Cineneh

Ich schreibe über Filme – unter anderem

“Anselm – Das Rauschen der Zeit” heißt Wim Wenders' Hommage an den Universalkünstler und persönlichen Freund Anselm Kiefer. Wenders und Kiefer kennen einander seit gut 30 Jahren. Beide sind 1945 geboren und haben ähnliche Nachkriegserfahrungen machen können. Das Schweigen über die Vergangenheit war Kiefers Sache nie. Seine Kunst sollte der Gesellschaft durchaus auch einen Spiegel vorhalten. Wim Wenders führt sein Publikum allerdings nicht in eine Biographie ein, sondern ermöglicht ihm, zumal in 3D, so wie er es bereits bei seinem Film über die Tänzerin und Choreographin Pina Bausch gemacht hatte, das monumentale Werk des Künstlers sinnlich zu erfahren.

“Anselm” mag als Dokumentarfilm gehandelt werden, aber vielmehr ist es ein Essay, ein Experimentalfilm. Gleichzeitig ist es aber auch in Teilen ein Porträt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Anselm Kiefers Themen des Verfalls und des Krieges, des Todes und der Zerstörung werden hier mit der gesichtslosen Figur der idealisierten Frau, herunter gebrochen auf ein Brautkleid, eingeführt. Es sind flüsternde Stimmen, die das Publikum sowohl verwirren als auch hypnotisieren. Erst dann geht es in einer der Fabrikhallen, die Kiefer gemietet hat, um sie als Atelier zu nutzen. Riesige Räume, die nur die Kamera aus der Höhe fassen kann, sonst hätte man das Gefühl, man gehe zwischen den wuchtigen Werken, die nicht nur aus Farbe, sondern aus organischen Materialien wie Sand und Stroh und Stoff bestehen, verloren.

Der Meister selbst radelt durch diese Hallen und radelt quasi auch durch das, was man eine biographische Einordnung nennen könnte. Doch Wenders fordert sein Publikum subtil. Er erklärt den Künstler nicht, er erklärt auch die Werke nicht. Er ermöglicht jedoch eine Interpretation. Man schaut Kiefer beim Denken zu und manchmal bedeutet das auch, dass man ihn auf einer Wiese mit einer Sonnenblume sieht. Wenders führt kein Interview. Kiefer erklärt sich auch nicht selbst. Um trotzdem auch auf die Vergangenheit zu kommen, springt sein Sohn Daniel Kiefer ein und spielt ihn als jungen Mann zu einer Zeit, als dieser sich durchaus skandalträchtig gegen das Vergessen stemmte. Wenders geht sogar noch einen Schritt zurück und lässt ein Kind (seinen Großneffen Anton Wenders) den nachdenklichen und staunenden Anselm der Nachkriegszeit spielen, als die Spuren des Krieges und seiner Verwüstung noch alles beherrschten.

Es ist nicht nur allein die 3D-Technik, die Kiefers Kunst auf eine Weise erfahrbar macht, sondern auch die Perspektive, die die Kamera von Wenders treuen Weggefährten an selbiger, Franz Lustig, und dem Stereografen Sebastian Cramer, einnimmt, wenn sich Bildelemente überlagern oder den Künstler winzig neben seine Bilder werden lässt. Darüber hinaus wendet Wim Wenders eine Tonspur mit Geräuschen, Flüstern, Originalstimmen mit Zitaten von Inspiratoren wie Paul Celan und Ingeborg Bachmann und einer suggestiven Musik an, die Kiefers Sinne für Mythos und Geschichte spiegeln.

“Anselm – Das Rauschen der Zeit” ist im Wesen eine poetische Annäherung an Anselm Kiefer. Eine Museumsausstellung könnte Anselm Kiefer nur in Teilen gerecht werden. Wim Wenders hat dafür die Leinwand und er weiß sie zu nutzen.

Eneh

Dokumentarfilm Originaltitel: Anselm – Das Rauschen der Zeit Regie: Wim Wenders Kamera: Franz Lustig Schnitt: Maxine Goedicke Musik: Leonard Küßner Mit Anselm Kiefer, Daniel Kiefer, Anton Wenders Deutschland 2023 93 Minuten Verleih: DCM Kinostart: 12. Oktober 2023 Festivals: Cannes 2023 / Hamburg 2023 / Zürich 2023 TMDB

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Dokumentarfilm #DCM

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Luc Bessons neues Drama “DogMan”, das auch dem Genre Thriller zugeordnet werden kann, wird das Publikum spalten. Einige werden darin eine kalkulierte, oft alberne Comic-Schmonzette sehen, die an den nicht unähnlichen “Joker” (2019 mit Joaquin Phoenix) nicht ganz herankommt, andere werden über dramaturgische Schwächen hinwegsehen und zu Herzen gerührt sein.

Premiere feierte “DogMan” in Venedig, wo sogleich, und das soll nicht unter den Teppich gekehrt werden, kritisiert wurde, dass das Festival Besson, einer unter den problematischen Regie-Männern, eine Bühne geben würde. Darüber ging wohl verloren, dass die Teilnahme an einem der großen A-Festivals, für einen für Gewalt- und Action-Filmen bekannten Regisseur sehr wohl eine Überraschung war.

Seine frühen Regiearbeiten wie “Im Rausch der Tiefe” (1988), “Nikita” (1990) und “Léon – Der Profi” (1994) sind Klassiker geworden. Mit “Das fünfte Element” (1997) wechselte er erfolgreich ins Science-Fiction-Genre, um dann aber mit “Angel-A” zu enttäuschen. Jahrelang arbeitete Besson als Produzent, sein letzter, etwas überdimensionierter Film war wohl “Valerian – Die Stadt der tausend Planeten” (2017).

“DogMan”, der von einer engen Verbindung von Mann und Hund handelt, und der bitte nicht mit “Dogman” von Matteo Garrone von 2018 verwechselt werden sollte, knüpft in der Tat an die alte Handschrift von Besson an. Besson wirft hier alles in die Waagschale. Sein Film ist episch, tragisch, komisch und skurril. Er schreckt vor religiösem Pathos und zahlreichen Klischees nicht zurück. Und doch rührt seine Hauptfigur, die lautmalerisch Doug heißt, zu Herzen, während die unzähligen Hunde jede Szene für sich erobern. Kann man so treuherzigen Kampftieren böse sein?

Mit Doug, für dessen Rolle Besson den amerikanischen Schauspieler Caleb Landry Jones (“Three Billboards Outside Ebbing, Missouri”) gewinnen konnte, hat “DogMan” einen tragischen Antihelden, eine von der Gesellschaft ausgeschlossene Figur, die sich gar nicht darum bemüht, wieder ein Teil dessen zu werden. Doug ist von außen betrachtet ein Einzelgänger, aber er hat seine Familie. Seine Familie sind seine Hunde, die ihn bedingungslos lieben und unterstützen und für ihn neckische Raubzüge vollbringen. Neben der Hundeschar, für die es einen Stab an 15 Hundetrainer*Innen gab, braucht es Präsenz, um zu bestehen. Caleb Landry Jones' Spiel wird in Erinnerung bleiben, soviel steht fest.

Wie Doug zu seinen Hunden kam, und sie spirituell und emotionell als seine Retter annahm, erzählt Doug im Gespräch in seiner Gefängniszelle. Denn nachdem er bzw. seine Hunde eine ganze Gang an Latino-Schurken trickreich ausgelöscht haben, kann sein Weg nur noch in die eigene Auslöschung bzw. in eine spirituelle Erlösung führen. So wählt denn Besson dramaturgisch die Erzählung durch Rückblenden und verknüpft diese mit den Gewalterfahrungen, die sein Gegenüber, die Polizeipsychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs), selbst gemacht hat. Die Welt nach Luc Besson ist eine gewalttätige. Die Hunde dagegen lieben einen Menschen bedingungslos und konsequent. Die Wahlfamilie ist hier die wahre Familie.

Subtil ist Luc Besson nicht. Mit breitem Pinselstrich malt er seine Figuren und setzt der Dramaturgie immer noch einen drauf, auch wenn das bedeutet, das Genre zu wechseln. Doch Besson schafft es, Mitgefühl zu wecken. Doug wählt die Distanz zu seinen Mitmenschen und auch zu seinem Publikum.

Geschunden und mit Behinderung lebt er seine Lebensfreude aus, indem er singt. Für kurze Zeit löst er sich von den physischen Fesseln seines Rollstuhles und performt französische Chansons in Gestalt einer Drag-Queen. Zu kritisieren gäbe es daran so einiges und doch schafft es Besson seiner Figur eine Seele einzuhauchen, die das Publikum erkennt, wenn es nicht sogar eine Träne vergießt. Hier besinnt sich Luc Besson an seine alten Filme und damit hebt er sich auch von den kalten Thrillern nach dem Millenium ab. Wie gesagt, nicht jedem wird “DogMan” gefallen, aber das Wagnis sollte man unbedingt eingehen.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: DogMan Regie: Luc Besson Drehbuch: Luc Besson Kamera: Colin Wandersman Schnitt: Julien Rey Musik: Eric Serra Mit Caleb Landry Jones, Christopher Denham, Marisa Berenson, Michael Garza, Clemens Schick, Jojo T. Gibbs, Eric Carter, Avant Strangel, Grace Palma, James Payton, Derek Siow, John Charles Aguilar, Naima Hebrail Kidjo, Ambrit Millhouse, Lincoln Powell, Corinne Delacour, Aven Campau, William Sciortino, Luing Andrews Frankreich / USA 2023 114 Minuten Verleih: Capelight Pictures Kinostart: 12. Oktober 2023 Festivals: Venedig 2023 TMDB

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #CapelightPictures

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Jean Newman (Rosy McEwen) ist Sportlehrerin. Sie ist beliebt an ihrer Schule. Sowohl im Lehrkörper als auch bei den Jugendlichen. Was keiner an der Schule weiß, ist, dass sie lesbisch ist. “Blue Jean”, das Langspieldebüt der Britin Georgia Oakley (“Little Bird”), spielt in der restriktiven Thatcher-Zeit.

1988 wurde unter Margaret Thatcher die sogenannte “Section 28”-Gesetzeserweiterung parlamentarisch verabschiedet. Fortan durfte die ohnehin schon konservative britische Gesellschaft mit “Homosexualität” nicht mehr belästigt werden. Jede Förderung derselbigen war ein Verstoß.

Für Jean bedeutet dies, dass sie, sollte herauskommen, dass sie lesbisch sei, sie mit sofortiger Wirkung vom Schuldienst ausgeschlossen werden würde. Somit wird sie nicht nur in ein Doppelleben gezwungen, sie kann aus reinem Selbstschutz sich auch nicht den Gegenbewegungen anschließen, so wie es ihre Lebensgefährtin Viv (Kerrie Hayes) tut.

So fern ist diese Zeit gar nicht. Immer noch werden LGBTQ-Menschen unterdrückt oder gar mit dem Tod bedroht. Auch heute gibt es entsprechende Gesetze, die Darstellungen von Homosexualität verbieten. Auch innerhalb der EU. Was machen Gesetze dieser Art mit den Menschen, die von diesen ausgegrenzt werden? Georgia Oakley, geboren 1988, berichtet, dass sie selbst gar nicht wusste, dass es die “Sektion 28” gab. Sie selbst war damals im schulpflichtigen Alter und wunderte sich, dass sie so gar keine Vorbilder für ihr Empfinden fand. Erst die Beschäftigung mit den Auswirkungen dieses Gesetzes öffnete ihr die Augen.

Georgia Oakleys Figuren sind Menschen, wie du und ich. Oakley stellt die Verordnungen und die Nachrichten der Zeit in den Hintergrund, der allerdings allumfassend die davor handelnden Figuren einengt. Aus eben jenen Nachrichten erfahren wir von der Stimmung im Land. Auch wenn die Hauptfigur, Jean, diese Nachrichten wegschalten möchte.

Um diese bedrückende Atmosphäre geht es Oakley hauptsächlich. Sie unterstreicht die Stimmungen mit einer spezifischen Farbgebung, die man bewusst oder unbewusst mit aufnimmt. Pastelltöne kennzeichnen die heteronormativen Lebenswelten. Kräftigere Farben werden in jenen Bereichen eingesetzt, in denen Jean in ihrer Freizeit verkehrt.

“Blue Jean” ist ein wirklich wichtiger Zeitepochenfilm über die damaligen Repressionen. Dabei sind die Figuren der Jean, einer Lehrerin, ihrer Freundin und Aktivistin Viv und einer Schülerin an Jeans Schule Stellvertreterinnen für einen konkreten Konflikt, für den es hier keine einfache Lösung gibt.

Lois (Lucy Halliday) ist eine der Schülerinnen von Jean. In der Schule wird sie gemobbt. Lois, die neu in die Klasse gekommen ist, positioniert sich in der Folge abwehrend gegen das It-Girl der Klasse. Jean trifft Lois in ihrer Freizeit zufällig in einer Lesbenbar. Das Erkennen des jeweils anderen bringt beide in eine Abhängigkeitssituation. Wenn Lois Jeans Identität aufdeckt, ist sie ihren Job los. Wenn Jean Lois verleugnet, zerstört sie ein Leben, das ihr als Lehrerin doch anvertraut worden ist.

“Sektion 28” bedeutet nicht nur die Stigmatisierung von Homosexualität. Es sollte im Schulbereich ausschließlich negativ darstellt werden, zugunsten traditioneller Familienbilder. Ein Spagat den Jean nicht packt. Sie trifft eine falsche Entscheidung.

“Sektion 28” wurde erst, man mag es kaum glauben, im November 2003 abgeschafft. Georgia Oakleys Debüt ist ein überzeugender Film, der seine Figuren mit allen Schattenseiten vermittelt. Mit leisen Tönen wird eine Hauptfigur mit ihren Schwächen darstellt. Jean ist alles andere als eine Aktivistin. Ihr Zögern, ihr Nichthandeln setzen sie in einen Konflikt mit ihrer Freundin, die Haltung fordert, und es bricht einem das Herz, wie sehr ein noch junger Mensch wie Lois ein Platz in der Gesellschaft verwehrt wird.

“Blue Jean” lief letztes Jahr auf dem Filmfestival in Venedig und wurde dort mit dem Publikumspreis der Sektion »Giornate degli Autori« ausgezeichnet. Die British Independent Film Awards zeichneten darüber hinaus die Darstellungen der beiden Hauptfiguren, Rosy McEwan und Kerrie Hayes (als Nebendarstellerin) aus. Georgia Oakley gewann den Preis als beste Drehbuchdebütantin.

In Deutschland wurde “Blue Jean” im Rahmen des Queerfilmfestes vom Verleih Salzgeber vorgestellt und seit letzter Woche läuft der Film regulär im Kino. “Blue Jean” ist sowohl vom Setting, vom Schauspiel und der Umsetzung ein eindrucksvolles Debüt und absolut empfehlenswert.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: Blue Jean Regie: Georgia Oakley Drehbuch: Georgia Oakley Kamera: Victor Seguin Schnitt: Izabella Curry Musik: Chris Roe Mit Rosy McEwen, Kerrie Hayes, Lucy Halliday, Lydia Page, Becky Lindsay, Maya Torres, Ellen Gowland, Amy Booth-Steel, Stacy Abalogun, Izzy Neish, Kate Soulsby, Lainey Shaw, Farrah Cave, Deka Walmsley, Gavin Kitchen, Emily Fairweather, Aoife Kennan, Scott Turnbull, Dexter Heads Großbritannien 2022 97 Minuten Verleih: Salzgeber Kinostart: 5. Oktober 2023 Festivals: Venedig 2022 / Zürich 2022 / Rotterdam 2023 / Sydney 2023 TMDB

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #Salzgeber #GeorgiaOakley

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Immer wieder geht der Blick nach China, wenn man von totaler Kontrolle und Überwachung der eigenen Bevölkerung auch nur nachdenkt. Nicht nur seit Edward Snowdens Aufdeckung der technischen Schnüffelmethoden, nicht nur seitdem zum Beispiel der Konzern Google sein ursprüngliches Motto “Don't Be Evil” (Tue nichts Schlechtes) abgelegt hat, ahnt man zumindest, dass etwas im Argen liegt und man seine Privatsphäre (und nicht nur diese) verteidigen muss.

Während bei uns oft noch eine Mentalität überwiegt, die ausdrückt: “dann wissen sie halt alles über mich” und meinen damit, dass sie passgenaue Werbung auf den Kanälen ausgespielt bekommen oder es herrscht ein naiver Fatalismus a la “sie wissen doch eh schon alles über mich”.

Wir ignorieren geschichtliche Vorkenntnisse, was der Staat schon alles über uns weiß, und wir ignorieren, wogegen die, die einst schon gegen die Volkszählung protestierten, gewarnt hatten.

Wohin das alles führen kann? Die Maut-Daten oder die Corona-Listen, die dann doch zweckentfremdet wurden? Apps, die Daten sammeln und übermitteln, anhand derer man zum Beispiel derzeit in den USA das Abtreibungsverbot überwachen kann? Bei all dem ist China schon viel weiter. Die (Selbst-)Zensur wurde verinnerlicht. Maßnahmen werden mitunter gar nicht erst in Frage gestellt. Dort greift die Überwachung und Kontrolle eines Systems derart in die Lebensgestaltung ein, dass es zumindest uns in sicherer Entfernung gruselt. Wir ahnen aber, dass das alles auch uns angeht.

Die chinesische Regisseurin und Produzentin Jialing Zhang mit journalistischer Ausbildung und Berufserfahrung lebt und arbeitet in den USA. Bereits in ihrem Debüt 2017, “Complicit”, berichtete sie von einem chinesischen Wanderarbeiter, der an einer Vergiftung litt und daraufhin die globale Elektronikbranche zur Verantwortung ziehen wollte. In “Total Trust”, eine internationale Produktion, bringt sie uns den überwachten Alltag von Frauen in China nahe, die gegen diese Kontrolle aufbegehren.

“Total Trust” sollte die Augen öffnen, wenn sie nicht bereits voll aufgerissen sind. Man möchte, man muss über diesen Film reden. Das Bild vom Frosch im Kochtopf, welches auch Jialing Zhang und ihre anonym bleibenden Mitwirkenden übermitteln, zeigt, dass während bei uns das Wasser nur langsam warm wird, es anderorts bereits brodelt.

Dabei ist es nicht nur die Technik, auch das wird in diesem dramaturgisch spannenden Dokumentarfilm deutlich, die uns die individuelle Freiheit nimmt, sondern auch unzählige MitbürgerInnen und NachbarInnen, die dieses System stützen. Freiwillig oder auch unfreiwillig. Mit seinen Beispielen, die an unserem Sinn für Gerechtigkeit und Freiheit rütteln, ist “Total Trust” beeindruckend. Die Distanz in Raum und den diktatorischen Möglichkeiten überwindet Regie und Schnitt gekonnt und radikal.

Jialing Zhang wählte als ihre Protagonistinnen eine Journalistin, eine Anwältin, eine Aktivistin. Nur am Rande kommen einfache Leute ins Bild, die sich mal eben solidarisch zeigten und sich prompt wundern, dass die Überwachung nun auch sie ins Visier genommen hat.

Wenn Schergen des Systems vor der Wohnungstür kampieren, damit man an bestimmten Tagen gar nicht die Chance hat, das Haus zu verlassen, dann sollte das einem durchaus Angst machen. Hier liegt auch der Fokus der Regisseurin. Wie lebt es sich mit dieser Überwachung. Was macht das mit einem? Wie hält man das aus? Die drei konkreten Beispiele mögen Erinnerungen wecken und Befürchtungen schüren, angesichts politischer Verschiebungen, die auch unser Leben bestimmen können, sollten wir gegensteuern, bevor die Überwachung uns nicht nur Produktempfehlungen beschert.

Eneh

Dokumentarfilm Regie: Jialing Zhang Deutschland / Niederlande 2023 97 Minuten. Verleih: Piffl Medien Kinostart: 5. Oktober 2023

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Dokumentarfilm #PifflMedien

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Kinder stellen Fragen. “Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum?”, so trällerten Groß und Klein den Refrain des bekannten Liedes der “Sesamstraße”. Woche für Woche erklärt die “Sendung mit der Maus” Kindern aller Altersstufen die kleinen und großen Dinge aus unserem Alltag.

Unabdingbar für den Erfolg einer Sendung für Heranwachsende ist die Neugierde und die Begegnung auf Augenhöhe. Wissensvermittlung darf Spaß machen und spannend sein. Ungenau das beherzigt auch die Wissenssendung “Checker Tobi”, die schon seit 2013 auf Kika und der ARD ausgestrahlt wird. Inzwischen gesellen sich auch andere Checker dazu, es gibt eine ganze Checker-Familie und ganz neu dabei ist Checker Marina, die, jetzt kommts, im zweiten Kinofilm der Reihe eingeführt wird.

Zwar gibt es eine Handlungsidee, aber die Umsetzung und dem Genre nach sind die Checker-Filme, es sind nur zwei bisher, sowohl Dokumentar- als auch Abenteuerfilme. Und so begibt sich Checker Tobi (Tobias Krell) im aktuellen Kapitel um “die Reise zu den fliegenden Flüssen” (Regie Johannes Honsell) auf eine solche rund um den Globus.

Keine Bange, das geht auch über weite Strecken ohne Flugzeug. Der Postbote bringt Tobi am Anfang des Filmes ein Paket. Darin findet Tobi eine hölzerne Kiste und einen Brief von einer alten Bekannten aus der Kindheit, die ihn und seine damals beste Freundin ständig mit Rätseln gefüttert hatte, die es zu lösen galt. So ist auch diese Sendung ein Anpfiff zu einer Schatzsuche. Zum größten Schatz, den es gibt. Ungelogen, das ist sogar richtig und die fliegenden Flüsse gibt es auch.

Tobias, kurz Tobi, Krell hat ein Gespür für spannende Geschichten und deren visuelle Umsetzung. Von daher ist der Weg ins Kino und auf die große Leinwand konsequent. Bereits sein Vater war Kameramann. Seine Laufbahn führte ihn durch zahlreiche Redaktionen und durch ein Studium für Soziologie und Politikwissenschaften. Daran setzte er noch ein Medien-Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf, heute Filmuniversität Babelsberg, dran. Für das Medium Film hat er sich schon immer begeistern können und inzwischen verbindet er in seiner Position als Leiter des Kinderfilmfestes beim Filmfest München beides.

Zurück zur aktuellen Schatzsuche. Die erste Spur, um seine frühere Freundin aus der Kindheit wiederzufinden, führt ihn nach Vietnam. Egal, wo er landet, er interessiert sich mit zwingender Neugierde für die Menschen, die er trifft und wie sie leben. Er versucht zumindest ein paar Sätze in der Ortssprache anzuwenden. Er reflektiert auch sehr wohl seine Privilegien. In Vietnam führt ihn der Weg durch eine riesige Höhle, die im Kinodunkel besonders imposant wirkt. Hang Son-Doòn gilt als die größte Höhle der Welt. Aber nichts, was der Mensch hier mitbringt, darf er dort lassen. Eine Haltung, die nicht nur für außerordentliche Schauplätze der Natur gelten sollte. Die einzelnen Stationen bauen natürlich pädagogisch aufeinander auf. Nur wenn man das eine erlebt hat, weiß man das andere und um so mehr zu schätzen. So folgt auf Vietnam, dann bereits zusammen mit der zukünftigen Checkerin Marina, die Mongolei und auf die Mongolei der Amazonas.

Noch dazu ist das Team Tobi und Marina verdammt sympathisch. Immer wieder durchbricht Checker Tobi die filmische vierte Wand, auch um sein Publikum mitzunehmen, es teilhaben zu lassen am Abenteuer. Nichts bleibt hier ununtersucht. Selbst komplexe Sachverhalte werden anschaulich vermittelt. Die großen Themen wie Umweltzerstörung und Landraub werden bewusst und mit allem Ernst mit eingeflochten. Dabei ist dem Checker-Team eine positive Haltung wichtig. Sie vermitteln die Fragen, die man stellen sollte und zeigen auch mit Hilfe von Mitstreitenden, Wegbegleitenden und Sachverständigen auf, was man machen könnte, um es besser zu machen.

Eneh

Regie: Johannes Honsell Mitwirkende: Tobias Krell, Marina M. Blanke, Klaas Heufer-Umlauf, Xuan-An Amy Truong, Bayartuul Lundeg, Lucas Landau, Anne Essel, Bitate Uru Eu Wau Wau, Mira Pöhlker Deutschland 2023 92 Minuten Verleih: MFA+ Kinostart: 5. Oktober 2023

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #Kinderfilm #MFA+

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Inger (Sofie Gråbøl) ist besonders. Inger leidet an Schizophrenie. Ihre Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) holt sie aus der Heimbetreuung ab, um sie auf eine Reise nach Paris mitzunehmen. Paris ist hier nicht nur ein Urlaubsziel, nicht nur ein Sehnsuchtsort, sondern ein Ankerpunkt in Ingers' Vergangenheit.

Schizophrenie ist eine Krankheit, die mit viel Stigma und Unwissenheit belastet ist. Der Bruch in der Wahrnehmung, die Reaktionen der Erkrankten, äußern sich auch ganz unterschiedlich. Der dänische Regisseur Niels Arden Oplev, der vor einigen Jahren auf der Berlinale seinen Film “Worlds Apart” vorgestellt hatte, der in dem Jahr auch Dänemarks Einreichung zu den Oscars wurde, und der mit der Stieg Larsson-Verfilmung “Verblendnung” auch einem größeren Publikum bekannt wurde, wählte eine kleine, autobiographische Geschichte.

Die Figuren von Inger und Ellen sind seinen beiden Schwestern nachempfunden, die einst, vor Handy-Zeiten, genauso eine Reise unternommen haben. Es geht um den Zusammenhalt einer Familie, in der die Krankheit einer Person alles auf den Prüfstand stellt. Es geht aber auch um uns als Gesellschaft, die wir Krankheiten stigmatisieren und so weit von uns weisen, dass wir nicht damit umzugehen lernen.

Die Reise nach Paris ist keine Reise im bequemen Auto. Ellen hat, sehr zum Unwillen der getagten Mutter, die sich viel zu sehr in die Betreuung, trotz Heimunterbringung, einbringt und aufreibt, für eine pauschale Busreise entschieden. Ein Mikrokosmos an Mitreisenden, die so unvermittelt und ungefragt sich nun ebenfalls mit jemandem auseinandersetzen müssen, die nicht der Norm entspricht. Inger macht aus ihrer Krankheit keinen Hehl. Dabei handelt es sich allerdings um eine milde Form der Schizophrenie, sonst würde sich die Geschichte sicherlich so nicht erzählen lassen. Es geht also nicht nur um Ingers Krankheit, sondern auch um die Reaktionen ihrer Mitmenschen, die sehr unterschiedlich ausfallen.

Da ist zum Beispiel der Lehrer Andreas (Søren Malling) und seine sehr stille Ehefrau Margit (Christiane G. Koch). Offensichtlich lehnt der Pedant, wie er im Buche steht, jede Normabweichung ab und will vorgeblich seinen Sohn Christian (Luca Reichardt Ben Coker), gerade mal 12 Jahre alt, vor schlechten Einflüssen schützen. Andreas' Ablehnung fällt so stark aus, dass man erst meint, er sollte doch mal locker machen, aber auch seine Reaktion deckt eine Facette einer Persönlichkeitsabweichung ab. Niels Arden Oplev nimmt die Figuren bis in die Nebenrollen ernst, stellt niemanden bloß und schafft es, Mitgefühl zu wecken. Sein Drehbuch kommt geradezu als eine Komödie daher, ohne sich je über etwas lustig zu machen.

Christian ist hier eine Schlüsselfigur. So jung, so ohne Berührungsängste, sozusagen ein Ideal, geht er an das Unbekannte heran und freundet sich mit Inger an. Er will verstehen und führt mit seiner Neugierde auch das Publikum an die Problematik heran. Dabei verschweigt Niels Arden Oplev die Schwierigkeiten nicht. Er zeigt, wie Ellen teilweise an den Rand ihrer Kräfte gerät, vor der sie auch ihr beschützender Mann Vagn (Anders W. Berthelsen) nicht immer bewahren kann. Auch seine stille Unterstützung löst mitunter Frustrationen bei ihm aus. Niels Arden Oplev wägt die selbst gewählten und die unfreiwillig auferlegten Aufgaben sorgsam ab und vermittelt diese mit einer Leichtigkeit, die diesen Film, deren Titel sich irgendwann erklären wird, zu einer kleinen Perle machen.

Eneh

Originaltitel: Rose Regie: Niels Arden Oplev Mit: Sofie Gråbøl, Lene Maria Christensen, Anders W. Berthelsen, Søren Malling, Luca Reichardt Ben Coker, Peter Gantzler, Christiane Gjellerup Koch, Karen-Lise Mynster, Illyès Salah, Jean-Pierre Lorit, Yale Arden Oplev, Kathrine Jacobsen, Tine Roland Grauengaard Dänemark 2021 101 Minuten Verleih: Mindjazz Pictures Kinostart: 28. September 2023

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #MindjazzPictures

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Sieben Jahre, sieben Winter saß die junge Studentin, Reyhaneh Jabbari, im Iran im Gefängnis, bis sie, verurteilt als Mörderin, hingerichtet worden ist. Damals, das waren die Jahre 2007 bis 2014, war das in allen Medien. Reyhaneh Jabbari war gerade mal 19 Jahre alt. Neben ihrem Studium arbeitete sie als Inneneinrichterin. Ein Jobangebot wurde ihr zum Verhängnis. Für einen Auftrag war sie auf einer Wohnungsbegehung, die sich als Falle herausstellte. Der Auftraggeber hatte die Tür verschlossen. Sie wehrte sich und in Notwehr verursachte sie den Tod ihres Vergewaltigers. Man wertete ihre Abwehr als Mord. Darauf stand die Todesstrafe, beziehungsweise die “Blutrache”.

Sieben Winter in Teheran war dieses Jahr auf der 73. Berlinale der Eröffnungsfilm der Sektion Perspektive Deutsches Kino, der schließlich zum Gewinner des Kompass-Perspektive-Preises 2023 gekürt wurde. International debütierte der Dokumentarfilm gerade in Dänemark auf dem CPH:DOX Festival. Neben dem Achtung Berlin Festival wird auch das DOK.fest München den Film im Mai 2023 zeigen. Einen Verleih hat der Film inzwischen.

Die Jury für den Kompass-Perspektive-Preis begründete ihre Entscheidung: “Gebannt verfolgen wir die Geschichte einer jungen Frau, die sich der institutionalisierten männlichen Gewalt widersetzt. Dabei entsteht das einfühlsame Porträt einer Familie, die im Kampf gegen ein Unrechtsregime zerrissen wird.” Die Jury hebt hervor: “Dieser Film tut weh und verstört.”

Reyhaneh Jabbari hätte die Möglichkeit gehabt, ihre Anschuldigung der Vergewaltigung zurückzunehmen. Die Angehörigen des “Opfers”, denn die Familie des Täters gilt hier als die “Familie des Opfers”, hätten ihr “verzeihen” können. Mit einer Lüge wollte Jabbari jedoch nicht leben, sie blieb bei der Wahrheit.

Steffi Niederzoll ist Absolventin der Kunsthochschule für Medien Köln und der Escuela Internacional de Cine y Televisión in Kuba. Bereits ihren mittellangen Film Lea (2008) stellte sie in der Perspektive-Sektion der Berlinale vor. Ihr erster langer Dokumentarfilm zeichnet sich durch ihre Zurückhaltung aus. Im Mittelpunkt stehen die Geschichte von Reyhaneh Jabbari und die Bemühungen ihrer Familie, ihre Freilassung zu bewirken.

Steffi Niederzoll arbeitete eng mit der Familie zusammen. Mutter und Schwester von Reyhaneh Jabbari leben inzwischen in Deutschland. Der Vater ist, in Ermangelung einer Ausreisegenehmigung, in Teheran zurückgeblieben. Die Gespräche mit der Familie wurden darum teils von einem anonymen Stab gedreht. Die Familie stellte Steffi Niederzoll geheime Aufnahmen der Familie aus dem Gefängnis, Telefongespräche und Briefe zur Verfügung. Auszüge aus den Briefen werden von der Exiliranerin und Schauspielerin Zar Amir-Ebrahimi (wir kennen sie aus Holy Spider) aus dem Off vorgelesen.

Anhand des Materials werden wir Zeuge eines aussichtslosen Kampfes gegen Traditionen, den iranischen Institutionen und einer Gesellschaft, in der das Patriarchat diktiert. Die Regierung ist an der Wahrheit nicht interessiert. Denn Reyhaneh Jabbaris Vergewaltiger galt als ein religiöser Mann und so konnte er per se kein Vergewaltiger sein. Er war übrigens als Geschäftsmann und darüberhinaus auch als Mann im Geheimdienst zu gut vernetzt.

Sieben Jahre in Teheran zeigt aber nicht nur die aussichtslosen Verhandlungen, sondern zeigt den Lebensweg einer jungen Frau, die durch die Umstände wächst. So erfahren wir, dass sie sich mehr und mehr um die Belange ihrer Mithäftlingen kümmerte. Gleichzeitig lernen wir ihre Familie kennen, die ebenso an der Situation wachsen muss. Sie lernen alle Kanäle zu nutzen, bemühen sich um Aussöhnung und müssen doch auch mit der Entscheidung der Tochter, bei der Wahrheit zu bleiben, Frieden schließen.

Sieben Jahre in Teheran stellt sein Thema der Form voran. Gerade dadurch gibt der Dokumentarfilm Reyhaneh Jabbari und denen, die vom iranischen Regime unterdrückt und vernichtet worden sind, eine Stimme weit über den Tod hinaus.

Eneh

Dokumentarfilm Originaltitel: Seven Winters in Tehran Regie & Konzept: Steffi Niederzoll Kamera: Julia Daschner Montage: Nicole Kortlüke Musik: Flemming Nordkrog Mit Reyhaneh Jabbari, Shole Pakravan, Fereydoon Jabbari, Shahrzad Jabbari, Sharare Jabbari, Parvaneh Hajilou, Mohammad Mostafaei, Samira Mokarrami Deutschland / Frankreich 2023 98 Minuten Kinostart: 14. September 2023 Verleih: Little Dream Pictures Festivals: Berlinale 2023 / Achtung Berlin 2023 / Dok.Fest München 2023 TMDB

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Dokumentarfilm #LittleDreamPictures #Berlinale2023 #AchtungBerlin2023 #DokFestMünchen2023

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Die Geschichte der Beziehung zwischen König Ludwig XV. (Johnny Depp) und der Mätresse Jeanne du Barry (Maïwenn) hätte das Potential gehabt, mehr als ein Kostüm- und Ausstattungsfilm zu werden.

Ludwig, also Louis XV. (1710 – 1774) ist vielen vielleicht nur durch die nach ihm benannte Stilepoche “Louis-quinze” bekannt. Er pflegte eine oft in Kunst und Literatur verarbeitete Beziehung zu der Marquise de Pompadour, aber eben auch zu Jeanne du Barry (1743 – 1793), die ihn noch auf seinem Krankenbett pflegte. Seine Reformbemühungen sind weniger im Fokus. Die Aussöhnung mit Österreich, die mit der Verheiratung von Marie Antoinette mit seinem Enkel, der zum schicksalhaften König Ludwig XVI. wurde, mag nur Geschichtsenthusiasten im Gedächtnis geblieben sein. Marie Antoinette und die ihr nachgesagten Extravaganzen inspirierten vor einigen Jahren z.B. aber Sofia Coppola zu ihrem bekannten Pop-Opus, das wiederum Maïwenn aufgriff und zu einem eigenen Werk abwandelte.

Für die Politik und Geschichte der Zeit interessiert sich das Biopic der letzten Mätresse des Königs, eben jener Jeanne du Barry, nicht. Die Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn (“Poliezei”, “Mein ein, mein alles”) zeigt den vermeintlichen Aufstieg einer jungen Frau aus dem Proletariat, Tochter einer Köchin, die es aus eigener Kraft und mit Hilfe ihres Charmes zu etwas bringen will. War es denn wirklich so? Wohl kaum.

Maïwenn nimmt sich Freiheiten in der Vita, was an sich nicht verwerflich ist. Allerdings geht es ihr auch nicht um das Zeremoniell und – oder um die Hierarchie, folglich die Politik am Hof der französischen Könige. Natürlich ist es nicht ohne, wenn man visuell damit auftrumpfen kann, tatsächlich in Versailles gedreht zu haben. Zumindest an den publikumsfreien Tagen, das heißt nur einmal in der Woche. Drehorte, Ausstellung und Kostüme sind bei Historienfilmen aber wohl das Mindeste, auf das man wert legt.

Wir lernen Jeanne als Kind kennen. Wir erfahren, dass sie vom Herrn ihrer Mutter gefördert wurde und etwas Bildung erhalten hat. Die Rolle der Frauen in dieser Zeit war allerdings sehr beengt. Jeanne wählte das Leben als Kurtisane. Sie fiel dem Grafen Jean-Baptiste du Barry auf, der sie heiratete, aber sogleich, um seinen eigenen Einfluss am Hof auszuweiten, weitervermittelte. Aus Sicht einer jungen Frau im 18. Jahrhundert gab es kaum eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung oder zur Emanzipation. Eine Verkuppelung mit dem König hat also wenig mit Romantik und rein gar nichts mit Eigenständigkeit zu tun. Im Gegenteil. Die Ausgangslage ist eine Demütigende. Das Kind beim Namen zu nennen, wäre hier besser angekommen. Dazu kommt, dass die Regisseurin einen nahezu männlichen Blick auf die Hauptfigur wirft und so jede neue Facette, die man einbinden könnte, von vornherein ausschließt.

Trotzdem wurde die Geschichte der Du Barry immer wieder Stoff von Romanen, Operetten und Spielfilmen. Bereits Pola Negri spielte die Du Barry 1919 unter der Regie von Ernst Lubitsch. 1934 drehte William Dieterle “Madame du Barry” mit Dolores del Río. Cole Porter machte ihre Geschichte zum Musical, und zuletzt tauchte sie in Sofia Coppolas “Marie Antoinette” als intrigante Nebenfigur auf, die von Asia Argento gespielt wurde. Maïwenn machte den Stoff zu ihrem Herzensprojekt und besetzte sich gleich selbst in der Hauptrolle. Dabei ist sie rund 15 Jahre zu alt für die Rolle.

Geht es ihr denn um die Beziehung zu dem König oder zeigt sie die Beziehung, die der König zu den seinen und zu ihr hatte? Eigentlich nicht. So gar nicht hilfreich ist, dass Maïwenn ausgerechnet Johnny Depp in der Rolle des französischen Königs besetzte. Depp war zwar Jahre lang mit der Französin Vanessa Paradies verheiratet, aber den Franzosen nimmt man ihm nicht ab.

In Cannes, wo “Jeanne du Barry” dieses Jahr das Festival eröffnete, gab es ob der Besetzung sogar einen Aufschrei. Über einen langwährenden Prozess musste sich Depp den Vorwürfen seiner ehemaligen Freundin Amber Heard juristisch erwehren. Ungeachtet des Ausgangs dieser eigentlich privaten und uneigentlich öffentlichen Auseinandersetzung ist seine Besetzung fragwürdig. Dass die Regisseurin und Hauptdarstellerin Maïwenn sich explizit nicht als Verfechterin der #metoo-Bewegung ansieht, färbt nun auf das Historienspektakel ab.

Schließlich ist jeder Historienfilm nicht nur das Porträt einer Ära, sondern auch ein Spiegelbild der Zeit, in der das Werk entstand. Reflektion ist aber keine Stärke von Maïwenns Figuren. Geschichtlich verbürgt ist, dass sie einen Sklavenjungen, Louis-Benoit Zamor, geschenkt bekam. Sie wollte ihm Bildung schenken und ihn gut behandeln, aber letztendlich dankte er es ihr nicht. Natürlich nicht, sagt man sich aus heutiger Sicht. Im Drehbuch verläuft sich die Figur, wie so viele andere Aspekte, die sich nicht um ihre Hingabe für den König drehen.

Eine Handlung, die die Zwänge der Gesellschaft allgemein und am Hof, thematisiert hätte, wäre um einiges spannender gewesen. Stattdessen inszeniert sich Maïwenn als anmutige, unverbrauchte Unschuld, die am Hof zwar durchaus Akzente in Sachen Mode setzen kann, die aber im Großen und Ganzen gemieden wurde.

Trotzdem und gegen alle Widerstände opferte sie sich für ihren König auf. Ihrem König, der sie nach seinem Tod per Anordnung ins Kloster verbannte. Nicht einmal die gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit, die Französische Revolution am geschichtlichen Horizont, konnte Jeanne du Barry mit ihrer Herkunft versöhnen. Die Konsequenz musste sie tragen, wie hier zumindest das Nachwort nicht verschweigt. Auch das hätte eine interessante Geschichte ergeben.

Maïwenn blendet die französische Geschichte außerhalb des Hofes fast gänzlich aus. Die Monarchie, die kurz vor ihrem Ende steht, wird hier eher verklärt, wenn nicht sogar verharmlost. Die Intrigen am Hof richten sich stets nur gegen die Titelfigur. Maïwenn zeigt die Absurditäten im Protokoll auf, um sie vorzuführen. Sicherlich kann man sich an den Kostümen satt sehen. Aber insgesamt bleibt ein schaler Nachgeschmack.

Eneh

Originaltitel: Jeanne Du Barry Regie: Maïwenn Mit: Maïwenn, Johnny Depp, Benjamin Lavernhe, Melvil Poupaud, Robin Renucci, Pierre Richard, Marianne Basler, Pascal Greggory, Caroline Chaniolleau, India Hair, Suzanne De Baecque, Capucine Valmary, Laura Le Velly, Patrick d'Assumçao, Diego Le Fur, Pauline Pollmann, Noémie Lvovsky, Micha Lescot, Marine Boca, Djibril Djimo, Ibrahim Yaffa, Thibault Bonenfant, Erika Sainte Frankreich / Belgien / Großbritannien 2023 117 Minuten Verleih: Wild Bunch & Alamode Kinostart: 24. August 2023

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #WildBunch #Alamode

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Die schönste Liebesgeschichte des Jahres, so könnte man Past Lives knapp beschreiben. Aber eigentlich ist Past Lives gar keine Liebesgeschichte. Zumindest ist sie das nur zum Teil. Der deutsche Titel benennt das Spielfilmdebüt der koreanisch-amerikanischen Bühnenautorin Celine Song (Endlings), die mit diesem Erstling selbst am Scheideweg steht und fortan Filme drehen möchte, ganz treffend Past Lives – In einem anderen Leben.

Die “vergangenen Leben” beziehen sich dabei auf das koreanische Konzept des “In-Yun”, das besagt, dass Seelen sich über Reinkarnationen hinweg immer wieder aufeinandertreffen und eine Verbundenheit aufbauen. Diese Verbundenheit kann nach unzähligen Zirkeln zu einer tiefen Liebesbeziehung führen.

Nora (Greta Lee) erzählt Arthur (John Magaro) von “In-Yun”, als sie ihn kennenlernt und fügt hinzu, dass Koreaner den Begriff gerne als einen netten Anmachspruch verwenden. Aber so ganz abstreiten möchte Celine Song diese Idee in ihrem Werk nicht. Der deutsche Zusatztitel vermittelt das Gefühl, dass ein Leben mit all seinen Abzweigungen auch anders verlaufen könnte. Damit bezieht Celine Song in ihrem semiautobiographischen Drama sich nicht nur auf Liebe und Zweisamkeit, sondern auf die Schmerzen bei der Suche nach Identität, die aus all den Möglichkeiten, die ein Leben bietet, aufkommen und sowohl die Figuren als auch ihre Beziehung zueinander formen.

Wir standen alle schon an Scheidewegen. Manchmal wählen wir unseren Weg selbst. Wir wählen eine andere Stadt, weil uns zum Beispiel der Beruf diese Möglichkeit gibt. Manchmal werden uns diese Entscheidungen abgenommen. Nora ist 12, als sie mit ihrer Familie die Heimat verlässt, um nach Kanada auszuwandern. Für einen Nachmittag schenken die Mütter von Nora, die da noch den koreanischen Namen Na Young hat, und Hae Sung (als Erwachsener wird er von Teo Yoo gespielt), einen gemeinsamen Ausflug. Die beiden Kinder besuchen die gleiche Schule und haben weitgehend den gleichen Schulweg. Hae Sung mag Nora sehr, Nora fühlt sich in seiner Gegenwart verstanden. Dieser Nachmittag im Park soll den beiden Kindern eine Erinnerung schenken. Auch wörtlich trennen sich ihre Wege dann.

Erst Jahre später finden die beiden eher zufällig und über die sozialen Medien wieder zueinander und sind sich auch über die Kontinente hinweg so nahe, wie es nur gute Freunde mit gemeinsamer Vergangenheit sein können. Für eine Weile erzählen sie sich und damit uns in Videoschaltungen von ihrem Alltag und ihrem Leben, bis das Leben selbst sie jeweils wieder ganz in Beschlag nimmt.

Auslöser für eine Betrachtung des Daseins der gelebten und der nicht gelebten Möglichkeiten ist eine Szene, die der Film ganz an den Anfang stellt. Das Publikum nimmt sogleich die Position des außenstehenden Betrachters ein, der sich fragt, wie die drei Figuren, die gemeinsam in einer Bar in New Yorks East Village sitzen, aber sich nicht wirklich gemeinsam unterhalten, zueinanderstehen.

Nora ist hier der Mittelpunkt, die sich mit einem der Begleiter in einer Sprache unterhält, die der andere nicht versteht. Womit beide männlichen Figuren gemeint sein können. Der eine spricht Koreanisch, der andere Englisch und Beide haben rein gar nichts miteinander zu tun. Ohne Nora würden sich ihre Lebenswege nie kreuzen. Nur Nora ist ihnen beiden gemeinsam. Was hat sie also zueinander geführt? Wie stehen sie zueinander? Diese Szene hat sich in etwa so auch in Celine Songs Leben abgespielt. Sie spürte die fragenden Blicke anderer Gäste und blickte innerlich zurück, welche Fragen das sein mögen und welche Antworten die anderen finden könnten.

Die Betrachtung eines Außenstehenden kann diese Szene deuten, instinktiv begreifen, interpretieren und aufs Neue interpretieren. Celine Song, springt nach der Eröffnung 24 Jahre zurück in die Kindheit seiner Hauptfigur Nora. Doch es kann auch sein, dass wir eine Erinnerung sehen. Eine Liebesgeschichte ist Past Lives nur insofern, dass sowohl Hae Sung als auch Arthur Gefühle für Nora hegen und auch bereit sind, auf ihren Lebensweg einzugehen, sie loszulassen, um mit ihr verbunden zu bleiben.

Dabei schafft es Celine Song uns die innere Zerrissenheit einer eigentlich sehr starken Nora erfahrbar zu machen. Nora ist eine Figur, die weiß, was sie will, die zielstrebig ihren Weg geht, aber die sich dennoch fragt, was sie dabei aufgegeben hat. Past Lives spricht vielleicht besonders die an, die eine Biografie mit Brechungen haben. Aber haben wir die nicht alle?

Das Werk debütierte dieses Jahr auf dem Festival in Sundance und gehörte auf der Berlinale, wo der Film im Wettbewerb gezeigt worden ist, zu den Favoriten. Ganz sicher ist Songs Debüt ein Film, der mal an die Before-Trilogie von Richard Linklater, von der Stimmung her aber auch an In the Mood for Love von Wong Kar Wei erinnert, der bleiben wird.

Celine Song beweist ein Talent Unausgesprochenes fühlbar zu gestalten, was sie zu einer Entdeckung macht. Ihr Past Lives baut ein Geheimnis auf, weil jeder Mensch ein Geheimnis ist, vielleicht auch für sich selbst, und dieses Geheimnis nicht sofort auflöst und die Möglichkeit gibt, dieses immer wieder entschlüsseln zu wollen.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: Past Lives Regie: Celine Song Drehbuch: Celine Song Kamera: Shabier Kirchner Montage: Keith Fraase Musik: Chris Bear, Daniel Rossen Mit Greta Lee, Teo Yoo, John Magaro, Moon Seung-ah, Seung Min Yim, Ji Hye Yoon, Won Young Choi, Ahn Min-Young, Seo Yeon-Woo, Kiha Chang, Shin Hee-Chul, Jun Hyuk Park, Jack Alberts, Jane Kim, Noo Ri Song, Si Ah Jin, Yoon Seo Choi, Seung Un Hwang, Jojo T. Gibbs, Emily Cass McDonnell, Federico Rodriguez, Conrad Schott, Kristen Sieh USA 2022 105 Minuten Verleih: Studiocanal Kinostart: 17. August 2023 Festivals: Sundance 2023 / Berlinale 2023 TMDB

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #Studiocanal #Sundance2023 #Berlinale2023

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Ein gläserner Kasten, keine Black Box, wird in den Innenhof einer Mietskaserne mit Seilen herabgelassen. Hier wird jetzt Herr Horn (Felix Kramer) von der Hausverwaltung residieren und für seine Eigentumswohnungen, er ist Mitinhaber in Personalunion, Werbung machen. Ein offenes Büro zusagen. Es sind die Mietparteien, die hier die Unbekannten sein sollen. Fragt sich, für wen? Der Hausverwalter, das sei jetzt schon mal erwähnt, weiß mehr über die Mieter und Mieterinnen, als man annehmen könnte. Die Mietparteien kennen sich auch untereinander recht gut. Die große Unbekannte ist also das Publikum, das nicht in diese Figuren hineingucken kann. Was wird passieren, wenn man diese Leute unter Druck setzt? Wie reagieren die Zuschauenden auf dieses Experiment, das als sozialkritischer Spielfilm daherkommt?

Das Haus soll saniert werden. Es steht im Raum, dass aus den Wohnungen Eigentumswohnungen werden. Allerdings wird der Prozess durch ein paar Parteien erschwert. Wer die aktuelle Tagespresse, besonders auch in Berlin, besonders in der Startwoche, liest, wundert sich schon über gar nichts mehr. (Der Beispiel-Link führt zu RBB24.) Es fängt so simpel wie offensichtlich an. Die stinkenden Müllkästen, die dem Bürokasten weichen mussten, werden unter die Fenster des Lehrers Erik Behr (Christian Berkel) gestellt. Der findet das nicht so toll. Er wähnt den Mieter Karsten Jung (André Szymanski) als Freund und Verbündeten in seinem Kampf um Mietrechte. Insgeheim spekuliert der jedoch auf eine bessere Eigentumswohnung. So viel sei gesagt, Bündnisse sind hinfällig, wenn es ans Eingemachte geht. Als Herr Horn, ganz unrühmlich, mit einem Eierwurf empfangen wird, fällt die Frage “wer wars?” sogleich auf den querulanten Lehrer. Der wiederum behauptet, dass das Kind einer Mietpartei in den Hof pinkelt.

Die eigentliche Handlung setzt ein, als an einem x-beliebigen Morgen eine Polizeisperre den Hauseingang versperrt. Keiner darf rein, keiner darf raus. Eine Maßnahme wird durchgeführt, von der niemand weiß, wozu diese dient und wie lange die Situation anhält. Hier sind die Figuren nicht schlauer als das Publikum. Sie wehren sich jedoch. Auf unterschiedliche Art. Dabei wird den Figuren eine Vita beigegeben, die vermittelt, warum sie sich wehren. Eine Figur, die tatsächlich in Not gerät, weil sie zu einer medizinischen Behandlung muss, wird da schnell mal aus dem Spiel genommen. Eine andere Figur gerät dafür in den Mittelpunkt und schließlich zur Identifikationsfigur für das Publikum. Nicht die Studentin, die für eine Syrerin gehalten wird, nicht der politische Aktivist aus einem diktatorischen Land. Vielmehr ist es Henrike (Louise Heyer), die gut bürgerliche Hausfrau, die endlich wieder ein Jobinterview hat, zu dem sie dringend in Persona erscheinen soll. Ihre Probleme, ihr aufmüpfiges Kind, ihre Eheprobleme sprechen eine gutbürgerliche Schicht an, die sich hier wiedererkennen darf. Obwohl Henrikes Probleme im Vergleich zum Großen und Ganzen banal und hausgemacht wirken.

Die Regisseurin Aslı Özge erzählt in ihrer schematischen Anordnung jedoch nicht vom Klassenkampf und nur bedingt von Gentrifizierung, sondern setzt Typen in eine Malen-nach-Zahlen-Handlung, die genau die, um die es geht, zurücklässt. Bereits in ihrem letzten Film, Auf einmal, behandelte sie die Themen Vorverurteilung und Misstrauen.

In Black Box misstraut jeder jedem, aber für die Ursache, den Verursacher und die teilnehmenden Figuren interessiert sich ihr Drehbuch immer weniger, je mehr Episoden sie einbringt. So weiß das Publikum ziemlich bald, dass jede Figur nur eine Rolle in dem Stück spielt. Aber schon in der Ungleichgewichtung der Figuren kippt das Konzept. Echte Probleme werden durch scheinbare Probleme verwässert. Manche Figuren werden unsympathisch, andere der Lächerlichkeit preisgegeben. Die politischen und gesellschaftlichen Themen, die uns in den letzten Jahren beschäftigt haben und weiterhin beschäftigen: die Zuwanderung, die Kriege, Corona, die Gentrifizierung, Arbeitslosigkeit, bleiben hier Stichpunkte, denen die Erzählerin nicht auf den Grund geht. Dabei, und das macht nachdenklich, sind es die belgischen Brüder Dardenne, bekannt durch ihre nüchternen, genauen Sozialbetrachtungen, deren Produktionsfirma hier mit an Bord ist.

Mittendrin also der undurchsichtige Herr Horn, der wie das Kaninchen aus dem Hut plötzlich Sprachkenntnisse zaubert, die darauf deuten, dass er an all den Fässern, die dramaturgisch geöffnet werden, sehr wohl Anteil hat, wenn nicht gar mehr. Die Figuren werden aufeinander gehetzt, jeder misstraut schließlich dem anderen. Die Polizei vor der Tür könnte ja nicht grundlos da sein, all diese Elemente lassen das Konzept zerfasern. Da dreht sich die Handlung mitunter im Kreis und wiederholt sich.

Etwas mehr Tempo, etwas mehr tatsächliche Spannung und etwas Kürzung hätten dem Stoff gutgetan. Das Konzept, die Ereignisse aus der reinen Beobachtung und nur über die Reaktionen der Figuren, zu bewerten, bleibt schwierig. So ist aber auch Henrike, die die ganze Zeit nur für das Publikum anwesend ist, die einzige Figur, die sich entwickeln darf. Die das Ganze irgendwann in Frage stellen darf. Die und darauf läuft es auch hinaus, handeln darf. Warum ausgerechnet sie, fragt man sich. Auch dieser Handlung sind Grenzen gesetzt. Schließlich ist auch eine Hausgemeinschaft nur ein Ausschnitt einer Gesellschaft, der in dieser Form in immer größeren Kreisen, das gleiche widerfährt.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: Black Box Regie: Aslı Özge Drehbuch: Aslı Özge Kamera: Emre Erkmen Montage: Patricia Rommel Mit Luise Heyer, Felix Kramer, Christian Berkel, Timur Magomedgadzhiev, Manal Issa, André Szymanski, Sascha Alexander Geršak, Jonathan Berlin, Anne Ratte-Polle, Christina Harting, Ali Bulgan, Deniz Orta, Noureddine Friedrich Chamari, Noémi Besedes, Inka Friedrich, Anna Brüggemann, Hanns Zischler, Toni Traum, Andrea Dietrich, Gitta Witzel Deutschland / Belgien 2022 120 Minuten Kinostart: 10. August 2023 Verleih: Port-au-Prince Pictures Festivals: München 2023 TMDB

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#Filmjahr2023 #Filmkritik #Spielfilm #PortAuPrincePictures #München2023

© Eneh