproblemen oder davon, wie scheiße sie sich in ihrem Job fühlen.

Und das verwirrt dann mich. An welchem Punkt genau wurde ich plötzlich der beste Freund, dem man solche Privatheiten erzählt? Und warum gilt dieser private Modus nur so lange, wie ich mit diesem Typen alleine bin?

Ich verstehe weder das Rollenverhalten bei männlich und weiblich gelesenen Personen, noch entspreche ich den Rollenerwartungen. Jedes Rollenverhalten ist eine Maske, schlechtestenfalls wurde diese Maske zu einer falschen Identität. Ich kann aber nur in Beziehung mit dem authentischen Menschen hinter der Maske treten. Jede Schauspielerei, jede Maske ist für mich ein Hindernis, das ich sehr schnell erkenne, aber nicht überwinden kann. Ganz ehrlich? Ich möchte dieses Hindernis auch gar nicht überwinden. Es ist nicht mein Job, sowas zu tun.

Wenn die Definition bei Wikipedia richtig ist, dürfte ich “Queer” sein. Ich spreche dieses Wort gerne deutsch, also wie “Quer” aus. Fragt nicht... ;–) Im Wikipedia-Artikel heißt es:

“Queer ['kwɪə(ɹ)] ist heute eine Sammelbezeichnung für sexuelle Orientierungen, die nicht heterosexuell sind, für Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind, sowie Lebens- und Liebesformen, die nicht heteronormativ sind.”

Meine Geschlechtsidentität ist offenbar nichtbinär, weil ich nichts mit den Rollenbildern und den Zuschreibungen anzufangen weiß und sie grundsätzlich scheiße finde. Weil ich es als puren Zufall empfinde, dass ich mit meiner wunderbaren Liebsten eine weibliche (!) Lebenspartnerin gefunden habe. Die übrigens Bi ist. Aber das nur am Rande.

Ich habe an verschiedenen Stellen gehört und gelesen, dass in der queeren Szene extrem viele neurodivergente Menschen zu finden sind. Ob dem so ist, kann ich nicht sagen, aber grundsätzlich macht das sehr viel Sinn. Denn gerade wir Autist:innen haben keine Verträge mit gesellschaftlichen Normen und Ansprüchen. Selbst wenn wir versuchen, sie zu verstehen und diesen Regeln und Ansprüchen nachzukommen, versagen wir früher oder später dabei. Oder wir werden krank, weil die Regeln der neurotypischen Mehrheit unserem So-Sein zuwiderlaufen.

Und das, ihr Lieben, sehe ich als Superkraft: Die meisten neurodivergenten Menschen sind von Geburt an zur Authentizität verdammt. Wir können unser So-Sein verbergen, verleugnen und sogar hassen – aber davon wird unsere Seele krank.

Ich für meinen Teil werde mich Stück für Stück auf in der Vergangenheit angeeignete NT-Kackscheiß-Normen überprüfen, ihre Auswirkungen auf mich untersuchen und sie dann ggf. fallen lassen.

Rio Reiser und die Ton Steine Scherben sangen “Ich will ich sein”. Für mich hingegen gilt: Ich MUSS ich sein. Anders kann ich nicht sein...

 
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from Cedaras Couch

Kurze Review zu "Air" von Christian Kracht

Gefunden habe ich das Buch durch die Buchmesse, sprich Dennis Schecks Empfehlungsreigen. Gut, dass die hiesige Bibliothek es hat – musste nur reservieren lassen. Im Nachhinein hätte ich das Buch vermutlich nicht gekauft.

Falls jemand das Buch noch lesen will: mein Text enthält viele Spoiler.

Worum geht es in dem Buch:

Paul, ein Innenarchitekt, landet durch einen Sonnensturm in einer Parallelwelt, in der ein Herzog grausam sein Volk beherrscht und gegen die Aussteiger in der Eiswelt zu Felder zieht.

In der Parallelwelt grassiert eine pestartige Seuche, an der Menschen dort versterben. Es gibt dort keine Antibiotika.

Die sympathische Figur Ildr, ein junges Mädchen, scheint wie wenige gegen die Seuche immun zu sein. Ihre Eltern sind tot oder verschwunden.

Pauls Auftraggeber landet nach einem Selbstmordversuch mit Phenobarbital auch in der Parallelwelt. Den Selbstmordversuch fand ich ein wenig schockierend und wäre gerne vor dem gewarnt worden, wenn es eine Fanfiction gewesen wäre.

Nur die, die in der Eiswelt gemeinschaftlich orientiert leben, schaffen es bis zum Ende der Handlung. Nachdem der Herzog gestürzt wurde, liegt Cohen auch im Sterben in der Parallelwelt und für Paul erscheint die Welt zweidimensional. Das Schlußkapitel scheint eine Parallele mit einem Bild zwischen Merlin/Paul und Lancelot/Cohen zu ziehen.

Fazit:

Mich ließ das Buch ein wenig unzufrieden am Ende zurück. Warum landeten beide in dieser Parallelwelt? Nur um den Aussteigern zu helfen den Herzog zu stürzen? Was will der Autor damit sagen? Wie ein Märchen, in dem das Gute gewinnt? Nur die, die gemeinschaftlich orientiert sind, werden überleben?

Vielleicht aber auch fehlt mir der Kontext für die Merlin-Lancelot Parallele. Das Bild, das am Ende erwähnt wurde, habe ich jedenfalls im Netz gefunden. Ich spekuliere mal, dass dies als Inspiration diente.

Quelle für das Bild: https://www.artnet.de/künstler/james-archer/merlin-and-lancelot-an-incident-from-la-morte-mWvPaYLX_Kivp8-3G0GR6A2

 
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from Michael Gisiger

Buchstabe R aus dem „The Cubies’ ABC“

Seit über 100 Jahren wird regelmässig behauptet, neue Technologien würden die #Bildung revolutionieren. Ob Radio, Film und Fernsehen, Taschenrechner, Computer oder E-Learning – jede dieser Innovationen wurde als fundamentaler Umbruch angekündigt. Doch in der Praxis blieben die grossen Umwälzungen aus. Der Unterricht in vielen Klassenzimmern sieht auch heute noch überraschend ähnlich aus wie vor Jahrzehnten. Der Grund dafür ist weniger technischer als vielmehr kognitionspsychologischer Natur: Bildung ist ein sozialer und mental anspruchsvoller Prozess, der sich nicht durch technischen Fortschritt allein verbessern lässt.

In seinem Vortrag What Everyone Gets Wrong About AI and Learning (gehalten an einem Symposium des Perimeter Institute for Theoretical Physics im April 2025) legt der Wissenschaftskommunikator Dr. Derek Muller (bekannt u. a. durch seinen Youtube-Kanal Veritasium) dar, dass auch Künstliche Intelligenz – trotz ihres Potenzials – keine Bildungsrevolution auslösen wird, wenn wir nicht verstehen, wie #Lernen tatsächlich funktioniert. Dabei stützt er sich auf zentrale Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie, insbesondere auf Daniel Kahnemanns Modell der zwei Denksysteme (Schnelles Denken, langsames Denken, 2011).

System 1 und System 2: Wie Denken (nicht) funktioniert

Gemäss Kahnemann operieren wir mit zwei komplementären Denksystemen:

  • System 1 ist schnell, automatisch, intuitiv und mühelos. Es basiert auf Erfahrung und Mustern aus dem Langzeitgedächtnis. Es ist unser „Standardmodus“ im Alltag.
  • System 2 hingegen ist langsam, analytisch, kontrolliert und anstrengend. Es kommt zum Einsatz, wenn wir neue, komplexe oder widersprüchliche Informationen verarbeiten müssen.

Effektives Lernen erfordert genau dieses System 2: das bewusste, kognitive Ringen mit einem Sachverhalt. Nur durch wiederholte Aktivierung von System 2 können wir neues Wissen stabil im Langzeitgedächtnis verankern – erst dann wird es später für System 1 automatisiert verfügbar. In Mullers Worten: „System 1 kann nur leisten, was System 2 vorher mühsam aufgebaut hat.“

Effizienzgewinn durch unmittelbares Feedback

Ein zentraler Beitrag von #KI zum Lernen liegt in der Fähigkeit, sofortiges und spezifisches Feedback zu geben. Lernprozesse – vornehmlich in den frühen Phasen des Kompetenzerwerbs – profitieren stark von dieser unmittelbaren Rückmeldung. Wer z. B. ein physikalisches Problem löst oder eine Sprache lernt, benötigt nicht nur richtige oder falsche Antworten, sondern Hinweise darauf, warum eine Lösung (nicht) funktioniert. KI kann hier, ähnlich wie ein guter Tutor, zielgerichtet unterstützen und somit eine wesentliche Voraussetzung für tiefes Lernen schaffen.

Darüber hinaus ermöglicht KI eine hohe Frequenz an Übung und Rückmeldung, ohne dass dafür kontinuierlich eine Lehrperson anwesend sein muss. Gerade in stark übungsintensiven Bereichen – etwa beim Erlernen mathematischer Verfahren, grammatischer Strukturen oder beim Trainieren von Entscheidungen in komplexen Situationen, bei denen mehrere Informationen abgewogen werden müssen (z. B. in der Medizin) – kann diese Form der automatisierten Begleitung den Lernprozess beschleunigen und individualisieren. Entscheidend ist jedoch, dass das Feedback nicht rein korrektiv bleibt, sondern kognitive Aktivität anregt – etwa durch gezielte Nachfragen, Erklärungen oder weiterführende Denkanstösse.

Massgeschneiderte Übungssettings und adaptive Systeme

Darüber hinaus kann KI repetitives Üben (Muller nennt dies „Reps“) erleichtern, indem sie Aufgaben passend zum Wissensstand generiert. Dies ermöglicht eine Form der Binnendifferenzierung, die im Klassenunterricht nur schwer realisierbar ist. Aus kognitionspsychologischer Sicht ist dies insbesondere deshalb wertvoll, weil gezieltes, herausforderndes Üben in der „Zone of Proximal Development“ (Lew Wygotski, 1930) als zentral für nachhaltiges Lernen gilt. KI-Systeme könnten hier eine unterstützende Funktion übernehmen, wenn sie sorgfältig gestaltet sind.

Die „Zone of Proximal Development“ (Zone der proximalen Entwicklung) bezeichnet den Bereich zwischen dem, was ein Lernender bereits eigenständig leisten kann, und dem, was er mit Unterstützung durch eine kompetentere Person zu leisten vermag. Wygotski betonte, dass Lernen am effektivsten ist, wenn es in diesem Bereich stattfindet, da hier das grösste Entwicklungspotenzial besteht. Durch gezielte Anleitung und Unterstützung – auch als „Scaffolding“ bezeichnet – können Lernende Aufgaben bewältigen, die sie allein noch nicht meistern würden. Mit zunehmender Kompetenz wird die Unterstützung schrittweise reduziert, bis der Lernende die Aufgabe eigenständig ausführen kann. Diese dynamische Interaktion zwischen Lernendem und Lehrendem ist zentral für den Erwerb neuer Fähigkeiten und die kognitive Entwicklung.

Die grosse Gefahr: kognitive Entlastung am falschen Ort

Gerade weil KI so leistungsfähig ist, birgt sie eine ernsthafte Gefahr: Sie kann dazu verleiten, die kognitive Anstrengung – das gezielte Aktivieren von System 2 – zu umgehen. Wer einen Aufsatz schreiben, ein Argument strukturieren oder ein Problem lösen soll, kann dies heute mit einem KI-Chatbot automatisieren. Doch dadurch entfällt die mentale Arbeit, die zur Verankerung im Langzeitgedächtnis notwendig ist.

Ohne diese Anstrengung entsteht kein Chunking, also keine kognitive Verdichtung komplexer Inhalte zu handhabbaren Einheiten. Expertise – etwa beim Schachspielen, beim Musizieren oder in der Physik – basiert gerade darauf, dass System 1 über ein reichhaltiges, domänenspezifisches Netz an Erfahrungen und Mustern verfügt. Dieses Netz aber lässt sich nicht über KI „importieren“ – es muss aufgebaut werden, durch wiederholte, bewusste Anwendung von System 2.

Buchstabe G aus dem „The Cubies’ ABC“

Der Unterschied zwischen Unterstützung und Ersatz

Ob KI eine sinnvolle Rolle im Lernen einnimmt, hängt entscheidend davon ab, ob sie als Unterstützung oder als Ersatz für Denkprozesse dient. Wird KI eingesetzt, um Lernende zu fordern, anzuleiten und ihnen gezielt Hilfestellungen zu geben, kann sie ein wertvolles Werkzeug sein. Wird sie hingegen genutzt, um Denkarbeit auszulagern, verhindert sie Lernprozesse – selbst wenn das Resultat (z. B. ein gelungener Text) oberflächlich betrachtet korrekt erscheint.

Gerade in diesem Spannungsfeld gewinnt die Rolle der Lehrperson an Bedeutung. Sie ist nicht durch KI ersetzbar, sondern übernimmt eine zentrale Funktion im Lernprozess: Sie motiviert, strukturiert, fordert heraus und sorgt für Verantwortlichkeit. In der Metapher von Muller: Die Lehrperson ist wie ein Personal Trainer. Das Fitnessstudio steht allen offen – aber ohne Anleitung, Rückmeldung und soziale Einbettung bleiben Fortschritte aus.

Didaktische Konsequenzen

Für die Gestaltung von Unterricht bedeutet dies zweierlei: Erstens müssen Unterrichtsformate so gestaltet werden, dass sie aktives, anstrengendes Denken begünstigen – mit gezielter Steuerung des Cognitive Load (John Sweller, 1988), also der mentalen Belastung, die während des Lernens im Arbeitsgedächtnis entsteht. Sweller unterscheidet drei Formen: Die intrinsische kognitive Belastung (intrinsic cognitive load) ergibt sich aus der Komplexität und Neuartigkeit des Lernstoffs. Sie ist grundsätzlich nicht vermeidbar, kann jedoch durch geeignete didaktische Aufbereitung verringert werden – etwa durch die Aktivierung von Vorwissen, die gezielte Sequenzierung von Inhalten oder durch anschauliche Beispiele. Die zusätzliche, nicht-lernbezogene kognitive Belastung (extraneous cognitive load) entsteht durch ablenkende, schlecht strukturierte oder unnötig komplizierte Lernumgebungen. Sie ist überflüssig und sollte möglichst vermieden werden – etwa durch klare Sprache, reduzierte Informationsdichte, verständliche Visualisierungen oder störungsarme Rahmenbedingungen. Die lernbezogene kognitive Belastung (germane cognitive load) schliesslich fördert das Verstehen, indem sie die kognitiven Ressourcen gezielt auf sinnstiftende Verarbeitungsprozesse lenkt – etwa auf das Erkennen von Zusammenhängen, das Bilden mentaler Modelle oder das Reflektieren über den eigenen Denkweg. Erfolgreiche Lehre zielt darauf ab, die extrinsische und – soweit möglich – auch die intrinsische Belastung zu reduzieren und gleichzeitig die lernbezogene Belastung gezielt zu fördern.

Zweitens muss der Einsatz von KI pädagogisch so gerahmt sein, dass sie Denken stimuliert, nicht ersetzt. Dazu gehört auch die Entwicklung von Prüfungsformaten, in denen eigenständiges Denken sichtbar wird – jenseits von automatisierbaren Produkten. Das bedeutet konkret: Lernaufgaben und Prüfungen sollten so gestaltet sein, dass sie nicht lediglich reproduktives Wissen abfragen, sondern Denkprozesse, Argumentationsfähigkeit, Transferleistung oder kreative Problemlösungen erfordern. KI kann dabei als unterstützendes Werkzeug dienen – etwa zur Ideengenerierung, zum Vergleich von Lösungswegen oder zur Reflexion –, darf aber nicht die eigentliche kognitive Leistung ersetzen. Entscheidend ist, dass Lernende aufzeigen, wie sie zu einem Ergebnis gelangt sind – nicht nur, dass sie eines präsentieren.

Fazit

Künstliche Intelligenz kann Lernprozesse sinnvoll bereichern – durch unmittelbares Feedback, individualisierte Übungsangebote und adaptive Unterstützung. Doch genau darin liegt auch ihre Gefahr: Wird die KI nicht als Werkzeug, sondern als Ersatz für Denken genutzt, untergräbt sie den eigentlichen Kern des Lernens. Denn Lernen ist und bleibt ein aktiver, anstrengender, zutiefst individueller Prozess – getragen von Wiederholung, Reflexion und der bewussten Auseinandersetzung mit Unverstandenem. Kein Algorithmus kann diesen mentalen Weg für uns gehen. Nur wer System 2 regelmässig beansprucht, kann dauerhaftes Verstehen aufbauen.

Oder wie Muller es prägnant formuliert: „Der Zugang zu Wissen war nie das Problem. Entscheidend ist, ob wir bereit sind, uns mit diesem Wissen wirklich auseinanderzusetzen – bewusst, systematisch und mit kognitiver Anstrengung.“

Für mich als Erwachsenenbildner bedeutet das: Ich sehe meine Rolle zunehmend als Lernbegleiter und Coach – nicht als Vermittler von Inhalten, sondern als Gestalter von Lernprozessen. Ich möchte meine Studierenden befähigen, KI gezielt und verantwortungsvoll zu nutzen: nicht um das Denken zu umgehen, sondern um es anzuregen, zu strukturieren und zu vertiefen. Denn wer selbständig lernen will, muss nicht nur wissen, was er lernen soll – sondern auch, wie. Und genau hier kann KI, klug eingesetzt, eine wertvolle Partnerin sein.

Endsache aus dem „The Cubies’ ABC“


Bildquellen Die Illustrationen dieses Beitrags stammen aus dem 1913 erschienenen „The Cubies’ ABC“, einem von Mary Mills Lyall (Text) and Earl Harvey Lyall (Illustrationen) herausgegebenen Abc-Buch (Public Domain). Das Buch war eine Satire auf den Kubismus und den Futurismus, die damals noch nicht sehr angesehen waren.

Disclaimer Teile dieses Texts wurden mit Deepl Write (Korrektorat und Lektorat) überarbeitet. Für die Recherche in den erwähnten Werken/Quellen und in meinen Notizen wurde NotebookLM von Google verwendet.

Topic #Erwachsenenbildung

 
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from HeavenonEarth

Government madness in the #US with implosion guarantee

The entire US government team strikes me as a freak show of three-dimensional caricatures, amateurishly performing an instructive farce.

The unintended side effect of this farce is to make crystal clear (to even the most good-natured or fascist-prone person) what happens when we surrender our power from below to autocrats without expertise. Especially as these autocrats are completely addicted to the artificial ecstasy state of power: the power of domination, unlimited profit, and fearful admiration.

Unfortunately for the emotionally intoxicated chaos fanatics, the authoritarian character is now out, and the MAJORITY of people are actively prepared to stand up for their rights again and again.

This maximally displayed primitive #megalomania has full potential to implode, probably even this summer, assuming the mass protests in the US continue. But I think we can confidently trust the current rulers to continue doing everything they can in order to efficiently fuel the #resistance even further...

#massprotests #trump #musk #tariffs

 
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from Hannes

14. 4 und 15.4.2024 was war das ein Tag, schön. Guten Tag, liebe Leser, Was war das für ein Tag gestern und heute. Da ich immer noch ein Auftrag habe, am Zaunrand das Gras abzuschneiden, fuhr ich gestern nach Haßley. In der Wettervorhersage, konnten sie auch nichts Näheres über den Regen sagen. Ich fuhr etwas später los, weil die Morgensonne etwas höher stand und nicht so blendete. Nun ich hatte GGlück und es blieb trocken. Nach zweieinhalb Stunden war ich fertig. Nachträglich blies ich mit dem Gebläse die Straße sauber. Zu Hause merkte ich, das ich dringend zur Toilette musste, es war schon was daneben gelaufen, wahrscheinlich war das Brot nicht mehr gut, was ich unterwegs aß. Ich zog sofort meine Arbeitssachen aus und wechselte die Unterwäsche aus. Kaum das ich fertig war, fuhr ich zum Einkaufen. Die Katzen hatten kein Futter mehr und auch das Katzenstreu musste ausgetauscht werden. Dann kam die Schmutzwäsche in die Waschmaschine und hing sie hinterher am Wäschturm auf. Außer dem Brot und Wasser hatte ich nichts gegessen und hatte Hunger. Ich machte in der Pfanne den Backfisch warm und dazu Spaltnnkartoffeln, hmm, das schmeckte. Ich merkte auch, wie der Muskelkater kam und müde vom Essen war. Ich guckte noch etwas im TV und ging dann ins Bett. ___________________________________________________ Heute am 15. 4. ging es mir schon viel besser, ich stand zur gewohnten Zeit auf, säberte die Wohnung und machte die Krümel von den Katzen im Bad sauber. Als ich mit allem drum und dran fertig war, schälte ikch den Rhabarber und kochte ihn ein. Uschi verspach mir, zu kommen, und es war warm draußen. Wir fuhren nach Herdecke, um was zu essen. Als wir fertig waren spielten Uschi und ich zu Hause eine Runde Rummy. Ab und zu tobten die Katzen in der Wohnung herum. Uschi musste noch zur Apotheke sich etwas zu besorgen, dashalb fuhr sie nach Hause, Jedenfalls hatte ich eine nette Unterhaltung.

 
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from Hannes

12. 4. und 13.4.2025 Entäuscht, Gedenktag Was war denn gestern los? Ich war schon früh aufgestanden und wollte das schöne warme Wetter ausnutzen. Das Werkzeug tat ich schon am 11.3 in das Auto, an dem Tag polierte ich auch das Auto. Schließlich um 8 Uhr 15 machte ich mich auf dem Weg nach Lüdenscheid. Dort angekommen, ging ich zum Friedhof und wollte nachsehen, was das Grab meiner Mutter machte. Am Eingang sah ich, das die Gärtner aktiv gewesen sind. Sie beseitigten mehrere ältere Bäume, die wahrscheinlich vom Pilz befallen waren. Am Außenweg sah ich auch, das man jede Menge Srträucher geschnitten und auf dem Seitenwag gelagert wurden. Aber es war noch nicht alles, weiter lief ich den Weg hinunter und sah heraus gerissene Elemente von Einfassungen. Auch das Grab meiner Mutter wurde unterwühlt, der Grabstein lag in einem Erdloch, fast zugeschüttet. Vielleicht werden die Gräber eingeebnet, um Platz für neue Beisetzungen zu machen. Nennt man das Totenruhe, um die gewesesenen Gräber auszulöschen, ich weiß es nicht. Kurzer Hand kehrte ich um, und fuhr nach Hause zurück. Unterwegs fiel mir auf, das man nebs der Baustellen, an den Berghängen, viele Bäume gerodet wurden Die 117 km hin und zurück bin ich umsonst gefahren. ________________________________________________ Vieleicht erinnern sich meine Bekannten und Uschi daran, das die Urne von Margret um die Mittagszeit auf dem Hertener Waldfriedhof beigesetzt wurde. Vorher waren Uschi und ich in der kath. Kirche bei einer Trauerfeier gewesen. Dorothee hielt die Trauerrede und eine Organistin kam extra und spielte einige Lieder, die Uschi und ich aussuchten, dabei wurden auch melodisch manche Lieder abgespielt. In der Kirche erschienen viele Trauergäste, die Margret zu Lebzeiten gekannt hatte. Fast der komplette Kirchenchohr sang kräftig mit. Ich denke heute noch den ganzen Tag daran, wie von Margret würdevoll Abschied genommen wurde. Dort wurde sie mit mir getraut und auch verabschiedet.

 
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from HeavenonEarth

Regierungswahnsinn in den #USA mit Implosionsgarantie

Die gesamte US-amerikanische Regierungsmannschaft wirkt auf mich wie eine Freakshow dreidimensionaler Karikaturen, die komplett dilettantisch eine lehrreiche Farce aufführen. Der unfreiwillige Nebeneffekt dabei ist, selbst der gutmütigsten oder faschistisch anfälligsten Person glasklar vor Augen zu führen, was passiert, wenn wir unsere Macht von unten abgeben an #Autokraten ohne Sachverstand. Autokraten, die allzeit durch und durch süchtig sind nach dem Ecstasy-Kick von Macht im Sinne von Herrschaft, grenzenlosem Profit und furchtvoller Bewunderung.

Pech nur für die emotional berauschten Chaosfanatiker, dass der autoritäre Charakter inzwischen out ist und die MEHRHEIT der Menschen aktiv bereit ist, nachhaltig für ihre Rechte einzustehen.

Der maximal zur Schau gestellte primitive Größenwahn hat meines Erachtens volles Implosionspotential und zwar noch in diesem Sommer, vorausgesetzt die #Massenproteste in den USA gehen weiter. Aber ich denke, da kann man den aktuellen Machthabern getrost vertrauen, dass sie weiterhin alles tun werden, um den Widerstand effizient immer noch weiter anzuheizen...

#trump #musk #groessenwahn #widerstand #zollpolitik

 
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from Erdrandbewohner

Boah! Erstmal Luft holen...

Ihr Lieben, das hier wird nur ein kurzer Blogartikel. Nur eine kleine Erkenntnis über mich. Ja, es wird wieder privat und hat mit meinem derzeitigen ADHS-Hyperfokus und meinem neuen autistischen Spezialinteresse zu tun. Richtig, es geht um meinen höchstwahrscheinlichen Autismus. Wer hätte das gedacht! ;–)

Seit meiner frühsten Jugend bekomme ich die Rückmeldung anderer Menschen, ich sei ein netter, intelligenter, sehr tiefgründiger Mensch. Nichts könne mich aus der Ruhe bringen, ein richtiger Fels in der Brandung. Außerdem sei es toll, dass ich nicht verurteile, immer sachlich bleibe, und so weiter.

Das bekam (und bekomme) ich so oft zu hören, dass das ein Teil meines Selbstbildes wurde. Und stimmt schon, irgendwas muss ja dran sein. Wenn ich mit Kindern zu tun habe, dann sind es vor allem die ernsten, die schüchternen oder die stillen Kinder, die meine Nähe suchen. Was mich verwundert, was ich aber auch schön finde. Außerdem werde gerne um Rat bei Privatangelegenheiten gefragt (was mich übrigens oft tierisch stresst). Ich gelte als sehr vertrauenswürdig. Aus irgendeinem Grund lassen viele mir wildfremde Leute mir gegenüber sehr schnell ihre Maske fallen und zeigen sich so, wie sie sich anderen Menschen gegenüber nicht zeigen würden. Ich weiß nicht, warum. Ich nehme es wieder verwundert hin, bin damit aber nicht selten überfordert...

Diese Fremdwahrnehmung meiner Person ist ja irgendwie nett. ABER SIE STIMMT NICHT!

Während mir Menschen bewundernd sagen, dass sie meine ruhige Tiefgründigkeit so sehr mögen, kann in mir in dem Augenblick ein sehr unangenehmes Gefühlschaos toben. Während ich in einer Traube von wunderbaren, ruhigen, schüchternen Kindern sitze, bekommt niemand mit, dass ich gerade mit einem (natürlich stillen) Meltdown kämpfe und kurz davor bin, nicht mehr reden zu können. Stattdessen freut man sich in genau diesem Moment über meine “tolle Art”, mit den Kindern umzugehen. Wenn ich um einen Rat gebeten werde, ist man offenbar sehr glücklich mit meinen “Weisheiten”, die sich allerdings für mich selber als konstruierte, krampfhaft hervorgebrachte Plattitüden anfühlen. Ähnlich wie bei einer Katze, die unter vollem Körpereinsatz einen Haarball herauswürgt. Während ich stinkewütend auf meinen Kollegen bin und ihm zum hundertsten Mal erkläre, dass er Scheiße baut, lächelt er mich offen an und bedankt sich bei mir, weil ich immer so viel Verständnis zeige... Hallo?! Das alles ist doch einfach nur kafkaesk!

Kurz: Mein Innerstes, also mein wahres Gefühlsleben gelangt in der Regel nicht nach außen. Menschen können mich nicht lesen. Zumindest nicht, wenn sie mich nicht gut und lange kennen oder sich wenig Mühe geben. Wenn ich etwas über mich mitteile, kann es sein, dass es überhaupt nicht zu meinem Tonfall, zu meiner Mimik und zu meiner Körpersprache passt. Und ich frage mich seit jeher, warum die Leute oft so dermaßen komisch auf mich reagieren...

Dass mich die Menschen schwer lesen können, ist vermutlich die andere Seite der “Es fällt mir schwer, andere Menschen zu lesen”-Medaille. Nur, dass ich mein Leben lang unbewusst geübt habe, die Anderen zu lesen. Und tatsächlich habe ich für einen Autisten eine gewisse Meisterschaft darin erlangt. Was mir aber bisher völlig an mir vorbeigegangen ist: Mein Unvermögen, mich meiner meist neurotypischen Umwelt mitzuteilen. Denn man hört verdammt wenig auf Worte, wenn sie nicht in einem wahnsinnig komplexen gemeinsamen Tänzchen mit dem Tonfall, der Mimik und der Körpersprache geäußert werden.

Was folgt daraus? Während in der autistischen Gemeinschaft das Entmaskieren ein ganz großes Thema ist, muss ich wohl erst einmal lernen zu verstellen, damit mich andere Menschen lesen können.

Hört ihr den tiefen, resignierten Seufzer, der sich vom Erdrand über die ganze Welt ausbreitet?

 
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from Cedaras Couch

Sonnenhang von Kathrin Weßling

Eigentlich hatte ich mir das Buch nur besorgt, weil die Autorin auf der Buchmesse zu einem Talk war und mir die Präsentation gefallen hatte. Plus, meine lokale Bibliothek hat es nicht im Katalog. Ich war, wie man so sagt, neugierig.

Die Handlung ist relativ einfach: Frau Mitte dreißig, ist im Hamsterrad des Homeoffice plus Katze. Ihre Freunde und Bekannten haben die Mann-Familie-Kind Richtung eingeschlagen. Sie findet nicht den passenden Mann dafür. Sie findet heraus, dass der Ex-Freund, der während der Beziehung keine Kinder wollte, jetzt lieber mit einer anderen Frau ein Kind in die Welt gesetzt hat. Sie ist gutsituiert, mit einem Erbe im Hintergrund, was ihr erlaubt, Teilzeit zu arbeiten. Dann erhält sie einen gesundheitlichen Schlag: Ihr muss die Gebärmutter entfernt werden, und somit ist es mit der Idee des Kinderkriegens vorbei. Im Laufe der Geschichte jedoch, findet sie mittels neuer Freunde in Sonnenhang und Urlaub eine neue Stabilität.

Eigentlich eine gute Handlung, wenn mich der Schreibstil der Autorin anfangs so irritiert hätte. Sie liebt lange, mit Kommata verbundene Sätze, was auf Seite 30/31 ein Satzungeheuer ergab. Manches erinnerte mich dabei an „Stream-of-Consciousness“ Monologe. Ich gewöhnte mich allerdings mit der Zeit an den Sprachstil. Schließlich gibt es auch Autoren, die niemals einen Punkt machen. (Dank an den netten Menschen auf Mastodon, der mich auf Herrn Krasznahorkai aufmerksam machte.)

Eine andere Irritation hatte ich in der Szene mit dem blutigen Laken zu Hause, als ich mich wunderte, ob die Matratze denn nicht auch nass geworden war. Das brachte mich ein wenig aus der Handlung.

Ich habe mich während der Handlung auch gefragt, warum ihr Charakter Katharina hieß, da ihr eigener Vorname Kathrin eine Kurzform von Katharina ist. Da fehlte mir ein wenig der Abstand zwischen Autorin und Handlung.

Das Buch war okay. Ich hatte allerdings irgendwie mehr erwartet. Vielleicht bin ich aber auch nicht die Zielgruppe des Buches.

 
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