Einführung
Der Sonntag in der Weihnachtsoktav ist das Fest der Heiligen Familie.
Seit 2015 hat die Bischofskonferenz auf diesen Sonntag den jährlichen Familiensonntag gelegt, und empfiehlt als Jahresthema für die Begleitung von Familien: „Familien. Orientierung in bewegter Zeit“.
Lesung: 1 Sam 1,20-22.24-28
Lesung: 1 Joh 3,1f.21-24
Evangelium: Lk 2,41-52
Predigt: Liebe Mitchristen
Wie zu Beginn des Gottesdienstes erwähnt, feiert die deutsche Kirche heute den Familiensonntag mit der Ausrichtung „Familien. Orientierung in bewegter Zeit”. Bewegte Zeiten betreffen Familien ja mehrfach. In den letzten Jahrzehnten hat sich durch eine große Mobilität bei uns viel verändert. Großeltern leben nicht mehr selbstverständlich in der Nähe. Bei der Begleitung meiner Eltern gerade gegen Ende ihres Lebens war ich als Sohn über 500km entfernt und das bedeutet ein anderes Miteinander, als z.B. meine Eltern es in ihrer Familie erlebt hatten.
Gleichzeitig hat sich die Lebenserwartung spürbar verlängert. Viele Menschen erleben den Segen, der in Psalm 128 so ins Wort kommt. Der gesegnete Mensch soll die Kinder seiner Kinder sehen können. Gestern war meine Hausfrau z.B. bei einer Enkelin und weitere Teile der Familie konnten dazukommen, so dass sie 3 Urenkel erlebte. In unserer Kultur bieten diese Tage oft einen Anlass für Familien, zusammen zu kommen.
Orientierung in bewegten Zeiten ist auch auf die aktuellen Umbrüche in unserer Gesellschaft hin notwendig. Von meinem Erstberuf her habe ich eine persönliche Nähe zu Netzwerken im Internet, wie Facebook, Tik-tok, Twitter und den Umgang mit diesen großen Plattformen. Sie sind von Interessen geleitet, die in andere Richtung führen, als wir es im Glauben anstreben. Ein Blogger, er ist Beauftragter gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg, spricht in seinen Posts von ,,antisozialen Medien”. Die Algorithmen, die auf Post von Teilnehmenden aufmerksam machen, sind nicht von Liebe oder Geschwisterlichkeit bestimmt. Sie fördern eher Empörung, bieten Hass und Hetze eine Plattform, machen Menschen nachgewiesener Maßen süchtig. Sie führen nicht zu mehr Liebe und Empathie. Nutzende in diesen Plattformen werden motiviert auf ihr zu bleiben und zu verweilen. So gelingt es, gute Konsumenten zu formen. Damit das Bleiben nicht innerlich anstrengt, werden Affekte bewusst geschürt. Diese steuern uns dann und lassen uns Dinge tun, die von Außen oft unverständlich sind. Die Wahl in den USA war dafür ein gutes Beispiel.
„Familien. Orientierung in bewegter Zeit”. Welche Orientierung in dieser Situation unserer Welt finden wir heute im Wort Gottes? Die Lesung aus dem Alten Testament schildert eine Begebenheit aus einer uns fremden Familiensituation. Wir hatten dazu vor einer Woche am 4. Adventssonntag schon einiges bedacht. Manche werden sich vielleicht erinnern. Im Evangelium ging es vor 8 Tagen um die Begegnung von Maria und Elisabeth und um die Bestärkung, die Orientierung, die so möglich wurde. Ich hatte dazu etwas aus der Zeitschrift der Frohbotinnen zitiert. Dabei hatten wir auf Hanna in ihrer schwierigen Lebenssituation geschaut. Sie ist eine von zwei Frauen Elkanars und war kinderlos. Diese Kinderlosigkeit machte ihr sehr zu schaffen. Sie konnte sich der Liebe ihres Mannes nicht öffnen, schaute auf die Kränkung durch die 2. Frau Elkanas, die Kinder hatte. Hanna sucht Orientierung bei Gott und macht beim persönlichen Beten die Erfahrung, dass Gott sie hört. Dies öffnete sie dann für den Schritt, den wir heute in der Lesung hörten, nämlich ihren Sohn Samuel auf Gott hin loszulassen. Ein Schritt, der vermutlich Samuel auch sehr gefordert hat. Die Bibelstellen verdeutlichen, das Miteinander in der Familie ist nicht reibungsfrei. Viele von Ihnen werden sich gut mit den Eltern Jesu und ihren Sorgen und Fragen identifizieren können.
Orientierung in bewegten Zeiten – dies ist auch ein Thema für alle, die sich als Kinder Gottes als Teil dieser Familie wahrnehmen. Die Lesung aus dem Johannesbrief weist darauf hin, es gibt etwas, was die Welt nicht erkannt hat – und damit auch nicht ins eigene Leben aufnehmen kann – das zentrale Orientierung für uns ist. Der Brief bezeichnet es als Liebe. Sie ist wie ein erfüllter Raum, um gut das eigene Leben vor Gott und mit Gott gestalten zu können. Diesen Raum hat Jesus vermutlich im Blick, wenn er seinen Eltern sagt: Wusstet Ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört. Am Ende des Hochgebetes betet der Priester: Durch IHN und mit IHM und in IHM — und lässt so diesen Raum bewusst werden, in dem wir leben dürfen und der uns Halt gibt, gerade auch in den Versuchungen der Welt — also jener Seite unserer Wirklichkeit, die mehr auf Empörung setzt, auf Abwerten, auf Spaltung. Wie gelingt liebevolles Miteinander in turbulenten Situationen, wo die Gefühle hoch her gehen? Die Konfrontation der Eltern Jesu mit einem neuen und überraschendem Verhalten ihres Sohnes zeigt, diese Frage ist nicht neu. Vermutlich kennt jeder und jede von uns Situationen, die auch in Empörung und somit in nicht konstruktives Miteinander hätte führen können.
Jesu Frage heute wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? kann auch heute wichtige Orientierung geben. Um das in-dem-Sein, was Gott geh-hört, geht es beim Christsein, bei der Macht, Kinder Gottes zu werden. Das erbitten wir beim Vater unser, wenn wir sagen Dein Reich komme. Das ist ja nicht nur der Tempel oder sonst ein einzelner Ort. Gottes Gegenwart, die Herrlichkeit kann überall aufleuchten. Samuel wird von seiner Mutter als Gottes Eigentum Eli zur Ausbildung anvertraut. Für Hanna ein wichtiger Schritt in eine Freiheit vor Gott, so hatten wir es vor einer Woche gedeutet. Heute könnten wir auch einen Bezug zur Taufe herstellen. Da haben die meisten von uns ja ähnliches erlebt. Leider bleibt dieser Bezug, diese Ausrichtung auf Gott nicht, sondern wir lassen uns im Leben wegziehen von unterschiedlichen Ausprägungen des Mammon, wie Jesus diese Wirklichkeit in der Bergpredigt nennt. Von den Interessen der Welt, des Kommerz, des Status, also dem Wunsch, besser zu sein, als andere. Wer diesen Interessen Priorität gibt, bleibt nicht in der Liebe, der Güte, der Wahrheit, ist nicht in dem was dem Vater gehört. Sie haben den Johannesbrief noch im Ohr: Wer seine Gebote hält, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. und Daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist, den er uns gegeben hat.
Dieses Bleiben zu üben und dabei einander zu bestärken, dazu braucht es eine persönliche Vertrautheit, gewisser Maßen die Erfahrung von Familie. Ich bin davon überzeugt, die Zukunft unserer Kirche wird mit davon bestimmt sein, wie es Gläubigen gelingt, in solche Weisen des Miteinanders, der Weggemeinschaft hinein zu finden, um den Geist zu spüren, der uns gegeben ist.
Die Glaubensreise von Menschen auf Gottes Liebe hin beginnt oft als Fremde, ohne innere Bezüge zu Jesus Christus. Der Impuls der Lesung an den Namen seines Sohnes Jesus Christus zu glauben bringt etwas in Bewegung. Wer sich daran orientiert, setzt sein Leben darauf, dass Gott rettet und nicht etwas Materielles, was vielleicht dieses oder jenes im Leben angenehmer macht. So wird man ein Fan, kann meist schon etwas von dieser Liebe weitergeben, sich für diesen Raum einbringen. Oft entwickelt sich dann der Wunsch, bewusst Jesus zu folgen, sich an IHM ein Beispiel zu nehmen. Und nach und nach entsteht ein Band der Freundschaft und dann der Entschluss, Teil der Familie Gottes zu werden. Also, wie am Weihnachtstag es hieß, das Wort, das in die Welt kam, aufzunehmen. Dieses Aufnehmen ist vermutlich eher ein Lassen und Zulassen. Hanna und auch Jesu Eltern sind in dieser Weise gefordert und können sich darauf einlassen.
„Familien. Orientierung in bewegter Zeit”. Wenn das gemeinsame Verweilen bei diesem Leitgedanken Sie neugierig gemacht haben sollte, wie so eine Orientierung als Kinder Gottes gehen könnte – gerne können wir darüber außerhalb des Gottesdienstes ins Gespräch kommen. Ich bin davon überzeugt, dass in den Weggemeinschaften solcher vertrauten Gruppen von Glaubenden Orientierung für uns als Kirche in bewegter Zeit geschenkt werden kann.